Staatsfinanzen nach Corona Frankreich nennt EU-Schuldenregeln »obsolet«

Frankreichs Finanzminister Le Maire: »Wir dürfen das Wachstum nicht abwürgen«
Foto: Annegret Hilse / dpa/Reuters PoolIm Kampf gegen die Coronakrise wurden die Schuldenregeln in der EU 2020 ausgesetzt – und bleiben es noch bis Ende 2022. Doch was ist danach? Auf einem Treffen in Slowenien haben die Finanzminister der Mitgliedstaaten nun heftig über die künftig zulässige Staatsverschuldung gestritten.
Insbesondere Frankreich und andere EU-Länder stellen die gemeinsamen Regeln infrage. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire sagte im slowenischen Kranj, die Defizitvorgaben seien teils »obsolet«. Spaniens Finanzministerin Nadia Calviño sprach sich für eine »Vereinfachung der Regeln und ihre Anpassung an die Realität« aus.
Le Maire begründete die französische Haltung mit den Milliardenausgaben der Mitgliedsländer in der Coronapandemie. »Wir dürfen das Wachstum nicht abwürgen«, sagte er. Er zeigte sich zugleich offen dafür, Klimainvestitionen von den Schuldenregeln auszunehmen, denn der Kampf gegen den Klimawandel erfordere »sehr viel Geld«.
Scholz für Stabilität – Grünenpolitiker nennt ihn »Populist«
Die sogenannten sparsamen Staaten wollen das Aushöhlen des Stabilitätspakts verhindern. Österreich, die Niederlande, Schweden und fünf weitere Länder richteten deshalb einen Brandbrief an den Finanzministerrat: Der »Abbau exzessiver Schulden« müsse ein gemeinsames Ziel bleiben, fordern sie in dem Schreiben, aus dem die Nachrichtenagentur AFP zitiert.
Neue Vorschläge dürften »die Eurozone und die Union insgesamt nicht gefährden«, argumentierten die Staaten. Der Brief ist auch von Dänemark, Tschechien, der Slowakei, Finnland und Lettland unterschrieben. Die Kritiker einer zu laxen Schuldenpolitik monieren, grüne Investitionen könnten andernfalls schwer zu definieren sein.
Eigentlich gilt für die Neuverschuldung eine Obergrenze von drei Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftskraft des Landes. Beim Schuldenberg liegt das Limit bei 60 Prozent. Die Unterschiede innerhalb der EU sind aber groß, zum Teil werden die Vorgaben seit Jahren deutlich überschritten.
Die Regeln des Schuldenmachens
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat sich indes gegen den Vorstoß Frankreichs positioniert – trotz der Sympathien für eine stärker schuldenfinanzierte Haushaltspolitik innerhalb seiner Partei. Die Stabilitätsregeln hätten in der Pandemie »ihren Praxistest bestanden«. »Jetzt geht es natürlich darum, diese guten Regeln zu bewahren.«
Der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen griff den Finanzminister daraufhin an: »Scholz ist ein Populist. Er weiß, dass die aktuellen Fiskalregeln ökonomisch schädlich und ein Papiertiger sind«, schrieb er auf Twitter . Er befürchte, dass die Spaltung der EU größer werden und nötige Klimainvestitionen ausfallen könnten, und forderte eine Reform.
Scholz ist ein Populist.
— Rasmus Andresen 🇪🇺🏳️🌈🇺🇦 (@RasmusAndresen) September 10, 2021
Er weiß, dass die aktuellen Fiskalregeln ökonomisch schädlich & ein Papiertiger sind.
Wenn Sie bleiben wie Sie sind, wird die Spaltung der EU größer werden & nötige Klimainvestitionen ausfallen.
Wir Grüne wollen Sie deshalb reformieren. #EconTwitter https://t.co/mIZwu0Mn66
Nach Angaben der EU-Kommission werden die 19 Euroländer dieses Jahr ein Haushaltsloch in Höhe von 8 Prozent ausweisen, nachdem es 2020 noch 7,2 Prozent waren. Die Gesamtverschuldung dürfte auf 102,4 Prozent klettern.