Nobelpreisträger Shiller über Trump "Gebt ihm seine Mauer"

Topökonom Robert Shiller sagt: Die nächste Wirtschaftskrise wird auch herbeigeredet. Hier verrät er, was Donald Trump richtig macht - und warum ihm die Demokraten im Mauerstreit ruhig nachgeben können.
Donald Trump

Donald Trump

Foto: Alex Brandon/ AP
Zur Person
Foto: © Michelle McLoughlin / Reuters/ REUTERS

Robert Shiller ist Träger des Wirtschaftsnobelpreises 2013 und Entwickler eines einflussreichen Immobilienpreis-Index. Der US-Ökonom zweifelt an der puren Rationalität von Anlegern und setzt sich für eine Reform des Finanzsystems ein.

SPIEGEL ONLINE: Herr Shiller, Sie beschäftigen sich mit dem Einfluss von Narrativen, also sinnstiftenden Erzählungen, auf die Wirtschaft. Hier in Davos wird in diesem Jahr viel über den nächsten möglichen Abschwung gesprochen. Reden wir uns in die Krise?

Robert Shiller: Ja, diesen Eindruck bekommt so mancher, ich auch. Schon gegen Ende letzten Jahres schienen die Leute plötzlich in pessimistischeren Tönen zu reden, bevor sich die Lage wieder etwas beruhigte. Ich neige dazu, das wie eine Epidemie zu sehen: Negative Gedanken sind ansteckend. Die Ursachen sehe ich aber als Rätsel - so wie sich auch die unterschiedliche Stärke von Grippewellen schwer erklären lässt.

SPIEGEL ONLINE: So gesehen wäre Davos also ein Brutkasten für Viren?

Shiller: (lacht) Ja, ich hoffe, Sie fangen sich nichts ein.

SPIEGEL ONLINE: Es gibt aber auch reale Risiken. Derzeit ist etwa ein großes Thema, wie das Wachstum in China nachlässt, europäische und US-Unternehmen verzeichnen dort sinkende Umsätze. Ist das nicht gefährlich?

Shiller: Doch. Aber ich glaube, dass Narrative dort eine ähnliche Rolle spielen. Auch unsere Reaktion im Westen hängt von den Geschichten ab, die wir aus China hören.

SPIEGEL ONLINE: Ein großes Thema hier sind auch die Industrie 4.0 und der dadurch befürchtete Arbeitsplatzverlust.

Shiller: Das erinnert mich an die späten Zwanzigerjahre. Damals begann das Narrativ von der technologisch bedingten Arbeitslosigkeit. Als sie dann aus möglicherweise anderen Gründen tatsächlich stieg, machten die Menschen die Technologie dafür verantwortlich, was zu sinkendem Konsum führte. Ich denke, das ist auch heute ein mögliches Risiko: Dass steigende Arbeitslosigkeit automatisch mit Maschinen erklärt wird, die Menschen ersetzen.

SPIEGEL ONLINE: Bestimmte Jobs werden ja tatsächlich schon heute durch Maschinen ersetzt. Ist das nicht mehr als ein Narrativ?

Shiller: Doch. Aber Anfang der Dreißigerjahre wurde auch viel über Roboter gesprochen, die Jobs übernehmen. Schon damals glaubte man, die Entwicklung sei völlig außer Kontrolle geraten und die Automatisierung erreiche nun ihren Höhepunkt. Wir haben diese Diskussion also seit rund 100 Jahren.

SPIEGEL ONLINE: Eine weitere reale Gefahr ist der Handelskrieg zwischen den USA und China. Denken Sie, Donald Trump könnte dabei einlenken?

Shiller: Er könnte zumindest einfach das Thema wechseln. Trump würde nie einräumen, dass er seine Meinung ändert, aber er tut es dann trotzdem.

SPIEGEL ONLINE: Trump droht aber auch den Europäern, besonders deutschen Autoherstellern. Sie halten es für möglich, dass er das alles fallenlässt?

Shiller: Oder er wird seines Amtes enthoben.

SPIEGEL ONLINE: Halten Sie das für wahrscheinlich?

Shiller: Es ist heikel, weil die Polarisierung in den USA so hoch ist. Als Führer der Demokraten hätte ich vielleicht sogar Trumps Kompromissangebot angenommen, wonach er Geld für die Grenzmauer zu Mexiko bekommt und dafür Migranten für drei Jahre vor Abschiebung geschützt sind. Gebt ihm seine Mauer! Wir sollten es ihn versuchen lassen. Ich denke, die Mauer wird nichts an der illegalen Einwanderung ändern - und es werden allerlei für ihn beleidigende Graffiti darauf stehen.

SPIEGEL ONLINE: Außenminister Mike Pompeo hat in Davos darauf hingewiesen, dass die Wirtschaft in den USA deutlich stärker wächst als in anderen Industrieländern. Irgendetwas scheint Trump also richtig zu machen.

Shiller: Es erscheint mir plausibel, dass er tatsächlich für Wachstum verantwortlich ist - aber nicht unbedingt aus guten Gründen. Trump hat die Unternehmensteuern gesenkt. Das treibt die Aktienmärkte an und könnte die Nachfrage befördern. Und er lebt einen pompösen Lebensstil vor: Er sagt in seinen Büchern, man solle angeben, das sei der Weg zum Erfolg. Vielleicht geben die Leute mehr aus, um Trump zu imitieren.

Foto: DANIEL LEAL-OLIVAS/ AFP

SPIEGEL ONLINE: Ein Thema, das Europa gerade umtreibt, ist der Brexit. Bisher haben die Finanzmärkte nur in bestimmten Bereichen reagiert: Der Wechselkurs des Pfunds ist gefallen, ebenso wie die Immobilienpreise in London. Sind diese Reaktionen rational?

Shiller: Ich sage normalerweise immer schnell, dass etwas irrational ist. Aber wer eine Wohnung in London besitzt, kann künftig vielleicht gar nicht mehr dort arbeiten. Es ist also rational, dass die Immobilienpreise sinken.

SPIEGEL ONLINE: Und die bislang moderate Reaktion der Aktienmärkte, ist die auch rational?

Shiller: Ich glaube, der Aktienmarkt in einem Land ist nie rational. Und der britische Aktienmarkt ist schon lange günstig, auch schon vor dem Brexit. Ich könnte vielleicht investieren (lacht).

SPIEGEL ONLINE: Was passiert, wenn es kein Abkommen gibt und es zu einem harten, ungeregelten Brexit kommt?

Shiller: Das macht es schwer für die Unternehmen, ihre Geschäfte zu betreiben. Es klingt also schlecht. Auch im Sinne des Narrativs: Es wird dann Geschichten geben über Leute, die keine europäischen Geschäfte mehr machen können wie gewohnt - und das könnte verstärkt werden.

SPIEGEL ONLINE: Wäre es auch schlecht für das europäische Narrativ, für die EU als Ganzes?

Shiller: Ja, manche Leute sprechen ja vom europäischen Traum oder vom europäischen Projekt. Das sind motivierende Faktoren. In meinem Buch beschäftige ich mich mit dem amerikanischen Traum, bei dem es um gegenseitigen Respekt geht und darum, dass jeder die gleichen Chancen auf Erfolg hat. Der Brexit scheint mir dazu nicht zu passen.

Angela Merkel

Angela Merkel

Foto: FABRICE COFFRINI/ AFP

SPIEGEL ONLINE: Sie haben uns vor einigen Jahren mal im Interview erzählt, dass Angela Merkel in den USA viel Respekt bekomme, weil sie als mitfühlend gilt. Nun nähert sich ihre Kanzlerschaft dem Ende, der Auftritt dieses Jahr in Davos könnte vielleicht schon ihr letzter gewesen sein. Denken Sie, die Amerikaner werden Merkel vermissen?

Shiller: Einige schon, aber nicht alle.

SPIEGEL ONLINE: Wer wird sie denn vermissen?

Shiller: Ich kann das nicht genau sagen. Aber es gibt diese einfache Erzählung, dass sie Millionen muslimischer Einwanderer nach Deutschland gelassen habe. Trump-Anhänger sehen sie deshalb negativ - und es gibt nach wie vor viele unbeirrbare Trump-Anhänger. Also könnte es mit Merkel so wie mit Barack Obama sein: Es gibt eine sehr stark gespaltene Meinung über beide.

SPIEGEL ONLINE: Werden Sie persönlich Merkel vermissen?

Shiller: Ja, ich denke schon. Sie stand für eine aufgeklärte Person in einem neuen Deutschland.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es eine andere Person, die ihre Führungsrolle auf der Weltbühne künftig einnehmen könnte? Vielleicht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron?

Shiller: Ja, aber bei Macron sieht es so aus, als würde er gerade abrutschen. Und der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn ist auch nicht so ansprechend. Ich weiß es nicht.

SPIEGEL ONLINE: Aber wäre das nicht ein Problem für Europa, wenn es keine Führungspersönlichkeit gibt?

Shiller: Ja, das stimmt. Wer wird Merkels Nachfolger in Deutschland?

SPIEGEL ONLINE: Als Parteichefin hat kürzlich Annegret Kramp-Karrenbauer Merkels Posten übernommen. Sie ist auch hier in Davos.

Shiller: Ah, ja, wieder eine Frau, ich erinnere mich. Ich habe versucht, ihren Namen zu lernen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten