Diskriminierung Frau erhält Jobabsage wegen "Ossi"-Herkunft

Eine Bewerberin bekommt eine gewöhnliche Absage mit einem ungewöhnlichen Vermerk des Arbeitgebers über ihre ostdeutsche Herkunft. Jetzt kämpft die Frau darum, dass "Ossis" als eigener Volksstamm anerkannt werden - nur dann hat sie vor dem Arbeitsgericht eine Chance.

Stuttgart/Berlin - Ist der "Ossi" ein eigener Menschenschlag? Mit dieser Frage wird sich das Stuttgarter Arbeitsgericht am 15. April beschäftigen. Dann geht es darum, ob eine Jobabsage wegen Diskriminierung angefochten werden kann.

Eine Frau, Mitte Vierzig, aus dem Raum Stuttgart hatte sich um eine Stelle als Buchhalterin bei einem Fensterbauer beworben. Neben dem entschuldigenden Ablehnungsschreiben wurden ihr auch ihre eingesandten Bewerbungsunterlagen zurückgeschickt. Auf ihrem Lebenslauf, rechts von den persönlichen Angaben, hatte der potentielle Arbeitgeber notiert: "(-) Ossi".

Eindeutiger und direkter kann ein Arbeitgeber einem Bewerber wohl kaum mitteilen, warum er ihn nicht einstellt. Gabriele S. klagt nun darauf, dass dies eine Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft sei. "Das hat sie stark getroffen", sagt ihr Rechtsanwalt Wolfgang Nau. Er vertritt die Frau vor dem Arbeitsgericht.

Gemeinsam entwickelten sie die Argumentation für den 15. April: Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG), vereinfacht Antidiskriminierungsgesetz genannt, verbiete eine Absage mit dem Argument "Ossi". Das Gesetz wolle schließlich Benachteiligungen aufgrund der "Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft" ausschließen.

"Die beiden Teile Deutschlands haben sich während der Trennung auseinandergelebt", erklärt Nau. "Die Ostdeutschen hatten teilweise Wortbildungen und Sitten, die wir nicht kannten", führt er aus. Die Richter nächste Woche müssen also entscheiden, ob der "Ossi" eine eigene Ethnie ist.

Falls die Richter zu diesem Ergebnis kommen, könnte die Frau drei Monatsgehälter à 1600 Euro zugesprochen bekommen. Ein Gütetermin im Herbst war bereits gescheitert. Der Stuttgarter Fensterbauer, bei dem die Frau sich beworben hatte, weigerte sich zu zahlen.

Der potentielle Arbeitgeber berief sich in einer MDR-Sendung darauf, dass es auch andere Gründe gegeben habe, Gabriela S. nicht einzustellen. Einzig die Notiz sei unglücklich gewesen. "Keine Frage - das war ein Fehler von uns, dass diese interne Notiz, die da drauf kam, das Haus verlassen hat", wird er auf der Homepage des Senders zitiert.

"Der Begriff 'ethnische Herkunft' ist weder in der ursprünglichen europäischen Richtlinie noch im daraus abgeleiteten deutschen Gesetz genau definiert", sagt Heiko Habbe, Rechtsanwalt und Fachmann für Antidiskriminierungsrecht. Meist werde die Ethnie umschrieben mit "gemeinsamer Abstammung" oder als "Gruppe gemeinsamer Identität".

AGG-Rechtsexperten kennen bisher keine Fälle, in denen Menschen wegen ihrer ostdeutschen Herkunft offensichtlich benachteiligt worden sind. "Beweise in diesen Fällen sind sehr schwer zu führen", erklärt Habbe das generelle Problem des AGG.

lgr/dpa

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