US-chinesischer Handelskonflikt Zwei Tweets, die alles riskieren

Eigentlich sollten die Handelsgespräche zwischen den USA und China in dieser Woche in die entscheidende letzte Runde gehen. Doch dann begann Donald Trump zu twittern - und nun steht alles wieder in Frage.
Donald Trump am vergangenen Freitag im "Oval Office" des Weißen Hauses

Donald Trump am vergangenen Freitag im "Oval Office" des Weißen Hauses

Foto: Alex Brandon/ AP

Bis zuletzt tat Donald Trump betont optimistisch. Ein "sagenhafter" Handelspakt mit China stehe bevor, prahlte der US-Präsident. Auch Finanzminister Steven Mnuchin nannte die Gespräche "produktiv", und Berater Kevin Hassett gab sich "ermutigt".

Die demonstrative Zuversicht sollte eine mutmaßlich letzte Verhandlungsrunde einläuten, zu der ab Mittwoch eine chinesische Delegation in Washington angesagt ist, angeführt von Vizepremier Liu He, dem Chefunterhändler Pekings. Trump und Chinas Präsident Xi Jinping könnten einen Deal dann später bei einem Gipfeltreffen abzeichnen, deutete Trumps Sprecherin Sarah Sanders noch am Donnerstag an.

Doch dann kamen die Tweets.

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Die Verhandlungen liefen "zu langsam", beschwerte sich Trump auf einmal - eine abrupte Kehrtwende inmitten einer sonntäglichen Twitter-Tirade über die Mexiko-Grenze, die Wirtschaft, die Russlandaffäre und das Kentucky-Derby. Er werde die Strafzölle auf China-Importe deshalb ab Freitag von 10 auf 25 Prozent erhöhen - mit der Option, "demnächst" auch den meisten restlichen Warenverkehr zu sanktionieren.

Videoanalyse: Großer Bluff oder echte Eskalation?

SPIEGEL ONLINE

Und so machte Trump die monatelange Kleinarbeit der US-Verhandlungstruppe um Mnuchin und den US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer die seit vergangenem Jahr zwischen Peking und Washington pendelten, mit zwei Tweets plötzlich wieder überflüssig.

Dies sei eine "Warnung" an China, erläuterte Trumps Top-Wirtschaftsguru Larry Kudlow im konservativen Kabelsender Fox News. "Wir hoffen, dass sie bei diesem Deal mitmachen, aber wenn nicht, sagt der Präsident: Wisst ihr was? Die Zölle bleiben."

Typisch Trump: Kurz vor Ende wirft er noch mal eine Handgranate hinterher. Manchmal zieht das, wie bei der Neuverhandlung des Freihandelsabkommens Nafta, manchmal nicht, siehe Nordkorea. Auch diesmal fragt es sich, ob die Chinesen das beeindruckt - oder ob Trump alles riskiert, nur um sich innenpolitisch aufzuplustern.

Container im Hafen von Oakland (Kalifornien)

Container im Hafen von Oakland (Kalifornien)

Foto: Justin Sullivan/ Getty Images

"Trump konnte ja nicht mal Nordkorea erschrecken"

Die Antwort kam noch in der Nacht: Peking sei "überrascht" und erwäge, die Runde in Washington nun platzen zu lassen, meldete das "Wall Street Journal" und zitierte dazu eingeweihte Kreise: "China verhandelt nicht mit der Pistole auf der Brust."

"China ist seit Langem auf das Schlimmste vorbereitet", sekundierte Hu Xijin, der Chefredakteur der chinesischen Staatszeitung "Global Times", in einem Tweet. "Wir fallen auf diesen Trick nicht herein." Und, als Seitenhieb auf Trumps desaströsen Hanoi-Gipfel: "Er konnte ja nicht mal Nordkorea erschrecken."

Auch wenn Peking solche plötzliche Kehrtwenden von Trump längst kennt, ist diese Eskalation sicher ein Affront. Die Chinesen wollten mit einer hundertköpfigen Abordnung nach Washington kommen, inklusive aller zuständiger Abteilungschefs der Regierung. Sprich: Sie erwarteten, Nägel mit Köpfen zu machen. Beim letzten Mal, im April, schaute Vizepremier Li sogar im Oval Office vorbei. Das ist jetzt natürlich fraglich.

Der genaue Stand der Gespräche bleibt sowieso unbekannt. Bisher gab es meist nur widersprüchliche Leaks. Die einen sagten, die Amerikaner verlangten zu viel, die anderen, China biete zu wenig. Die meisten US-Medien übernahmen zuletzt aber die Sprachregelung des Weißen Hauses, man sei "zuversichtlich", bis Freitag - dem Tag der nun angedrohten Zollerhöhungen - einen Durchbruch erzielen zu können.

Anderswo war dagegen zu hören, die Amerikaner seien vielmehr "frustriert", weil die chinesischen Unterhändler bei bereits ausgehandelten Details wieder einen Rückzieher gemacht hätten, etwa bei der Frage des Technologietransfers. Daraufhin hätten die US-Hardliner beschlossen, ihren Druck auf China zu erhöhen.

Die Supermacht China dürfte sich in der Tat auf lange Sicht kaum in ihr wirtschaftspolitisches System reinreden lassen - selbst wenn die dieses System überhaupt so schnell umkrempeln könnte, wie Washington das verlangt. Trumps Drohung "könnte ein paar Konzessionen bringen", sagte der China-Experte Scott Kennedy vom Center for Strategic and International Studies, "aber sie könnte auch nach hinten losgehen, indem sich Peking stur stellt und den Präsidenten zwingt, Farbe zu bekennen."

Andere fürchten sogar Schlimmeres: "Dies hat alle Anzeichen eines kompletten Desasters, das die Aktienmärkte abstürzen lassen könnte", schrieb Chris Rupkey, der Chefökonom der MUFG Union Bank, die zur japanischen Mitsubishi-Gruppe gehört, am Sonntag an seine Klienten.

Zumal Trump auch bei seiner jüngsten Volte mal wieder mit Falschheiten operiert. So behauptete er am Sonntag erneut, die Mehrkosten der Strafzölle würden "größtenteils von China getragen" und kämen zugleich der US-Wirtschaft zugute. Doch die meisten Studien haben ergeben, dass diese Kosten vollständig auf die Importeure und Verbraucher in den USA abgewälzt werden.

"Zollerhöhungen sind in Wahrheit Steuererhöhungen", warnte ein Experte den Präsidenten vor einem Jahr in einem Essay. Sein Name: Larry Kudlow - Trumps jetziger Wirtschaftsguru und Zoll-Einpeitscher.

Mit Material von Bloomberg
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