Milliardenschulden für Pandemiehilfen Verfassungsgericht erlaubt deutsche Teilnahme an EU-Coronafonds

Die EU-Kommission macht zum ersten Mal Milliardenschulden, um Mitgliedstaaten in der Coronapandemie zu helfen. Das Bundesverfassungsgericht hat Deutschlands Teilnahme an dem Programm nun abgesegnet.
Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts (Archivbild)

Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts (Archivbild)

Foto: Uli Deck / picture alliance/dpa

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Deutschlands Beteiligung am milliardenschweren Corona-Aufbaufonds der EU rechtens ist. Das teilte das Gericht in Karlsruhe mit.

Das Aufbauprogramm mit dem Namen »Next Generation EU« soll EU-Staaten helfen, sich nach der Pandemie konjunkturell zu erholen. Dafür macht die EU-Kommission erstmals im großen Stil Schulden. Es geht um ein Volumen von 750 Milliarden Euro. Einen Teil des Geldes bekommen die Länder als Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen, den Rest als Darlehen. Ende 2058 sollen die Schulden spätestens beglichen sein.

Die größten Summen gehen an besonders hart getroffene Länder wie Italien und Spanien. Das Geld soll zum Beispiel in Wasserstoffforschung, klimafreundliche Mobilität und ein stärker digital orientiertes Bildungssystem fließen. Auch der Kauf von Elektroautos, -bussen und -zügen soll gefördert werden.

Die Zuschüsse für Deutschland werden netto auf fast 26 Milliarden Euro beziffert. Auf der anderen Seite ist die Bundesrepublik laut Bundesrechnungshof mit voraussichtlich rund 65 Milliarden Euro auch der größte Nettozahler. Die Behörde sprach von einer »Zäsur für die europäische Finanzarchitektur« und warnte vor Risiken für den Bundeshaushalt.

Genau hier setzten auch die Kläger an: Sie befürchten, dass am Ende womöglich Deutschland die Rechnung allein begleichen muss, sollten Staaten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Es drohe über Jahrzehnte ein unkalkulierbarer Schuldensog, hieß es. Außerdem habe das Programm keine Grundlage in den europäischen Verträgen.

Die Kläger forderten, dass sich Deutschland aus dem Programm zurückzieht oder dass es ganz beendet wird. Die Klagen richten sich gegen das Gesetz, mit dem der Bundestag einer deutschen Beteiligung zugestimmt hat.

Aus fünf anhängigen Verfassungsbeschwerden hatte der Zweite Senat zwei zur Verhandlung im Juli dieses Jahres ausgewählt. Eine davon kommt von einem »Bündnis Bürgerwille« um den einstigen AfD-Gründer Bernd Lucke und wird von knapp 2300 Menschen unterstützt. Die zweite hat der Unternehmer Heinrich Weiss eingereicht. Wegen des Wiederaufbaufonds hatten auch mehrere CDU-Abgeordnete in Karlsruhe geklagt, dazu die AfD-Bundestagsfraktion.

Während der Gerichtsverhandlung gingen Experten nicht von übermäßig hohen Belastungen für Deutschland aus. Sie bezifferten die jährlichen Mehrausgaben auf drei bis vier Milliarden Euro. Das werfe den Bundeshaushalt nicht um, sagte ein Vertreter des Bundesrechnungshofs. Sorge bereitet den Fachleuten, dass das Programm womöglich kein Einzelfall bleibt und die EU-Fiskalregeln aufgeweicht werden könnten.

Die Bundesregierung verteidigte die gemeinsame Schuldenaufnahme für den Wiederaufbaufonds der EU. Ein entschlossenes gemeinsames Handeln der Mitgliedstaaten sei in der damaligen Situation – im Lockdown geprägten Frühjahr 2020 – notwendig gewesen.

Die Verfassungsrichterinnen und -richter hatten im April 2021 die deutsche Beteiligung im Eilverfahren ermöglicht. Denn ein Stopp hätte wirtschaftlich und politisch viel Schaden angerichtet. Allerdings warnten sie schon damals, dass womöglich ein Verfassungsverstoß vorliege. Das wurde nun im Hauptverfahren geprüft.

Az. 2 BvR 547/21

ssu/dpa
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