Feldzug gegen Amazon, Facebook und Google Trumps Kraftprobe mit "Big Tech"

Die Tech-Giganten Amazon, Facebook und Google gehören zu den wertvollsten Konzernen der US-Wirtschaft. Doch nun droht Präsident Trump ihnen mit juristischen Schritten. Wer ist am Ende stärker?
Foto: MICHAEL REYNOLDS/EPA-EFE/REX/Shutterstock

Der Schlag gegen Google zielte unter die Gürtellinie. CIA und FBI, so forderte der Silicon-Valley-Investor und Trump-Unterstützer Peter Thiel, müssten gegen das Internetunternehmen ermitteln, das "die verräterisch scheinende Entscheidung getroffen hat, mit dem chinesischen Militär und nicht mit dem amerikanischen Militär zusammenzuarbeiten." Der Paypal-Mitgründer hatte für den mutmaßlichen Landesverrat auch gleich eine Erklärung parat: Google sei von Chinas Geheimdienst infiltriert.

Im Oval Office in Washington schien man auf diese angebliche Insiderinformation nur gewartet zu haben: Thiel, der sich im Präsidentschaftswahlkampf für Trump stark gemacht hatte, sei "ein großartiger und brillanter Typ, der sich da besser auskennt als jeder andere", erklärte der US-Präsident wenig später. "Die Trump-Regierung wird sich das anschauen!"

Eineinhalb Wochen später musste die US-Regierung nun zurückrudern. Man habe den Vorwurf gründlich geprüft, aber nichts gefunden, was "in irgendeiner Weise besorgniserregend" wäre, erklärte Finanzminister Steven Mnuchin am Mittwoch.

Die Erleichterung in den Chefbüros von Googleplex, dem Hauptquartier im kalifornischen Mountain View, dürfte verhalten sein. Denn klar ist: Google ist ins Visier der US-Regierung geraten - genauso wie die anderen Tech-Riesen Facebook und Amazon. Diese Woche hat das Justizministerium eine Kartelluntersuchung der "marktführenden Onlineplattformen" angekündigt. Und auch wenn keine Namen genannt wurden, weiß jeder, wer hier die üblichen Verdächtigen sind. Zumal Mnuchin einen Tag später das Ergebnis der Prüfung schon mal vorwegnahm: Amazon habe "den Einzelhandel in ganz Amerika zerstört, also ist keine Frage, dass sie den Wettbewerb eingeschränkt haben", verkündete der Minister im Sender CNBC.

Sei es Zufall oder nicht: Der Amazon-Gründer heißt Jeff Bezos und besitzt mit der "Washington Post" eine Zeitung, die der US-Präsident aus tiefem Herzen hasst. Und so wie gegen den Onlinehändler hegt Trump gegen jeden der Tech-Riesen irgendeinen Groll: Bezos' Washington Post verleiht ihm regelmäßig Lügen-Pinocchios, beim Googlen seines eigenen Namens stieß Trump nur auf Nachrichten der vermeintlichen Fake-News-Medien, und Twitter schmälere seine 62-Millionen-Onlinegefolgschaft, indem es willkürlich Follower banne. "Sie behandeln mich nicht gut als Republikaner", beschwerte sich Trump beleidigt. Im Juni forderte er dann: "Wir sollten Google und Facebook und all das verklagen."

Gesagt, getan. Die Ermittlungen des Justizministeriums "riechen nach den persönlichen Kränkungen des Präsidenten", urteilt das "Wall Street Journal". "Es ist Wunschdenken, dass ein zunehmend politisiertes Justizministerium unabhängig von diesem Druck handelt."

Jahrzehntelang traute sich niemand an "Big Tech" ran

Sind die großen Techkonzerne also bloß Opfer eines Rachefeldzugs von Trump? Diese Erklärung ist dann doch zu kurz gegriffen. Immerhin gibt es genügend Angriffspunkte gegen die Unternehmen. Facebook etwa hat gerade eine Fünf-Milliarden-Dollar-Strafe der Verbraucherbehörde FTC wegen Datenschutzvergehen akzeptiert. Die Börsenaufsicht SEC legte noch einmal 100 Millionen Dollar wegen irreführender Anlegerinformationen drauf. Und die FTC startete gleich noch eine weitere Kartellprüfung gegen Zuckerbergs Konzern, der sich zusätzlich zum eigenen Messenger-Dienst auch die Kanäle Instagram und WhatsApp einverleibt hat.

Donald Trump im Jahr 2017 mit Microsoft-Chef Satya Nadella (Mitte) und Amazon-Gründer Jeff Bezos

Donald Trump im Jahr 2017 mit Microsoft-Chef Satya Nadella (Mitte) und Amazon-Gründer Jeff Bezos

Foto: Alex Brandon/ AP

Auch Amazon steht durchaus in der Kritik. Dass in den USA reihenweise Einzelhändler pleitegehen, ist unbestritten auch dem Erfolg des Onlinehändlers zu verdanken. Bisher hatte das allerdings keine Konsequenzen.

Jahrzehntelang galt für die Tech-Branche der Washington-Konsens: Lasst sie in Frieden wachsen. Die Republikaner der Nach-Reagan-Ära lehnten Regulierung grundsätzlich ab und die Demokraten verliebten sich in die Gründerszene, die der Welt versprach, "nicht böse" zu sein. Doch diese Laissez-faire-Haltung gerät angesichts der Omnipräsenz der Giganten ins Wanken. Plötzlich werde "Big Tech" als eine gefährliche Interessengruppierung wahrgenommen, "nicht anders als Big Tobacco oder Big Oil", glaubt Matt Stoller vom Open Markets Institute, das gegen Monopole kämpft.

Wie groß die Konzerne mittlerweile geworden sind, zeigt ein Blick auf den Börsenwert: Bei der sogenannten Marktkapitalisierung belegen Amazon  , Apple  , die Google-Mutter Alphabet   und Facebook   die Ranglistenplätze zwei bis fünf hinter Microsoft  .

Amazon umarmt die Konkurrenten zu Tode

Anders als in der Vergangenheit argumentieren Wettbewerbswächter diesmal nicht damit, dass durch die Marktmacht Preiserhöhungen für die Verbraucher drohen. Vielmehr geht es darum, dass die Giganten Innovationen abwürgen. Berüchtigt ist der Vorfall, den der Autor Brad Stone in seinem Buch über Amazon beschrieb. Als das Start-up Quidsi erfolgreich ins Geschäft mit Windeln einstieg, habe Bezos dem Konkurrenten 2009 die Übernahme vorgeschlagen. Quidsi winkte ab. Daraufhin machte Amazon ihm ein Angebot, "das Du nicht ablehnen kannst".

In der Realität war das ein Preiswettbewerb, bis Quidsi kapitulierte. Heute scheint Amazon die Konkurrenz noch lieber zu Tode zu umarmen. Das "Wall Street Journal" berichtete jüngst über den "Amazon Accelerator". Der Konzern bietet demnach Verkäufern an, ihre Produkte prominent zu platzieren. Dafür erwirbt er das Recht, deren Marke jederzeit übernehmen zu dürfen. Zum Festpreis von 10.000 Dollar.

Derartiges Marktgebaren findet zunehmend Kritiker. Jahrelang habe er Beschwerdeführer gegen Google vergeblich nach Washington gebracht, erzählte der kalifornische Kartellanwalt Gary Reback dem Sender CNBC. Stets habe die Politik blockiert. "Aber jetzt gibt es die Blockierer nicht mehr." Womöglich sei mit der Trump-Regierung der Damm gebrochen.

Es ist eine ungewöhnliche Allianz, die da entsteht: ein beleidigter Präsident, besorgte Wettbewerbshüter - und demokratische Spitzenpolitiker wie Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren, die sich als Anwälte der amerikanischen Verbraucher profilieren wollen.

Ob am Ende wirklich eine Zerschlagung der Konzerne steht, ist jedoch fraglich. Derselbe Trump, der über Amazon & Co schimpft, lobt die gescholtenen Unternehmen bei anderer Gelegenheit. Und längst nicht alle Republikaner wollen ernst machen. So halten Kritiker die Fünf-Milliarden-Strafe für Facebook angesichts des jüngsten Quartalsumsatzes von 17 Milliarden Dollar - plus 28 Prozent zum Vorjahr - für einen schlechten Witz.

Auch Amazon und Alphabet konnten ihren Umsatz im vergangenen Quartal um 20 Prozent erhöhen - und fuhren Milliardengewinne ein. Angesichts der gut laufenden Geschäfte sind die Konzerne gegen jegliche Angriffe gut gewappnet. Man investiert in Lobbyarbeit, um Washingtons Politiker bei Stange zu halten. Amazon und Facebook haben dafür im letzten Vierteljahr eine Rekordsumme von je vier Millionen Dollar ausgegeben. Dagegen war Google mit Lobbyausgaben von knapp drei Millionen Dollar geradezu sparsam.

Vielleicht zu sparsam: Googles Beziehung zu China "könnte oder könnte auch nicht ein Problem für die nationale Sicherheit darstellen", twitterte Trump am Freitag. "Wenn es ein Problem gibt, werden wir es herausfinden". Das klingt eher wie eine Drohung.

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