Streit über Corona-Impfstoff
Biontech weist Berichte über überzogene Preisforderungen zurück
Rund 54 Euro soll Biontech pro Dosis für seinen Impfstoff von der EU verlangt haben. Nun weist Gründer Uğur Şahin diese Berichte zurück: Die Forderung sei deutlich niedriger ausgefallen.
Die Hersteller Biontech und Pfizer haben ihren Impfstoff nach Angaben des Biontech-Gründers Uğur Şahin im Sommer 2020 allen Industriestaaten zu einem Preis zwischen 15 und 30 Euro angeboten. Das Preismodell habe man im Juli für alle Industrieländer mit entsprechend großen Bestellmengen errechnet, sagte Şahin der »Bild«-Zeitung.
NDR, WDR und »SZ« hatten am Donnerstag von einer streng vertraulichen Preisforderung über 54,08 Euro an die EU berichtet. Dem widersprach Şahin nun: »Am 22. Juli haben wir den USA-Vertrag auf Basis der neuen Parameter unterschrieben, aus dem die 19,50 Dollar ersichtlich waren«, so Şahin. »Dieses Preismodell haben dann alle Industriestaaten erhalten.«
»Allen war klar, dass das nicht das echte Angebot war, sondern eine Wasserstandsmeldung.«
Die frühe Kalkulation von 54,08 Euro soll nie als konkreter Preis für spätere Großlieferungen gedacht gewesen sein, wie die "Bild"-Zeitung berichtet. Demzufolge hieß es nun aus Kreisen der Bundesregierung: »Allen war klar, dass das nicht das echte Angebot war, sondern eine Wasserstandsmeldung.«
Die EU-Kommission hatte sich im Herbst in einem Rahmenvertrag zunächst 300 Millionen Dosen des Impfstoffs des Mainzer Herstellers Biontech und des US-Konzerns Pfizer gesichert. Der Preis blieb unter Verschluss. Die nach einem neuartigen Verfahren entwickelten mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sind deutlich teurer als herkömmliche Mittel wie etwa der Impfstoff von AstraZeneca.
Şahin zufolge war bis zum Sommer unklar, wie die Rahmenbedingungen der Produktion des Impfstoffs aussehen würden. »Wir hatten in den Jahren 2019 und 2020 zunächst nur selbst in kleinen Mengen Dosen für unsere klinischen Studien hergestellt«, sagte er der »Bild«-Zeitung. Für die ersten 2000 Dosen habe man Kosten von 1,5 Millionen Euro gehabt.
»Die Infrastruktur für die Massenproduktion gab es nicht. Wir wussten zum damaligen Zeitpunkt schlicht noch nicht, wie sich die Produktion genau skalieren lässt, was genau die Studien bezüglich der mRNA-Dosierung ergeben und wie die Produktionsabläufe und Kosten genau sein werden.« Im Sommer habe man dann innerhalb von drei Wochen gemeinsam mit der US-Firma Pfizer das Preismodell erarbeiten können.
Şahin hatte Anfang des Jahres in einem Interview mit dem SPIEGEL die Verhandlungen mit der EU kritisiert: »Der Prozess in Europa lief sicherlich nicht so schnell und geradlinig ab wie mit anderen Ländern«, sagte der Firmenchef. »Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm, und wir haben das unter Kontrolle. Mich hat das gewundert.«
Auch die Frage der nicht ausreichenden Produktionsstätten wird heftig diskutiert. Um die Entwicklung und Produktion von Impfstoffen voranzutreiben, schlug bereits im Mai vergangenen Jahres eine Gruppe von Ökonomen um den Nobelpreisträger Michael Kremer vor, dass die US-Regierung sich verpflichten sollte, die ersten 300 Millionen Dosen an Impfstoffen zum Preis von je 100 Dollar zu kaufen. Die hohe Summe sollte den Unternehmen die nötigen finanziellen Anreize geben, die Entwicklung und Produktion von Impfstoffen möglichst schnell voranzutreiben.
Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, sagte der »FAZ« im Januar, dass die EU-Beschaffungsstrategie »krachend gescheitert« sei, weil der Lieferplan zu unverbindlich sei und marktbasierte Anreize fehlten. »Schnelles Hochfahren der Produktion kostet Unternehmen viel Geld, dafür müssten sie entschädigt werden, am besten durch gestaffelte Prämien, die man nach und nach senkt«, sagte er.