Iran-Sanktionen Trumps Dollar-Keule

Donald Trump
Foto: Evan Vucci/ APDie staatsmännische Pose des Präsidenten hielt nur einen Atemzug lang. Das Allerwichtigste für ihn sei der Frieden, idealerweise "auf der ganzen Welt", erklärte Donald Trump beim Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Kabinettssaal des Weißen Hauses. Doch dann setzte er zur Wuttirade gegen die Europäer an, die es wagen, den USA bei den Iran-Sanktionen die Stirn zu bieten. "Die Europäische Union war furchtbar zu uns beim Handel", schimpfte er: "Sie behandeln uns so schlecht, wie man nur behandelt werden kann."
Von Völkerverständigung sind die europäisch-amerikanischen Beziehungen so weit entfernt wie lange nicht. Mit ihrer trotzigen Entscheidung, nach dem Ausstieg der USA am Nuklearabkommen mit Iran festzuhalten, haben die 28 EU-Regierungen Trump den Kampf angesagt. Doch der US-Präsident weigerte sich am vergangenen Donnerstag, den Fehdehandschuh aufzuheben. "Schöne Grüße an Jean-Claude" quittierte er herablassend die Ankündigung von EU-Kommissionspräsident Juncker, das Blocking Statute von 1996 zu reaktiveren, das Europas Wirtschaft die Beteiligung an den US-Sanktionen verbieten würde.
Die USA fühlen sich überlegen - und sie sind es auch: Die größte Wirtschaftsmacht der Welt, ein Absatzmarkt mit mehr als 300 Millionen Verbrauchern, Heimat der führenden Börsenplätze und dazu der Dollar als Weltwährung, in der 40 Prozent aller internationalen Zahlungen abgewickelt werden. Wer sollte es wagen, sich solch geballter ökonomischer Macht entgegenzustellen?
Tatsächlich gaben sich die ersten europäische Unternehmen schon kleinlaut, während Angela Merkel und ihre Kollegen beim Gipfel in Sofia noch berieten, was zu tun sei. Der französische Ölkonzern Total kündigte an, eine Milliardeninvestition in Iran zu stoppen. Es folgte Maersk, die weltgrößte Container-Reederei, die iranische Häfen für ihre Schiffe zur No-go-Area erklärte.
Wer mit Teheran handelt, riskiert Ärger
Diese Fluchtbewegungen dürften sich künftig beschleunigen. Denn US-Finanzminister Steven Mnuchin hat den Folterkasten geöffnet, in dem das Instrumentarium liegt, mit dem die USA Gefolgschaft erzwingen wollen. Ein Dutzend Gesetze und Verordnungen verbieten so ziemlich jedes Geschäft mit Iran, bei dem es nicht gerade um den Verkauf von Brot und Butter geht. Stärkste Handhabe der US-Regierung sind die sogenannten Sekundär-Sanktionen: Jedes Unternehmen, das Handel mit Teheran betreibt, riskiert, auf einer schwarzen Liste zu landen und von allen Dollar-Transaktionen und im Extremfall sogar vom amerikanischen Absatzmarkt abgeschnitten zu werden.

US-Finanzminister Steven Mnuchin
Foto: Jae C. Hong/ dpaEs ist eine mächtige Drohung. Rund 2000 Konzerne außerhalb Amerikas emittieren Dollar-Anleihen. Die Dollar-Schulden der Auslandsfirmen belaufen sich auf fünf Billionen. Der Dollar ist nicht alles - aber für internationale Konzerne ist ohne Dollar alles nichts. "Sie mögen noch so viel heulen, kein europäisches oder asiatisches Unternehmen wird sich für ein terroristisches Regime und gegen den Zugang zum US-Dollar entscheiden", ätzt Richard Goldberg von der Foundation for Defense of Democracies, der einst im US-Kongress an der Ausarbeitung der Sanktionen mitarbeitete.
Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit zu spüren bekommen, dass die US-Behörden bei einem Verstoß gegen Sanktionen keinen Spaß verstehen. Die französische Bank BNP Paribas musste 2014 fast neun Milliarden Dollar Strafe zahlen, die Commerzbank wurde 2015 wegen Geschäften für iranische und sudanesische Kunden mit 1,45 Milliarden Dollar zur Kasse gebeten.
Auch Erdogan ist machtlos
Und nicht nur Geld steht auf dem Spiel: In der vergangenen Woche verurteilte ein US-Gericht einen Manager der türkischen Halkbank wegen Beihilfe zur Umgehung der Iran-Sanktionen zu 32 Monaten Haft. Eine Verurteilung des Bankers wäre "fast so, als würde der türkische Staat zum Kriminellen erklärt", hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan vor der Urteilsverkündung noch wütend gewarnt. Genutzt hat es ihm nichts.
Amerikanische Unternehmen haben sich daher im vorauseilenden Gehorsam zurückgehalten. Der Chef des weltgrößten Flugzeugbauers Boeing, Dennis Muilenburg, beruhigte die Analysten schon im April, dass man vorläufig keine Flugzeuge nach Iran liefern werde - zu einem Zeitpunkt also, in dem Merkel und Frankreichs Präsident Macron noch hofften, den US-Präsidenten umstimmen zu können. Für die drei 777-Jets, die ursprünglich dieses Jahr an Iran Air gehen sollten, hat sich Boeing in aller Stille andere Kunden gesucht.
In Washington betrachtet man mit Wohlwollen, dass das Ausland nun nachzieht. Total hat vorsichtshalber gar nicht abgewartet, ob ihm das US-Ministerium eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Man könne es sich einfach "nicht leisten, irgendwelchen Sanktionen ausgesetzt zu sein", erklärte das Management den Rückzug. Denn an fast jeder Finanzierungsmaßnahme des Konzerns seien US-Banken beteiligt, beinahe jede dritte Aktie liege in amerikanischer Hand. Dem "Wall Street Journal" zufolge hat auch Wintershall, eine Tochterfirma des deutschen Konzerns BASF , die iranischen Partner wissen lassen, dass die Ölprojekte wackelten - man hänge von der Muttergesellschaft ab, die in den USA dick im Chemiegeschäft unterwegs ist.
Einen Unsicherheitsfaktor allerdings gibt es in der Kalkulation der USA, die Welt durch schiere ökonomische Übermacht auf Linie zu bringen: China. Das Schwellenland ist größter Abnehmer iranischen Öls und dürfte sich vehement dagegen wehren, seine Importe herunterzufahren. Doch Peking vom Dollar abzuschneiden, wird nicht einmal Trump wagen. China ist größter ausländischer Kreditgeber der USA. Einer, den seine Regierung, die auf eine Rekordverschuldung der USA zusteuert, dringend braucht.

Dollar-Noten
Foto: Jose Luis Gonzalez/ REUTERS"China ist es ein bisschen leid, von den USA herumgestoßen zu werden", sagt Philip Nichols, Professor an der Wharton School der University of Pennsylvania. Also könnte es die Staatsführung in Peking auf die Machtprobe mit Trump ankommen lassen - und damit die eigenen ökonomischen Ziele befördern. Denn schon lange arbeiten die Chinesen darauf hin, den Yuan als Weltwährung aufzubauen. Im März haben sie den ersten Yuan-Terminkontrakt auf Rohöl aufgelegt - ein Versuch, dem Dollar als weltweite Ölhandelswährung Konkurrenz zu machen.
Bislang ist das Wunschdenken. Doch das rücksichtslose Vorgehen der USA im Iran-Konflikt dürfte die Bereitschaft vieler Staaten erhöhen, Alternativen zum übermächtigen US-Finanzsystem zu suchen. Amerikas ökonomischer Status beruht nicht zuletzt auf dem Vertrauen, das Investoren weltweit der US-Regierung entgegenbringen. Dieses Vertrauen gerät mit Trumps Willkürpolitik immer weiter ins Wanken. Das britische Wirtschaftsmagazin "Economist" ist schon überzeugt: "Mr. Trump hat mit Sicherheit den Tag näher gebracht, an dem China globale Zahlungen in Yuan abwickelt."
Zusammengefasst: Mit schärferen Drohungen will US-Präsident Donald Trump europäische Unternehmen zwingen, sich an die von den USA verhängten Iran-Sanktionen zu halten. Die Taktik scheint erfolgreich zu sein: Die ersten europäischen Konzerne kuschen bereits. Doch langfristig dürfte Trump mit dieser Brachialpolitik der US-Wirtschaft schaden - und deren Übermacht in der Welt aufs Spiel setzen.