Steuertricks Aufsicht kannte umstrittene Cum-Ex-Geschäfte schon 1992

Seit einem Vierteljahrhundert wissen Behörden, dass Banken und Investoren mit geschickten Aktiengeschäften den Fiskus schröpfen. Das zeigt nach SPIEGEL-Informationen ein jetzt entdecktes Papier.
Fernsehkamera wartet während Zeugenbefragungen des Bundestags-Untersuchungsausschusses

Fernsehkamera wartet während Zeugenbefragungen des Bundestags-Untersuchungsausschusses

Foto: Sebastian Gollnow/ dpa

Die heftig umstrittenen sogenannten Cum-Ex-Geschäfte, die den deutschen Fiskus mehr als zehn Milliarden Euro gekostet haben sollen, gab es schon weit länger als bislang angenommen. Nach SPIEGEL-Informationen geht dies aus einem Bericht der Landeszentralbank in Hessen aus dem September 1992 hervor. Die Landeszentralbanken waren damals Hauptverwaltungen der Bundesbank - und somit Teil der Aufsicht. (Diese Meldung stammt aus dem SPIEGEL. Den neuen SPIEGEL finden Sie hier.)

Dieser Bericht befasst sich mit verschiedenen Spielarten von Aktiengeschäften, die steuerliche Vorteile bezwecken und rund um den Tag stattfinden, an dem Konzerne ihre Dividende an Aktionäre ausschütten. In dem Bericht heißt es, "die bewusste Produktion von Steuerbescheinigungen" ziele darauf ab, "Erstattungsansprüche für Steuern zu erlangen, die überhaupt nicht gezahlt wurden". Im Folgenden wird jene Praxis beschrieben, die heute als Cum-Ex-Geschäft bekannt ist und Steuerbescheinigungen "aus dem Nichts produziert", wie es in dem Bericht heißt.

Mittlerweile ermitteln Staatsanwälte bundesweit wegen solcher Geschäfte gegen Banken und Investoren. Auch Anwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater haben die groß angelegten Tricksereien mit ihren Expertisen unterstützt. (Einen ausführlichen Text dazu lesen Sie hier bei SPIEGEL PLUS.) Ob und unter welchen Voraussetzungen die Deals illegal waren, ist bis heute nicht höchstrichterlich entschieden.

Sitzung des Untersuchungsausschusses zu dubiosen Aktiendeals

Sitzung des Untersuchungsausschusses zu dubiosen Aktiendeals

Foto: Rainer Jensen/ picture alliance / dpa

Man baute auf die Moral der Banker

Auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestags befasst sich mit der Causa. Dort ging man bisher davon aus, dass Cum-Ex-Geschäfte etwa seit Beginn des Jahrtausends getätigt wurden. 2002 hatte der Bankenverband in einem Schreiben an das Finanzministerium auf das Problem hingewiesen. Weitere zehn Jahre vergingen, bis die Gesetzgebung so geändert wurde, dass eine Mehrfacherstattung von Kapitalertragsteuer auf Dividenden nicht mehr möglich war.

Der Bericht von 1992 lässt erahnen, warum so lange nichts geschah: Man baute auf die Moral der Banker. "Freilich stößt auch eine verstärkte staatliche Aufsicht in der Praxis an Grenzen", so damals die Begründung. "Dahinter beginnt der Bereich der persönlichen Verantwortung der Marktteilnehmer. Im Börsenbereich ... gehört zu dieser Verantwortung auch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber Geschäften, deren Seriosität nicht zweifelsfrei geklärt ist." Mit der Zurückhaltung war es dann nicht so weit her.

mhs,ase
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