Studie Coronakrise verringert Ungleichheit bei den Einkommen

Fußgängerzone in München (März): Kluft zwischen hohen und niedrigen Einkommen etwas kleiner geworden
Foto: Frank Hoermann/SVEN SIMON / picture allianceDie Pandemie gilt als Verstärker sozialer Unwuchten – zuletzt hat etwa die Tatsache breitere Aufmerksamkeit gefunden, dass Menschen in ökonomisch schwachen Stadtteilen einer deutlich höheren Infektionsgefahr ausgesetzt sind. Doch statistisch ist zumindest eine Ungleichheit ein wenig kleiner geworden: Ausgerechnet in der Coronakrise hat sich die Kluft zwischen Menschen mit geringerem Einkommen und Gutverdienern in Deutschland etwas verringert. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Der Untersuchung zufolge verzeichneten vor allem Selbstständige, die meist zur oberen Hälfte der Einkommensgruppen zählen, Verluste durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.
»Schon in der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass sich die Einkommensungleichheit in Krisenzeiten reduziert, weil die oberen Einkommen stärker sinken als diejenigen der unteren Einkommensgruppen«, erläuterte Studienautor und DIW-Experte Markus Grabka. »In der Coronapandemie wirken sich die rückläufigen Einkommen von Selbstständigen besonders auf die Verteilung aus.«
Allerdings sei die sinkende Ungleichheit nur eine Momentaufnahme. »Zieht sich die Pandemie noch weit in das Jahr hinein und verschärfen sich die Eindämmungsmaßnahmen noch einmal, könnte dies mit steigenden Insolvenzzahlen und zunehmender Arbeitslosigkeit einhergehen und auch die Einkommenssituation in der Breite treffen«, warnte Grabka.
Der Studie zufolge verringerten sich die monatlichen Haushaltsnettoeinkommen der Selbstständigen im zweiten Lockdown um durchschnittlich 16 Prozent oder 460 Euro gegenüber dem Jahr 2019. Umsätze und Gewinne sind in einigen Wirtschaftsbereichen insbesondere im Dienstleistungssektor wegen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie teils deutlich gesunken.
Die Einkommen der Angestellten- und Beamtenhaushalte stiegen dagegen nominal um fünf Prozent. In den anderen Haushaltstypen blieben sie im Durchschnitt unverändert. Ausgewertet wurden Daten einer Sondererhebung des Sozio-oekonomischen Panels von Januar und Februar des laufenden Jahres.
Dass Corona die Ungleichheit bei den Einkommen statistisch nicht erhöht hat, hatte bereits eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im vergangenen Dezember nahegelegt – die allerdings lediglich Daten bis August 2020 auswertete, also die Wirkungen des ersten Shutdowns abbildete. Die IW-Forscher führten das auch auf staatliche Maßnahmen zurück, mit denen die mitunter hohen Verluste bei den Einkommen teilweise kompensiert wurden.
Angesichts der aktuellen Studie fordert DIW-Forscher Grabka eine möglichst zielgenaue finanzielle Unterstützung von Selbstständigen und mittelständischen Unternehmen, um Insolvenzen und Geschäftsaufgaben zu verhindern: »So sollte die Bundesregierung darüber nachdenken, den von der Pandemie betroffenen Selbstständigen eine partielle Deckung der Lebenshaltungskosten zu gewähren.« Bislang werden vorwiegend fixe Betriebskosten abgedeckt. Zudem sollte die Politik prüfen, ob es notwendig sei, Unternehmen mit erheblichen Gewinnen und Dividendenzahlungen mittels Kurzarbeitergeld auch künftig zulasten der öffentlichen Hand zu helfen, sagte Grabka.
Grundsätzlich stagniert dem DIW zufolge die Einkommensungleichheit seit rund 15 Jahren. Zwar verringerte sich die Ungleichheit der Löhne seit Einführung des Mindestlohns 2015. Dies spiegele sich jedoch nicht bei den Haushaltseinkommen wider, zu denen beispielsweise auch Kapitalerträge zählen. Unter anderem der Börsenboom hatte nach jüngsten Daten der Bundesbank das Geldvermögen der Menschen in Deutschland in der Summe Ende 2020 auf ein Rekordhoch getrieben.