Debatte über Ende der Währungsunion Euro weg, EU kaputt

Grenzkontrolle zwischen Deutschland und Frankreich: Deutschland allein zu Haus
Foto: Werner_Baum/ picture-alliance / dpaDer Ruf der Deutschen hat in der Euro-Krise schwer gelitten. Das Zaudern der Bundesregierung bei der Rettung Griechenlands und die latente Überheblichkeit gegenüber Staaten, die gegen ihren Kollaps ankämpfen, kamen genauso schlecht an wie die nicht gerade optimal kommunizierte "Ja klar, ach ne, lieber doch nicht"-Kandidatur von Noch-Bundesbankchef Axel Weber um die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank.
Dennoch wird in Deutschland immer wieder über ein Ende der Währungsunion debattiert - gerade in den Boulevardmedien. Dabei sollte sich niemand etwas vormachen: Bricht die Eurozone auseinander, steht die Bundesrepublik als alleiniger Verantwortlicher am Pranger. Nicht nur am europäischen, sondern am weltweiten. Mit ein paar Händeschütteln-und-Nett-Lächeln-Visiten von Kanzlerin und Außenminister ist es dann nicht mehr getan.
Stellen wir uns den Prozess einmal vor:
Deutschland wäre politisch und wirtschaftlich isoliert. Schlimmer noch: Eine Renationalisierung der Währung würde auch zu einer Renationalisierung der Politik führen. Wenn die Nationalstaaten erst gegen die Folgen einer verheerenden Wirtschaftskrise kämpfen, stellen sie eigene Interessen mit großer Wahrscheinlichkeit konsequent über europäische.
Dann kommt es zu einem Wettlauf beim Vertragsbruch der EU-Gesetze genauso wie bei der Abwertung der Währungen und protektionistischen Maßnahmen. Als bislang größter wirtschaftlicher Profiteur der EU kann die Bundesrepublik bei dieser Entwicklung nur eins: verlieren.
Denkbar ist, dass antideutsche Ressentiments selbst in Ländern wie Frankreich hochkommen und dort Importzölle auf deutsche Autos und Maschinen erhoben werden. Auch die Bundesregierung selbst kann sich gezwungen sehen, Schutzzölle zu beschließen, um die deutsche Wirtschaft halbwegs am Leben zu erhalten. Wenn schon niemand im Ausland mehr Daimler und VW kauft, dann wenigstens die Deutschen selbst.
Der neu entflammende Nationalismus kann sogar in Regionalismus ausarten - so dass Fragen aufgeworfen werden, die sich heute nicht ernsthaft stellen: Halten Flamen und Wallonen zusammen? Wie lange füttert der Norden Italiens den Mezzogiorno noch durch?
Willkommen zurück im 19. Jahrhundert!
Die EU zerfällt mittelfristig oder ist bestenfalls um Jahrzehnte in der Integration zurückgeworfen. Für Europa ist das ein Desaster. Mit Beileidsbekundungen vom Rest der Welt darf allerdings niemand rechnen.
Europa schrumpft dramatisch
Den USA, Asien und Afrika ist unser Schicksal ziemlich egal. Selbst wenn die Europäer gemeinsam auftreten, haben sie bereits Probleme genug, ihren globalen Einfluss zu wahren - ob in der Uno, dem Internationalen Währungsfonds oder der G20, also der Gruppe der wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt.
Europa ist der einzige Kontinent, dessen Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten schrumpft. Selbst wenn man den russischen Teil dazurechnet, geht der Anteil an der Weltbevölkerung von heute zwölf auf sieben Prozent im Jahr 2050 zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg - als die heute noch immer gültige Weltordnung in Institutionen gegossen wurde - stellten die Europäer noch 22 Prozent aller Erdenbewohner.
Deutschland wird 2050 gerade noch 0,7 Prozent der globalen Bevölkerung stellen. Und mit etwas Glück die achtgrößte Wirtschaftsmacht der Welt sein. Mit Tendenz nach unten. Es reicht dann nur noch mit Ach und Krach zu einer Mitgliedschaft bei den G8.
Im 21. Jahrhundert geben Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien und Russland den Ton an. Und weiterhin die schon so oft totgesagten USA. Sie sind das einzige Land in der heute industrialisierten Welt, in dem die Bevölkerung auch künftig wächst. 2050 werden zwischen Ost- und Westküste 440 Millionen Menschen leben, über ein Drittel mehr als derzeit.
Deutschland hat den Stabilitätspakt zuerst gebrochen
Zerfällt Europa dagegen in egoistisch agierende Nationalstaaten, ist der internationale Bedeutungsverlust der einzelnen Länder beschlossene Sache. Kein amerikanischer, chinesischer oder brasilianischer Präsident interessiert sich dann noch ernsthaft für die Position einer deutschen Kanzlerin. Auch Franzosen und Briten verlieren weiter an Einfluss.
Anders ausgedrückt: Ob China, Indien und die USA ohne die EU die wichtigen Entscheidungen des 21. Jahrhunderts treffen können, ist zumindest fraglich. Ohne Deutschland, Portugal und Luxemburg können sie es allemal.
All diese politischen Konsequenzen und die wirtschaftlichen Kosten eines Auseinanderbrechens der Währungsunion muss Deutschland bedenken - und sie den Aufwendungen für eine Rettung des Euro gegenüberstellen.
Das bedeutet nicht, dass die Bundesrepublik alle Länder, koste es was es wolle, vor dem finanziellen Ruin retten sollte. Es heißt aber: Selbst wenn uns die Euro-Rettung einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten sollte, ist ein reflexartiger Volkszorn eher fehl am Platz. Die Alternative ist noch teurer.
Und einen Aspekt sollte man in der Debatte auch nicht vergessen: Deutschland hat als erstes Land den Stabilitätspakt gebrochen. Wer sich nicht an das hält, was er selbst anderen gepredigt hat, der sollte nicht allzu hochmütig auftreten.