Unternehmensberater Staat zahlt jährlich drei Milliarden Euro für Berater

Uwe Anspach/DPA
Überall in den Berliner Ministerien bietet sich derzeit ein ähnliches Bild: Männer in teuren Anzügen und Frauen in teuren Kostümen huschen bis spät in die Nacht über die Linoleumgänge, die Laptops voller Powerpoint-Präsentationen mit Empfehlungen für Beamte und mit Ideen für Minister. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte bei SPIEGEL+ .)
Im Innenministerium planen sie, wie Deutschland online geht, im Verkehrsministerium, wie Straßenmaut kassiert wird, im Bundesamt für Migration, wie Asylbewerber verwaltet werden.
Insgesamt gibt der Staat inzwischen jährlich rund drei Milliarden Euro für Unternehmensberater aus, schätzt Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung und -entwicklung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Allein in den vergangenen sieben bis acht Jahren habe sich das Gesamtvolumen ungefähr verdoppelt, berichtet der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe. Die Zahl deckt sich mit den internen Schätzungen der großen Beraterfirmen.
Berater vor allem in IT-Projekten
Wie viel Geld allein die Bundesregierung für McKinsey, Roland Berger & Co. ausgibt, ist unbekannt. Ein verlässlicher offizieller Überblick fehlt. Nach Recherchen des SPIEGEL lässt sich die Bundesregierung umfassend von Beratungsfirmen unterstützen und gibt dafür immense Summen aus, insbesondere bei ihren Digitalisierungsprojekten.
Alleine 47 Millionen Euro wurden an Consultingfirmen gezahlt, um der Regierung dabei zu helfen, bis 2022 ein Onlinebürgerportal mit 575 Verwaltungsleistungen aufzubauen. Knapp 20 Millionen Euro erhält die McKinsey-Tochter Orphoz für Beratungsleistungen rund um das sogenannte Onlinezugangsgesetz. Und für die Modernisierung der Bundesnetze flossen in den Jahren 2016 und 2017 laut Bundesinnenministerium bereits mehr als 36 Millionen Euro an Beratungsfirmen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sieht den Einsatz von Beratern insgesamt kritisch, verteidigt aber ihren Einsatz in Sachen Digitalisierung. Gerade in IT-Projekten sei der Einsatz von Externen oft sinnvoll, da es sich um zeitlich befristete Aufgaben in spezialisierten Bereichen handele, sagt Seehofer dem SPIEGEL.
"Das System ist pervertiert", sagt ein früherer Berater
Experten könnten die Arbeit von Beamten und der Verwaltung jedoch immer nur ergänzen. "Im BMI werden derzeit viele neue Stellen geschaffen, etwa im Bereich Digitales. Das geschieht auch, damit wir die vor uns liegenden Aufgaben möglichst aus eigener Kraft bewältigen können."
Äußerst kritisch bewerten selbst führende ehemalige Berater die zunehmende Abhängigkeit des Staates: "Die Verwaltung wurde kaputtgespart, die ministerielle Seele ist weg", sagt Markus Klimmer, er hat in Deutschland für McKinsey einst das Geschäft mit der öffentlichen Hand ("Public Sector") maßgeblich aufgebaut. Der Politik bleibe kaum noch eine andere Wahl, als sich auf Berater zu verlassen. "Das System ist pervertiert", so Klimmer. "Das Public-Sector-Geschäft ist so groß geworden, dass es die Hasardeure anzieht."