Vorstoß aus der Union Warum eine Dienstpflicht der Wirtschaft eher schaden als nützen würde

Die CDU diskutiert über eine allgemeine Dienstpflicht in der Bundeswehr oder im sozialen Bereich. Rein volkswirtschaftlich wäre das nach Ansicht von Ökonomen alles andere als ein Gewinn.
Von Felix Sommerfeld
Bundeswehr-Soldaten

Bundeswehr-Soldaten

Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpa

Sieben Jahre ist es her, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wurde. Doch plötzlich ist sie wieder ein Thema, vor allem in der CDU. Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Debatte angestoßen, in der inzwischen verschiedene Varianten eines verpflichtenden Diensts diskutiert werden.

Doch ob Dienstpflicht, Wehrpflicht oder Gesellschaftsjahr - wie man das Vorhaben auch nennt, im Kern ist die Idee die gleiche: Junge Menschen sollen verpflichtet werden, nach der Schule für einen Zeitraum von einigen Monaten bis hin zu einem Jahr bei der Bundeswehr oder in sozialen Bereichen tätig zu sein.

Abgesehen davon, ob diese Idee allgemein sinnvoll ist und wie sie verfassungsrechtlich umgesetzt werden könnte - rein volkswirtschaftlich wäre ein solches Pflichtjahr für junge Menschen nach Einschätzung von Ökonomen kein Gewinn. Das wird in drei Bereichen deutlich:

1. Wirtschaftswachstum

Auf kurze Sicht mag eine Wehrpflichtarmee für den Staat zwar günstiger sein als eine Berufsarmee - und Zivildienstleistende zu geringeren Kosten dürften die Personalsituation in Pflegeheimen und Krankenhäusern entspannen, mehr zumindest, als das mit regulären Arbeitskräften möglich wäre. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die eingesparten Arbeitskräfte anderweitig größere Wirtschaftskraft erbringen hätten können. Ökonomen sprechen dabei von Opportunitätskosten - entgangene Erlöse, weil andere Möglichkeiten nicht wahrgenommen werden.

Wer ein Pflichtdienstjahr absolviert, kann erst danach seine eigentliche Berufslaufbahn starten - und verliert damit ein Jahresgehalt. Ein Jahresgehalt, das weder ausgegeben noch versteuert wird.

Will man die gesamtwirtschaftlichen Folgen berechnen, geht es dabei allerdings nicht um das erste, tendenziell niedrige Gehalt beim Berufseinstieg, erklärt Harald Trabold, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Osnabrück. "Unter sonst gleichen Rahmenbedingungen und Karriereverlauf erreicht der Wehr- oder Pflichtdienstleistende jedes Berufsjahr und damit jede Gehaltsstufe ein Lebensjahr später. Es fehlt ihm also das Gehalt aus dem letzten Berufsjahr." In der Bundesrepublik liegt das Durchschnittsgehalt derzeit in den letzten Verdienstjahren bei mehr als 50.000 Euro.

Das Helsinki Center of Economic Research hat den Einfluss einer Wehrpflicht auf die volkswirtschaftliche Entwicklung eines Landes untersucht. Das Ergebnis: Entwickelte Volkswirtschaften erleiden dadurch Einbußen von einem Viertel Prozentpunkt jährlich. Im Jahr 2017 hätte das in Deutschland knapp acht Milliarden Euro weniger Wirtschaftsleistung entsprochen.

2. Arbeitsmarkt

Gerade im Pflegebereich - ob in der Altenpflege oder in Krankenhäusern - fehlt es massiv an Personal. Auch die Bundeswehr klagt über die Schwierigkeit, genug Nachwuchs zu rekrutieren. Doch diese Engpässe ließen sich auch durch einen Pflichteinsatz junger Menschen nicht nachhaltig beheben, sagt die österreichische Volkswirtschaftsprofessorin und Arbeitsmarktexpertin Gudrun Biffl. Vielversprechender sei hingegen, wenn Anreize geschaffen, Gehaltsstrukturen attraktiver gestaltet und Perspektiven aufgezeigt würden.

Doch ausgerechnet die Berufe im sozialen Bereich würden durch eine Dienstpflicht laut Biffl noch unattraktiver, als sie oft schon sind. Das gelte etwa für die ohnehin relativ niedrigen Einkommen. "Es übt zusätzlichen Druck auf die Löhne aus, wenn es die Möglichkeit gibt, auf ein paar Hunderttausend Pflichtdienstleistende zurückgreifen zu können", sagt Biffl.

3. Effizienz bei Bundeswehr und sozialen Diensten

Selbst dort, wo die zum Dienst Verpflichteten eingesetzt werden sollen, dürfte eine Dienstpflicht nach Ansicht von Ökonomen kaum positiv wirken. In der heutigen Arbeitswelt komme es noch mehr als früher auf Spezialisierung und Professionalisierung an. "Effizienter und volkswirtschaftlich sinnvoller ist es, bei der Bundeswehr oder in sozialen Diensten auf eilig angelernte Laien zu verzichten und stattdessen Fachkräfte einzusetzen", sagt Andreas Wagener, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hannover.

Auch Trabold argumentiert, ein Pflichtdienst sei nicht die richtige Antwort auf den Personalmangel der Bundeswehr: "Armeen brauchen heute überwiegend hochqualifizierte Spezialisten. Stellen für kurzfristig angelernte Wehrdienstleistende gibt es in modernen Armeen kaum noch."

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