Geld vom Staat in der Coronakrise Hilfen für die Kleinsten

Der Umsatz über Nacht auf null, aber die Kosten laufen weiter: Die Coronakrise bedroht die Existenz vieler Kleinstunternehmer. Der Staat muss helfen, und das sehr schnell. Aber wie? Vier Möglichkeiten.
Inhaber eines Souvenirladens in Frankfurt: Umsätze auf null - aber die Kosten laufen weiter

Inhaber eines Souvenirladens in Frankfurt: Umsätze auf null - aber die Kosten laufen weiter

Foto: Arne Dedert/ DPA

Die Coronakrise bedroht buchstäblich über Nacht die wirtschaftliche Existenz von Millionen Menschen in Deutschland. Ob Kneipenwirt, Fremdenführer, Buchhändlerin, Hochzeitsfotografin, Musiker oder die oft zitierte Yoga-Lehrerin - viele Kleinstunternehmer stehen durch die weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens vor dem Aus: Kein Cent kommt mehr herein, aber die Kosten laufen weiter, die privaten ebenso wie die für Ladenmiete oder die Berufshaftpflicht.

Zwar stellt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Aussicht, den Zugang zu Hartz IV für die Betroffenen erheblich zu vereinfachen – aber damit wären nur die privaten Wohnkosten und das Existenzminimum gedeckt. Die gewerblichen Kosten blieben aber.

Die wenigsten von ihnen haben Reserven, um diesen Zustand länger als wenige Wochen durchzuhalten, wie auch die Protokolle Betroffener zeigen. Wenn sie nicht schnell Hilfe bekommen, sind sie pleite. Und nur der Staat kann derzeit Hilfen in diesem Umfang stemmen.

Die sogenannte "Bazooka" der Bundesregierung wird diese Hilfe aber kaum leisten können – sie besteht großteils aus Krediten der staatlichen Förderbank KfW. "Mittlerweile ist klar: Liquidität alleine – also schnell verfügbare Kredite, um zahlungsfähig zu bleiben – reicht nicht. Es muss bei vielen die Solvenz gesichert werden. Sie müssen also Geld bekommen ohne die Pflicht der späteren Rückzahlung", sagt der Düsseldorfer Volkswirtschaftsprofessor Jens Südekum. Das Geld müsse zudem sehr schnell fließen.

Doch wie könnte das konkret umgesetzt werden? Vier Möglichkeiten:

Notfallfonds

Eine Möglichkeit wäre ein bundesweiter Notfallfonds für Gewerbetreibende nach dem Vorbild Bayerns. Der Freistaat hat zehn Milliarden Euro bereitgestellt, Solo-Selbständige können 5000 Euro bekommen, wenn sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Dafür müssen sie lediglich ein sehr schlank gehaltenes Formular ausfüllen , mit dem Handy abfotografieren und per Mail abschicken. Bereits an diesem Freitag sollen die ersten Zahlungen fließen.

Das Prinzip ist klar: Erst einmal zahlen, später dann prüfen, wenn sich die Situation wieder normalisiert hat – und gegebenenfalls mit anderen Zahlungen verrechnen, etwa Entschädigungen oder weiteren Förderungen. Ökonom Südekum hält den Fonds und das Vorgehen für sinnvoll.

Arbeitsminister Heil hat einen solchen Notfallfonds bereits in Aussicht gestellt. Unklar ist aber noch, wann er kommt, wie groß er sein wird und ob er ähnlich unkompliziert aufgesetzt wird wie in Bayern.

Kredite mit eingeschränkter Rückzahlungspflicht

Südekum schlägt ein weiteres Instrument auch für Kleinstunternehmer vor: "KfW-Kredite, deren Rückzahlung wie beim BaFöG oder Studiendarlehen geregelt ist: Über die kommenden Jahre oder gar Jahrzehnte muss nur getilgt werden, wenn das Einkommen beziehungsweise der Gewinn über einer bestimmten Grenze liegt."

Tatsächlich scheuen viele Kleinstunternehmer schon prinzipiell davor zurück, Schulden zu machen – erst recht in der aktuellen Situation, in der vollkommen unklar ist, wann sie wieder arbeiten können. Und bei vielen ist auch nicht zu erwarten, dass sie den entgangenen Umsatz nachträglich wieder einfahren. Eine Yoga-Lehrerin wird nicht einfach doppelt so viele Kurse geben können.

Wenn sie den Kredit aber nur dann tilgen werden müssen, wenn ihr Einkommen – also der Gewinn – über einer bestimmten und nicht zu niedrig bemessenen Grenze liegt, gehen sie kein Verschuldungsrisiko ein. Und der Staat hat die Aussicht, irgendwann zumindest einen Teil der riesigen Geldsummen zurück zu bekommen, die er zur Bekämpfung der Krise jetzt ausgeben muss.

Erleichterungen und Zuschüsse bei der Steuer

Das Timing ist ungünstig: Gerade eben erst, am 10. März, mussten viele Kleinstunternehmer die vierteljährlichen Vorauszahlungen für die Einkommensteuer überweisen – aus Umsätzen, die sie nie machen werden. "Diese Vorauszahlungen könnten die Finanzämter sofort zurückzahlen", schlägt Ökonom Südekum vor. "Andere fällige Zahlungen könnten sie nicht nur stunden, sondern ganz oder teilweise erlassen." Grundsätzlich hat die Bundesregierung bereits Steuerstundungen und die Senkung von Vorauszahlungen ermöglicht, allerdings müssen diese beim Finanzamt beantragt werden.

Auch für größere Unternehmen eignet sich eine weitere mögliche Hilfsmaßnahme des Fiskus: Die Regelungen für Verlustvorträge anzupassen. "Die voraussichtlich riesigen Verluste aus diesem Jahr könnten sonst im kommenden Jahr nur bis zu einer bestimmten Grenze auf den dann hoffentlich wieder erwirtschafteten Gewinn angerechnet werden. Dieses Limit könnte ganz gestrichen werden", sagt Südekum.

Corona-Geld für alle

Viele Befürworter eines Bedingungslosen Grundeinkommens sehen in der Notlage vieler Kleinstunternehmer ein Argument, zumindest für einen gewissen Zeitraum Geld an alle Bundesbürger zu zahlen – ähnlich wie es die US-Regierung plant. Südekum hält das allerdigs für keine gute Idee: "Ich selbst bin Beamter – ich brauche jetzt kein Corona-Geld für alle, ebenso wenig wie Rentner." Jetzt sollten auch nur die dringend Geld bekommen, "denen das Wasser bis zum Hals steht", argumentiert Südekum.

Eine zielgenauere Möglichkeit des Corona-Geldes schlagen die Berliner Ökonomen Anke Hassel und Christian Odenthal vor : 500 Euro Corona-Geld für jeden Bundesbürger, der es haben will – schnell und unbürokratisch über die Bank. Später würden diese 500 Euro dann aber auf die Einkommensteuer aufgeschlagen. So könnten jene, die so wenig Einkommen haben, dass sie ohnehin keine Steuern bezahlen, das Geld voll behalten. Diejenigen, die es sich leisten können, würden es hingegen zurückzahlen – und jene, die es auch jetzt nicht brauchen, würden davon abgehalten, es sich überhaupt zu holen.

Anmerkung der Redaktion: Am 10. März waren die vierteljährlichen Zahlungen für die Einkommensteuer fällig, nicht für die Umsatzsteuer, wie in einer früheren Version zu lesen war.

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