Friseursalons im Shutdown »Eine Hardcore-Zeit für mich«
Haare geschnitten hat Jens-Werner Detels seit fast zwei Monaten nicht mehr. Dafür macht er jetzt jeden Tag in seinem Friseursalon in Hamburg St. Pauli Sport. Zumindest körperlich möchte der 61-jährige Friseur die größte Flaute seines Berufslebens gut überstehen.
Jens-Werner Detels, Friseurmeister
»Man muss fit bleiben in der Krise, nützt nichts.«
Und Detels macht den Waschtisch zum Packtisch. Mit einem zweiten Standbein versucht er, sich über die Zeit zu retten.
Jens-Werner Detels, Friseurmeister
»Ich habe seit Mitte Dezember keine Einnahmen. Wir haben jetzt Februar. Bis es Hilfen gibt, ist es wahrscheinlich März und das ist dann schon eine Hardcore-Zeit für mich mit neun Angestellten.«
20.000 Euro Fixkosten pro Monat hat Detels. Wie viele andere Friseure auch strauchelt er finanziell gewaltig.
Jens-Werner Detels, Friseurmeister
»Ich muss jetzt überall in Vorkasse gehen, natürlich. Gut, die Gelder werden irgendwann kommen, aber bis dahin hat man einige schlaflose Nächte.«
Detels führt seinen Salon seit 30 Jahren. Er gehört zu einer Haarschneide-Dynastie – beide Großväter, die Mutter, die Schwester: alle Friseure. In seinen ausgestorbenen Laden kommt Detels jeden Tag.
Jens-Werner Detels, Friseurmeister
»Ich versuche immer, den Rhythmus beizubehalten. Heißt: Ich stehe trotzdem früh auf, gehe ins Geschäft und versuche irgendwie, mich zu beschäftigen. Das ist gruselig irgendwie. Ist komisch. Überhaupt die ganze Gegend ist ja irgendwie runtergefahren. Das kenne ich hier gar nicht. Ich wohne 40 Jahre auf St. Pauli, und es ist ja nichts los.«
In seinem Behelfsbüro hat Detels ordentlich zu tun: Stammkunden gut zureden, mit Ämtern oder dem Steuerberater telefonieren. Und: Sein Online-Angebot pflegen. Denn zu seinem Glück hat Detels eine zweite Einnahmequelle. Seit fünf Jahren verkauft er Pomaden und Bartpflegemittel. Und in den kommenden Wochen will er sein Geschäft noch ausbauen. Ein zweites Standbein wie Detels hat Nina Lützelberger nicht. Sie kommt nur in ihren Salon, um die Blumen zu gießen und nach dem Rechten zu sehen. Mit dem Shutdown hat sie sich arrangiert.
Nina Lützelberger, Friseurmeisterin
»Ich liebe meinen Beruf über alles, aber er ist sehr anstrengend. Ich freue mich, wieder zu arbeiten, aber ich genieße auch die freie Zeit.«
Dabei geht es Lützelberger finanziell schlecht. Sie ist Soloselbstständige, teilt sich den Laden mit einer Kollegin, arbeitet aber auf eigene Rechnung. Keine Angestellten, keine Auszubildenden – eine Erleichterung. Einerseits. Andererseits lebt Lützelberger von der Hand in den Mund.
Nina Lützelberger, Friseurmeisterin
»Man denkt schon drüber nach, wie kritisch es ist und wie lange man das einfach durchhält ohne finanzielle Unterstützung.«
3000 Euro betragen die Fixkosten pro Monat und eine Überbrückungshilfe vom Staat ist noch nicht in Sicht.
Nina Lützelberger, Friseurmeisterin
»Keiner weiß so richtig, was er beantragen kann oder sie. Sogar mein Steuerberater, der Fachmann ist, ist überfordert. Den erreicht man teilweise auch nicht. Ich fühle mich da schon alleingelassen, und ich finde, es ist verdammt viel versprochen worden und bis jetzt in meinen Augen für uns auf jeden Fall noch nichts eingehalten worden.«
Privat spart Lützelberger nun, wo es geht. Über Wasser halten sie auch ihre Kundinnen und Kunden: mit aufbauenden Nachrichten und mit Spenden. Einige fragten auch schon nach einem privaten Haarschnitt.
Nina Lützelberger, Friseurmeisterin
»Ich lehne es ab, nicht nur, weil es illegal ist, sondern auch, weil ich einfach den Kontakt nicht haben möchte. Ich möchte einfach... Wir haben einen Lockdown aus Gründen und ich möchte einfach nicht mit fremden Menschen zusammenkommen.«
Andere Friseure dürften das weniger streng sehen, viele haben große Angst um ihre Existenz. Mit der Aktion "Licht an” hat der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks auf die Verzweiflung in der Branche aufmerksam gemacht. Lützelberger kann Kampagnen wie diese zwar grundsätzlich verstehen, aber:
Nina Lützelberger, Friseurmeisterin
»Ich habe Angst davor, dass dann ein dritter Lockdown kommt. Meine Angst ist, dass durch die Aufschreie gerade von uns Friseurinnen und auch anderen Branchen es eher dazu führt, dass die Maßnahmen verkürzt werden, als Hilfen auszuzahlen oder Unterstützung zu bringen. Und das ist so ein bisschen meine Sorge.«
Für Nathalie Klimkiewicz steigt mit jedem Tag Shutdown die Anspannung. Sie lernt im zweiten Lehrjahr Friseurin.
Nathalie Klimkiewicz, Friseur-Auszubildende
»Am meisten Angst habe ich wirklich vor meiner Prüfung. Gerade, weil ich als letzte Erinnerung habe, dass ich den Herren-Haarschnitt nicht in der vorgegebenen Zeit geschafft habe. Und wenn das jetzt die letzte Erinnerung, die ich daran habe, ist oder bleibt, dann gehe ich da mit einem ganz schlechten Gefühl rein.«
80 Minuten hat sie zuletzt für den Herren-Haarschnitt gebraucht. Bei ihrer Zwischenprüfung im April hat sie dafür aber nur eine Stunde Zeit. Nathalies Problem: Sie darf im Moment nicht an lebenden Modellen üben.
Nathalie Klimkiewicz, Friseur-Auszubildende
»Wenn man jetzt am Puppenkopf vor allem schneiden würde, dann würde man ganz andere Ergebnisse erzielen, egal wie gut man schneidet. Also, es ist einfach ein Handwerk und beim Handwerk ist es einfach total wichtig, dass man da nicht rauskommt. Und gerade für uns als Auszubildende, die es eben noch nicht so perfekt können und das noch nicht in den Händen haben, sag ich mal, es ist einfach sehr, sehr wichtig.«
Immerhin: Finanziell steht Nathalie nicht schlechter da als vor dem Shutdown, allzu beruhigend ist das für sie aber nicht.
Nathalie Klimkiewicz, Friseur-Auszubildende
»Also ich kriege mein Geld zwar weiterhin, aber trotzdem möchte ich den Beruf ja auch lernen. Ich möchte nicht fertig mit meiner Ausbildung und quasi die schlechteste Friseurin der Welt sein, weil ich kaum praktisch arbeiten konnte. Das Gute ist einfach, dass der Beruf nicht aussterben wird, weil die Menschen brauchen Friseure.«
Zurück nach St. Pauli, wo Jens-Werner Detels an seinem Plan B bastelt. Bislang vertreibt er seine Pomaden und Bartpflegemittel auf den gängigen Verkaufsplattformen im Internet, doch nun will er die Zeit des Shutdowns nutzen und sich unabhängiger machen.
Jens-Werner Detels, Friseurmeister
»Ich bin nämlich dabei, einen eigenen Webshop ins Leben zu rufen. Das wird im Moment durch diese Corona-Maßnahmen auch gefördert.«
Bis das kleine Wagnis auf die Beine gestellt wird, stehen noch einige Telefonate an. Für Detels und viele andere Friseure gilt jetzt: durchhalten, bis das Leben wieder normaler ist.
Jens-Werner Detels, Friseurmeister
»Dann bist du in Warteschleifen, dann kommst du nicht durch. Ist anstrengend für mich. Ich schneide lieber Haare.«