US-Ökonom Snower zur Wahl "Trumps Sieg ist eine Konsequenz des amerikanischen Traums"

Die Wahl von Donald Trump ist auch ein Sieg der Globalisierungsverlierer: Der US-Ökonom Dennis Snower erklärt, wie der künftige Präsident die Abstiegsängste seiner Landsleute ausgenutzt hat - und zieht eine Parallele zu den Dreißigerjahren.
Mein Haus, mein Auto: Der amerikanische Traum ist angekratzt

Mein Haus, mein Auto: Der amerikanische Traum ist angekratzt

Foto: Bob Leverone/ AP

SPIEGEL ONLINE: Herr Snower, Sie sind Amerikaner. Hätten Sie gestern Abend damit gerechnet, heute mit einem Präsidenten Donald Trump aufzuwachen?

Snower: Ich bin erschüttert. Ich war mir sicher, dass Trump keine Chance hat. Und ich glaube, das ging nicht nur mir so. Das zeigt: Die Gruppen, die Trump gewählt haben, sind ganz abgekapselt von denen, die Clinton gewählt haben. Die amerikanische Gesellschaft ist so zerrissen, dass beide Teil nichts mehr voneinander wissen. Auch die Umfragen lagen alle daneben.

SPIEGEL ONLINE: Viele der Leute, die Trump gewählt haben, scheinen unerreichbar geworden zu sein. Für die etablierte Politik, aber auch für die Medien und Meinungsforscher. Warum ist das so?

Snower: Die Meinungsforscher gehören wie die Journalisten zu den Gebildeten, die fast keinen Zugang zu den Trump-Wählern haben. Aber die amerikanischen Medien haben auch viel dazu beigetragen, dass es so weit kommen konnte. Es gibt dort eine Sucht nach Konflikt, nach immer neuen Skandalen. Das hat dazu geführt, dass Trump sehr viel Aufmerksamkeit bekommen hat und dass es überhaupt nicht um die politischen Inhalte ging.

Zur Person
Foto: IfW/Christina Kloodt

Dennis J. Snower ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel und einer der renommiertesten Ökonomen in Deutschland. Der 66-Jährige ist amerikanischer Staatsbürger und hat in den Siebzigerjahren an der US-Eliteuniversität Princeton promoviert.

SPIEGEL ONLINE: Die amerikanische Gesellschaft ist auch ökonomisch stärker gespalten als noch vor einigen Jahren. Die Ungleichheit ist gestiegen. Hat das Trumps Sieg begünstigt?

Snower: Es sind ja nicht unbedingt die Ärmeren, die Trump gewählt haben, sondern vor allem jene, die fürchten, dass ihre Kinder einen niedrigeren Lebensstandard haben werden als sie selbst. Man hat sich vorher nicht vorstellen können, dass weiße, verärgerte, arbeitende Männer Trump ins Weiße Haus bringen könnten. Es haben sich aber doch offenbar viel mehr Leute um diese Gruppe herum gesammelt, weil sich viel mehr Menschen verwundet fühlen.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es denn einen wirklichen Grund für diese Leute, besorgt zu sein? Oder ist das reine Panikmache von Trump?

Snower: Trump hat die Sorgen der Menschen ausgenutzt. Diese mögen teilweise berechtigt sein. Wir leben in Zeiten großer Veränderungen. Die Welt digitalisiert sich. Maschinen konkurrieren zunehmend mit Menschen um Arbeitsplätze. Die Globalisierung schreitet voran. Das bedeutet, dass diejenigen, die sich an diese Veränderungen nicht anpassen können, in einer schwachen Lage sind.

SPIEGEL ONLINE: Es ist also erklärbar, wenn sie Trump wählen?

Snower: Sie suchen nach einem Sündenbock. Trump hat ihnen diesen Sündenbock geliefert: Es sind die Migranten, die Muslime, die Lateinamerikaner, die euch eure Jobs wegnehmen - so hat Trump das den Leuten erzählt. Irgendjemand muss Schuld haben. Das ist auch eine Konsequenz aus dem amerikanischen Traum.

SPIEGEL ONLINE: Inwiefern?

Snower: Wenn man den amerikanischen Traum träumt, ist das Versagen nur dem Individuum zuzuschreiben. Viele Amerikaner arbeiten so hart, wie sie können, und es reicht trotzdem nicht. Nach amerikanischer Lesart ist das ihre eigene Schuld. Aber das wollen sie nicht wahrhaben. Deshalb ist es für sie so wichtig, einen Sündenbock zu finden, den sie verantwortlich machen können.

SPIEGEL ONLINE: Trump hat diesen Leuten versprochen, Amerika wieder groß zu machen, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Er will die Wirtschaft stärker abschotten, die Auslagerung von Jobs in Schwellenländer stoppen und hohe Strafzölle auf Waren aus China oder Lateinamerika einführen. Entstehen dadurch wirklich mehr Jobs für Amerikaner?

Snower: Natürlich nicht. Man kann sich in der heutigen Welt nicht abschotten. Die meisten Güter und Dienstleistungen werden durch Mitwirkung anderer Länder produziert. Wenn Amerika sich abschottet, schadet es sich selbst, weil viele Waren dann einfach teurer werden. Darunter leiden werden vor allem die ärmeren Menschen und die besorgte Mittelschicht, die Trump gewählt hat.

SPIEGEL ONLINE: Wenn es so kommt, dann müsste Trump in der Gunst der Wähler ja schnell wieder sinken.

Snower: Ich fürchte, viele werden den Zusammenhang nicht sehen. Daher wird es wahrscheinlich Trump nicht schwächen, wenn es Amerika schlechter geht.

SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet es für Deutschland und Europa, wenn Trump die angekündigte Abschottungspolitik tatsächlich umsetzt?

Snower: Das ist schlecht für Europa und Deutschland. Amerika zieht sich zurück - nicht nur aus der Weltwirtschaft, sondern auch aus der internationalen Politik. Die liberale Weltordnung ist infrage gestellt. Das bedeutet auch politisch große Instabilitäten. Das Schlimmste aber ist: Amerika hat den Pfad des Konflikts betreten statt den Pfad des Kompromisses und der Verständigung. Das führt zu nichts Gutem. Man kennt das aus den Dreißigerjahren. Da hat man sich oft gefragt, wie zivilisierte Länder so konfliktorientiert sein können.

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