Debatte über Dürrehilfen Vier Szenarien für die Zukunft der Bauern

Landwirte bei Köln
Foto: Oliver Berg/ picture alliance/dpaWie sieht die Zukunft für Deutschlands Bauern aus? Diese Frage stellt sich erneut, seitdem das extrem trockene Wetter die Ernten bedroht. Am Mittwoch hat sich das Bundeskabinett mit möglichen Finanzhilfen beschäftigt. Unions-Fraktionschef Volker Kauder forderte vorab, man solle "nicht kleinlich sein". Doch die möglichen zusätzlichen Gelder vom Staat sind umstritten - auch weil die Landwirtschaft ohnehin viele Subventionen erhält.
Die Spannbreite der Forderungen aus Interessenverbänden und Parteien ist groß: von milliardenschweren Soforthilfen für die Bauern bis hin zu einer klaren Absage an jegliche Unterstützung. Entsprechend unterschiedlich könnte die Zukunft der Landwirte aussehen. Vier Szenarien:
1. Allein auf weiter Flur: Bauern dem Markt überlassen
Der Staat könnte die Bauern trotz der aktuellen Dürre jede zusätzliche Hilfe verweigern - und so den Gesetzen des freien Wettbewerbs überlassen. Es gehört zum unternehmerischen Risiko eines Landwirts, dass auch mal in einer Saison Flaute herrscht, so die Argumentation vieler Ökonomen. Auf lange Sicht glichen sich gute und schlechte Erntejahre aus.
Bauernverbände hingegen warnen vor Pleitewellen, wenn der Staat nicht eingreift. Doch ob es soweit kommt, ist fraglich.
So haben nur bestimmte Bauern derzeit zu kämpfen - etwa im Getreide- und Kartoffelbau -, während andere Landwirte wie Winzer ein Spitzenjahr verzeichnen könnten. Zudem werden Landwirte ohnehin schon stark vom Staat unterstützt: Bis zu 45 Prozent ihrer Einnahmen stammen Schätzungen zufolge aus EU-Subventionen, die nicht von Erntemengen abhängen. Viele haben durch Biogas-, Windkraft- oder Solaranlagen ein zusätzliches Standbein und profitieren so wiederum von Energiesubventionen.
Wenn der Staat jetzt einzelnen Bauern noch darüber hinaus Geld zahlt, könnte das erheblich die Gesetzmäßigkeiten der freien Markwirtschaft verzerren, warnt Andreas Peichl, Ökonom am Ifo-Institut. "Wenn Bauern Hilfen erhalten, würden sie ihre Preise nicht erhöhen. Verbraucher würden diese Produkte dann nicht-subventionierten Gütern vorziehen", sagt Peichl. Das wäre zum Nachteil derer, die keine Subventionen erhalten.
Besser sei es, die aktuelle Lage dem marktwirtschaftlichen Preismechanismus zu überlassen. Preise für einige Lebensmittel, die von der Dürre stark betroffen sind, könnten steigen. Im Gegenzug könnten die Preise für Produkte, die Rekordernten verzeichnen, fallen. "Auf lange Sicht gleicht sich das aus", sagt Peichl.
2. Her mit den Milliarden: Subventionen (fast) ohne Bedingungen
Statt die Bauern dem Markt zu überlassen, ist auch das Gegenteil denkbar: Der Staat könnte die Forderung des Deutschen Bauernverbands (DBV) ohne Abstriche erfüllen -und die Landwirte mit mindestens einer Milliarde Euro für ihre schlechte Ernte entschädigen. Einzige Voraussetzung: Ihr Ertrag muss um mehr als 30 Prozent unter dem Schnitt der letzten Jahre liegen.
Die Bauern kämen also dank staatlicher Unterstützung durch die Dürreperiode. Begründen ließe sich das mit der ungewöhnlichen Wetterlage und der besonderen Bedeutung der Landwirtschaft für Ernährung und Umwelt.
Hinzu kommen die ohnehin bereits gewährten Subventionen: Laut Bundesregierung werden Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für Ernährung und Landwirtschaft in diesem Jahr knapp 1,5 Milliarden Euro betragen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) kommt mit einer umfassenderen Definition gar auf Hilfen von knapp 2,7 Milliarden. Hinzu kommen EU-Subventionen von rund fünf Milliarden Euro.
Die Bundesregierung argumentiert, die Sonderbehandlung sei ausdrücklich gewollt. So bilden die Einkünfte von Land- und Forstwirten auch bei der Einkommensteuer eine eigene Kategorie. Das IfW hingegen würden einen Großteil der Zuschüsse gerne streichen. Es handele sich um "Erhaltungsubventionen", die der Sicherung "nicht mehr zeitgemäßer Wirtschaftsstrukturen und nicht mehr konkurrenzfähiger Unternehmen" diene.
3. Sparen für die Not: Bauern als Unternehmer stärken
Ein möglicher Mittelweg wäre, die Bauern als Unternehmer noch robuster gegen Extremjahre wie dieses zu machen. Der Staat hat bereits besondere Rahmenbedingungen geschaffen, die Bauern schützen. So können Landwirte ihre Steuererklärung auf drei Jahre strecken. Wenn in einem Jahr die Ernte wetterbedingt schlecht läuft, können sie so im nächsten Jahr Steuern sparen. "Das kann die Verluste um bis zu 50 Prozent verringern", sagt Ökonom Peichl.
Die aktuellen Schäden dürfte das aber kaum ausgleichen. Der Staat könnte deshalb die Bedingungen für Landwirte weiter verbessern und etwa bessere Vorsorge-Möglichkeiten schaffen. Derzeit müssen Bauern auf die Rücklagen, die sie für schlechtere Zeiten bilden, Steuern zahlen. Gero Hocker, landwirtschaftspolitischer Sprecher der FDP, schlägt vor, dass Landwirte in Zukunft diese Risikoausgleichsrücklagen steuerfrei bilden können. Und zwar in Höhe des Durchschnittsgewinns der vergangenen vier Wirtschaftsjahre.
Auch könnte der Staat Bauern stärken, indem er etwa private Versicherungen der Landwirte gegen Ernteausfälle fördert. Einige Bauern suchen händeringend nach solchen Policen, doch der Staat belegt sie bislang mit 19 Prozent Mehrwertsteuer. Das macht sie unattraktiv, sowohl für die Versicherungskonzerne als für die Bauern. "In anderen EU-Staaten und in den USA werden solche Versicherungen gefördert. Diesem Beispiel könnte Deutschland folgen", sagt Peichl.
4. Euro nur für Öko: Subventionen gegen Bedingungen
Ein weiterer Mittelweg wäre, die Bauern in der aktuellen Krise zu unterstützen - und gleichzeitig Anreize für einen nachhaltigen Wandel in der Landwirtschaft zu setzen. Die Hilfsgelder würden daher anders wirken als etwa die EU-Subventionen. Die sind auch deshalb umstritten, weil sie sich allein an der Fläche von Betrieben orientieren, um Bauern muss es sich dabei nicht unbedingt handeln. Deshalb kassieren sie auch Finanzinvestoren, Großgrundbesitzer und Betriebe mit mangelhaftem Tierschutz.
Dass Staatshilfen ohne Gegenleistungen notwendige Veränderungen blockieren, befürchten auch die Grünen. "Wir können uns nicht leisten, umweltschädliche Wirtschaftsweisen weiterhin zu subventionieren", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter dem "Handelsblatt". Die EU-Agrarsubventionen, über die derzeit in Brüssel verhandelt wird, sollten "nur noch solchen Betrieben zugutekommen, die umwelt-, tier-, klima- und artenfreundlich arbeiten".
Auf ein solches Umsteuern deutet allerdings nach Ansicht des Naturschutzbundes Nabu wenig hin. Kürzlich vorgestellte Reformvorschläge der EU-Kommission ließen "keinen ernsthaften Versuch erkennen, den stets angekündigten Übergang zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft endlich anzugehen".
Auch bei den kurzfristigen Hilfen gegen die Dürre könnte die Verknüpfung mit Konditionen schwierig werden. Zwar scheint Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zumindest zwischen Ackerbauern und Viehhaltern unterscheiden zu wollen. Doch Mecklenburg-Vorpommerns Bauernpräsident Detlef Kurreck forderte bereits, der Bund müsse Hilfen unabhängig von der Betriebsform zahlen.
"Wenn Geld für Dürrehilfen bereitgestellt wird, dann müssen alle Betriebe, die die Minderertragsgrenze von 30 Prozent erreichen, unterstützt werden", so Kurreck. Kleinbäuerliche Familienbetriebe sollten von den Staatshilfen ebenso profitieren wie große Agrargesellschaften.