Hohe Infektionszahlen Mehrheit der Deutschen ist für Homeoffice-Pflicht

Großraumbüro (Symbolfoto)
Foto: alvarez / Getty ImagesEine Mehrheit der Deutschen befürwortet angesichts der aktuellen Corona-Infektionslage eine Homeoffice-Pflicht. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey unter mehr als 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern für den SPIEGEL hervor. Demnach sprechen sich 56 Prozent der Befragten für ein grundsätzliches Verbot der Arbeit im Büro aus, sofern Homeoffice möglich ist, 32 Prozent dagegen.
Mehrheitlich abgelehnt wird eine Corona-bedingte Homeoffice-Pflicht lediglich von Befragten, die angaben, die FDP (58 Prozent) beziehungsweise die AfD (63 Prozent) zu wählen. Am höchsten ist die Zustimmung mit 73 Prozent unter den Anhängern der Grünen.
Unterschiede – wenn auch weniger ausgeprägt – sind auch zwischen Eltern und Befragten ohne Kinder im Haushalt festzustellen: Zwar befürworten beide Gruppen mehrheitlich eine Homeoffice-Pflicht im aktuellen Shutdown. Allerdings ist der Anteil mit einer ablehnenden Haltung bei Befragten mit Kindern im Haushalt mit 38 Prozent höher als bei Befragten ohne Kinder im Haushalt (30 Prozent).
Damit findet sich unter den Deutschen sogar für ein staatlich verordnetes Verbot des Arbeitens im Büro eine Mehrheit – eine sehr weitgehende Maßnahme.
In der Politik wird aktuell vor allem darüber diskutiert, Arbeitgeber dazu zu verpflichten, ihren Beschäftigten Homeoffice anzubieten, wenn das betrieblich möglich ist. Die oder der Einzelne kann dann immer noch ins Büro, wenn sie oder er das will oder die Umstände zu Hause es nicht anders zulassen. Beschäftigte können aber nicht mehr dazu gezwungen werden.
Eine solche Verpflichtung von Arbeitgebern könnte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) anordnen, fordern etwa die Grünen; sie haben im Bundestag einen entsprechenden Antrag eingebracht. Das wäre in der aktuellen epidemischen Lage laut einer rechtlichen Einschätzung der Grünenfraktion, die dem SPIEGEL vorliegt, per Rechtsverordnung des Ministeriums möglich, ohne ein eigenes Gesetz. Demnach wäre ein solcher Eingriff in die Rechte der Arbeitgeber angesichts der aktuellen Infektionszahlen auch verhältnismäßig.
Heil selbst hat mehrfach eindringlich an Unternehmen appelliert, ihren Beschäftigten mobiles Arbeiten zu erlauben – eine rechtliche Verpflichtung dazu hat er bislang nicht angekündigt. Auch die Runde aus Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer beließ es zuletzt bei einer »dringenden Empfehlung«.
Ein von Heil und der SPD hingegen bereits vor der Pandemie verfolgtes Projekt lehnen die Deutschen jedoch mehrheitlich ab: ein allgemeines Recht auf Homeoffice. Nur 37 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, dass Arbeitnehmer einen gesetzlichen Mindestanspruch erhalten sollen, 50 Prozent sind hingegen der Ansicht, die Entscheidung über den Arbeitsort solle vom Arbeitgeber getroffen werden. Heil war im vergangenen Herbst mit Plänen für einen Mindestanspruch von 24 Tagen Homeoffice im Jahr am Widerstand der Union gescheitert.
Deutlich bessere Chancen hätte ein Recht auf Homeoffice offenbar bei einer rot-rot-grünen Bundesregierung. Zumindest findet sich bei den Wählern von SPD, Grünen und Linke jeweils eine absolute Mehrheit dafür – bei Wählern von Union, FDP und AfD aber jeweils eine absolute Mehrheit dagegen.
Anders als bei einem Verbot der Büroarbeit im aktuellen Shutdown finden sich für einen Mindestanspruch auf Homeoffice mehr Unterstützer bei Eltern (44 Prozent) als bei Befragten ohne Kinder im Haushalt (36 Prozent). Jeweils noch mehr Befragte (46 Prozent mit Kindern; 51 Prozent ohne Kinder) halten das jedoch für eine Entscheidung, die dem Arbeitgeber vorbehalten sein sollte.
Das Meinungsforschungsinstitut Civey arbeitet mit einem mehrstufigen voll automatisierten Verfahren. Alle repräsentativen Echtzeitumfragen werden in einem deutschlandweiten Netzwerk aus mehr als 20.000 Websites ausgespielt (»Riversampling«), es werden also nicht nur Nutzer des SPIEGEL befragt. Jeder kann online an den Befragungen teilnehmen und wird mit seinen Antworten im repräsentativen Ergebnis berücksichtigt, sofern er sich registriert hat. Aus diesen Nutzern zieht Civey eine quotierte Stichprobe, die sicherstellt, dass sie beispielsweise in den Merkmalen Alter, Geschlecht und Bevölkerungsdichte der Grundgesamtheit entspricht. In einem dritten Schritt werden die Ergebnisse schließlich nach weiteren soziodemografischen Faktoren und Wertehaltungen der Abstimmenden gewichtet, um Verzerrungen zu korrigieren und Manipulationen zu verhindern. Weitere Informationen hierzu finden Sie auch in den Civey FAQ.
Die Registrierung hilft dabei, die Antworten zu gewichten, und ermöglicht so ein Ergebnis für die Umfragen, das für die Wahlbevölkerung in Deutschland repräsentativ ist. Jeder Teilnehmer wird dabei nach seinem Geschlecht, Geburtsjahr und Wohnort gefragt. Danach kann jeder seine Meinung auch in weiteren Umfragen zu unterschiedlichen Themen abgeben.
Die Antwort jedes Teilnehmers wird so gewichtet, dass das Resultat einer Umfrage für die Grundgesamtheit repräsentativ ist. Bei der Sonntagsfrage und beim Regierungsmonitor umfasst diese Grundgesamtheit die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland. Die Gewichtung geschieht voll automatisiert auf Basis der persönlichen Angaben bei der Registrierung sowie der Historie früherer Antworten eines Nutzers. Weitere Details zur Methodik stehen im Civey-Whitepaper.
Meinungsumfragen werden in der Regel telefonisch oder online durchgeführt. Für die Aussagekraft der Ergebnisse ist entscheidend, wie viele Menschen erreicht werden können und wie viele sich tatsächlich an einer Umfrage beteiligen, wenn sie angesprochen werden. Internetanschlüsse und Festnetzanschlüsse sind in Deutschland derzeit etwa gleich weit verbreitet – bei jeweils rund 90 Prozent der Haushalte, Mobiltelefone bei sogar 95 Prozent. Die Teilnahmebereitschaft liegt bei allen Methoden im einstelligen Prozentbereich, besonders niedrig schätzen Experten sie für Telefonumfragen ein.
Es gibt also bei beiden Methoden eine Gruppe von Personen, die nicht erreicht werden kann, weil sie entweder keinen Anschluss an das jeweilige Netz hat oder sich nicht an der Umfrage beteiligen möchte. Deshalb müssen für ein aussagekräftiges Ergebnis immer sehr viele Menschen angesprochen werden. Civey-Umfragen sind derzeit neben dem SPIEGEL in mehr als 20.000 andere Webseiten eingebunden, darunter auch unterschiedliche Medien. So wird gewährleistet, dass möglichst alle Bevölkerungsgruppen gut erreicht werden können.
Bis das Ergebnis einer Umfrage repräsentativ wird, müssen ausreichend viele unterschiedliche Menschen daran teilnehmen. Ob das bereits gelungen ist, macht Civey transparent, indem zu jedem Umfrageergebnis eine statistische Fehlerwahrscheinlichkeit angegeben wird. Auch die Zahl der Teilnehmer und die Befragungszeit werden für jede Umfrage veröffentlicht.
In unseren Grafiken ist der statistische Fehler als farbiges Intervall dargestellt. Dieses Intervall zeigt jeweils, mit welcher Unsicherheit ein Umfragewert verbunden ist. Zum Beispiel kann man bei der Sonntagsfrage nicht exakt sagen, wie viel Prozent eine Partei bei einer Wahl bekommen würde, jedoch aber ein Intervall angeben, in dem das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen wird. Überschneiden sich die Intervalle von zwei Umfragewerten, dann können streng genommen keine Aussagen über die Differenz getroffen werden. Bei der Sonntagsfrage heißt das: Liegen die Umfragewerte zweier Parteien so nah beieinander, dass sich ihre Fehlerintervalle überlappen, lässt sich daraus nicht ableiten, welche von beiden aktuell bei der Wahl besser abschneiden würde.
Die persönlichen Daten der Nutzer werden verschlüsselt auf deutschen Servern gespeichert und bleiben geheim. Mitarbeiter von Civey arbeiten für die Auswertungen lediglich mit User-IDs und können die Nutzer nicht mit ihrer Abstimmung in Verbindung bringen. Die persönlichen Angaben der Nutzer dienen vor allem dazu, die Antworten zu gewichten und sicherzustellen, dass die Umfragen nicht manipuliert werden. Um dies zu verhindern, nutzt Civey statistische wie auch technische Methoden. Darüber hinaus arbeitet Civey mit externen Partnern zusammen, die Zielgruppen für Werbetreibende erstellen. Nur wenn Nutzer die Datenschutzerklärung sowohl von Civey als auch von einem externen Partner akzeptiert haben, dürfen Ihre Antworten vom Partner zur Modellierung dieser Zielgruppen genutzt werden. Ein Partner erhält aber keine Informationen zu Ihren politischen und religiösen Einstellungen sowie solche, mit denen Sie identifiziert werden können. Civey-Nutzer werden auch nicht auf Basis ihrer Antworten mit Werbung bespielt. Der Weitergabe an Partner können Sie als eingeloggter Nutzer jederzeit hier widersprechen. Mehr Informationen zum Datenschutz bei Civey finden Sie hier.
An dieser Stelle haben Leser in der App und auf der mobilen/stationären Website die Möglichkeit, an einer repräsentativen Civey-Umfrage teilzunehmen. Civey ist ein Online-Meinungsforschungsinstitut mit Sitz in Berlin. Zur Erhebung seiner repräsentativen Umfragen schaltet die Software des 2015 gegründeten Unternehmens Websites zu einem deutschlandweiten Umfragenetzwerk zusammen. Neben dem SPIEGEL gehören unter anderem auch der »Tagesspiegel«, »Welt«, »Wirtschaftswoche« und »Rheinische Post« dazu. Civey wurde durch das Förderprogramm ProFit der Investitionsbank Berlin und durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert.