Ex-Gesundheitsminister Was Bahr für die privaten Krankenversicherer getan hat

Ex-Gesundheitsminister Bahr (Archivbild): Ein Segen für die PKV
Foto: Ole Spata/ dpaHamburg - Er sagt, er könne an seinem Seitenwechsel nichts Verwerfliches finden: Ab dem 1. November wird Daniel Bahr Generalbevollmächtigter bei der Krankenversicherungstocher der Allianz. Der Ex-Gesundheitsminister übernimmt dort das Leistungsmanagement und die Vertriebskoordination und soll "nach einer Einarbeitungszeit" auch in den Vorstand der Allianz Private Krankenversicherung einziehen.
Damit sei er aber nicht als Lobbyist für die Privaten unterwegs, er sei rein für das operative Geschäft zuständig, sagte der 37-Jährige der "Süddeutschen Zeitung" : "Es wäre ja eher verwunderlich gewesen, wenn ich jetzt für die Automobilindustrie arbeiten würde." Einen Interessenkonflikt könne er nicht erkennen, sagte Bahr. "Meine Ausbildung und mein Engagement für das Gesundheitswesen führen für mich logisch dazu, dass ich in diesem Bereich auch weiter tätig bin."

Seitenwechsel: Gestern Regierungsbank, heute Chefetage
Harsche Kritik kommt etwa von der Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol, die den Wechsel Bahrs wegen der Gefahr der Beeinflussung anprangert und die Bundesregierung auffordert, endlich deutliche Karenzzeiten für den Wechsel in die Wirtschaft einzuführen. Bahr war während seiner Amtszeit an etlichen politischen Entscheidungen beteiligt, die sich günstig für private Krankenversicherer auswirkten - zu Zeiten, in denen nicht nur Sozialdemokraten die Abschaffung der privaten Kassen forderten. Bahr galt den privaten Krankenversicherern als Garant für den Bestand ihres Geschäftsmodells. Mehrfach hat er sich für den Erhalt der PKV stark gemacht, er wollte sie für alle öffnen.
Drei Entscheidungen aus Bahrs Amtszeit fallen besonders auf:
- Schneller in die PKV: Auf Betreiben der FDP wurde 2011 die Versicherungspflichtgrenze angepasst. Sie bestimmt, ab welcher Höhe des jährlichen Brutto-Arbeitsentgelts ein Arbeitnehmer in Deutschland nicht mehr in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sein muss. Der Versicherte kann dann entscheiden, ob er in eine private Krankenversicherung wechselt. Die Marktabgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung ist seit Jahrzehnten Gegenstand gesundheitspolitischer Kontroversen. Während Bahrs Amtszeit wurde die Grenze im Sinne der PKV gesenkt: Nicht mehr drei Jahre lang muss ein Arbeitnehmer mehr als 53.550 Euro (Stand 2014) verdienen, bereits nach einem Jahr kann er sich für die private Versicherung entscheiden. Damit vergrößert sich der Kreis möglicher PKV-Versicherter deutlich.
- Pillen-Spargesetz auch für die PKV: Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (Amnog), seit 2011 in Kraft, soll die Kosten für neue Medikamente in Deutschland senken. Für viele Experten überraschend war eine Regelung im Gesetz, wonach auch privat versicherte von den Preisnachlässen profitieren, die der Spitzenverband der gesetzlichen Versicherungen mit der Pharmaindustrie aushandelt. Das sei sachgerecht, argumentierte der Verband der Privatversicherer. Es gebe doch keinen Grund, warum der Preis eines Medikaments vom Versichertenstatus abhängen sollte.
- Mehr Kunden für die PKV: Der "Pflege-Bahr" ist nach seinem Erfinder benannt. Alle Bürger bekommen seit 2013 einen Zuschuss von fünf Euro, wenn sie zusätzlich zur gesetzlichen Versicherung privat für den Pflegefall vorsorgen. Der Bonus wird unabhängig vom Einkommen für gesetzlich und privat Versicherte gewährt. Wer den "Pflege-Bahr" haben möchte, muss selbst mindestens zehn Euro monatlich in die Versicherung einzahlen. Die Opposition kritisierte das Modell damals scharf. "Jetzt nutzen diese fünf Euro doch in Wahrheit nicht der Vorsorge, sondern vor allem der Versicherungswirtschaft", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach von einer Verschwendung von Steuermitteln: "Da wird eine Nullrendite mit hohen Verwaltungskosten bezuschusst."