Studie Mindestlohn in Deutschland nicht existenzsichernd

In den EU-Staaten mit einer gesetzlichen Lohnuntergrenze sind die Mindestlöhne kräftig gestiegen. Das Niveau in Deutschland liegt dabei einer Studie zufolge aber weiterhin spürbar unter dem westlicher Länder.
Kellnerin (Archiv)

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Foto: Caroline Seidel/ picture alliance/dpa

Deutschland liegt mit seinem Mindestlohn weiter deutlich unter dem Niveau anderer westeuropäischer Eurostaaten. Während hierzulande der gesetzliche Mindestlohn bei 9,19 Euro pro Stunde liegt, würden die EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens mindestens einen Betrag von 9,66 Euro gewährleisten. Das geht aus einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hervor.

Laut dem internationalen Mindestlohnreport 2019 der gewerkschaftsnahen Stiftung seien es in Frankreich inzwischen mehr als zehn Euro und in Luxemburg würden sogar 11,97 Euro gezahlt.

Insgesamt seien die gesetzlichen Mindestlöhne in jenen 22 EU-Staaten, die über dieses Instrumentarium verfügten, im Schnitt zuletzt "kräftig angehoben worden". Die durchschnittliche Steigerung belaufe sich dabei auf nominal 4,8 Prozent, nach Abzug der Inflation verblieben 2,7 Prozent.

In Großbritannien liegt der Mindestlohn demnach mit umgerechnet 8,85 Euro aktuell etwas niedriger als in Deutschland, wird aber zum April auf 9,28 Euro angehoben. Die Experten der Stiftung wiesen zudem darauf hin, dass er ohne die jüngste Abwertung des britischen Pfunds deutlich höher wäre.

Gemessen an der Kaufkraft stehen Mindestlohnempfänger in Deutschland der Untersuchung zufolge wegen des niedrigeren Preisniveaus zwar etwas besser da - unterm Strich haben Mindestlohnempfänger in Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden immer noch mehr Geld in der Tasche. Mit denen in Belgien liegen sie etwa gleichauf.

Experten fordern europaweite Koordinierung

Gemessen am allgemeinen Lohnniveau in Deutschland war der Mindestlohn den Forschern zufolge "moderat". Im Jahr 2017 entsprach er demnach knapp 48 Prozent des sogenannten Medianlohns. Zwölf EU-Staaten kamen auf höhere Werte, darunter Portugal, Polen und Großbritannien. Das Jahr 2017 wurde laut Stiftung für diese Betrachtung gewählt, weil es seitdem keine neueren internationalen Vergleichsdaten dazu mehr gab.

Dem WSI zufolge gelten Mindestlöhne generell ab einem Niveau von 60 Prozent des nationalen Medianlohns als "einigermaßen existenzsichernd". In der Bundesrepublik müssten diese dafür auf fast zwölf Euro ansteigen.

Die Düsseldorfer Experten regten eine europaweite Koordinierung der Mindestlohngestaltung mit dem Ziel eines "angemessenen, existenzsichernden Niveaus" an. Dies könne nationale Initiativen unterstützen und für ein "sozialeres Europa" sorgen. Auf die Gefahr, dass höhere Mindestlöhne den Verlust von Arbeitsplätzen nach sich ziehen, gehen die Studienautoren nicht ein.

brt/AFP
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