Edeka/Tengelmann Gabriel macht Wirtschaftspolitik nach Gutsherrenart

Bei der verkorksten Tengelmann-Übernahme geriert sich Sigmar Gabriel als Anwalt des kleinen Mannes. In Wahrheit bedient er vor allem die Interessen großer Unternehmen und einer mächtigen Gewerkschaft.
Gabriel beim Sommerinterview

Gabriel beim Sommerinterview

Foto: HANNIBAL HANSCHKE/ REUTERS

Wer Sigmar Gabriel reden hört, dem kann schon mal warm ums Herz werden. Wenn der SPD-Chef gut drauf ist, gibt er die Rolle des sozialen Kümmerers wie kein Zweiter in der Politik.

Am Wochenende zog Gabriel mal wieder alle Register seines Könnens. "Ich bin nicht in die Politik gekommen, um zuzuschauen, wie Menschen etwas angetan wird", sagte er mit besorgter Miene beim ARD-Sommerinterview, "sondern ich bin in die Politik gekommen, um Menschen zu helfen."

Mit den Menschen, denen er angeblich helfen will, meint Gabriel die knapp 16.000 Beschäftigten der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann. Die Kette steht schlecht da und schreibt Verluste. Tengelmann-Konzernchef Karl-Erivan Haub würde sie deswegen gerne verkaufen - am liebsten an den ohnehin schon mächtigen Marktführer Edeka.

Gabriel hält das offenbar für eine prima Idee und hat die Bedenken aller Experten weggewischt. Das Veto des Bundeskartellamts überstimmte er kurzerhand mit einer sogenannten Ministererlaubnis. Und auch gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das die Fusion zuletzt gekippt hat, will Gabriel vorgehen - und zwar beim Bundesgerichtshof.

"Verkäuferinnen, Lagerarbeiter, Gabelstaplerfahrer"

Mit seinem Kurs wolle er Tausende Arbeitsplätze retten, beteuerte der Wirtschaftsminister im Sommerinterview. "Das sind Verkäuferinnen, das sind Packer, das sind Lagerarbeiter, Gabelstaplerfahrer - Leute, die nicht viel Geld verdienen und die es ohnehin nicht einfach haben."

Wer kann schon was dagegen haben, diesen Menschen zu helfen?

Genau hier liegt das Problem in Gabriels Argumentation. Eigentlich sind es sogar mehrere Probleme:

  • Erstens ist fragwürdig, ob die Fusion überhaupt irgendeinen Arbeitsplatz dauerhaft retten würde. Zwar hat Gabriel eine zeitlich begrenzte Jobgarantie zur Bedingung gemacht. Doch die gilt eben nur für die Mitarbeiter von Kaiser's Tengelmann. Edeka könnte nach dem Zusammenschluss also auch einfach eigene Filialen schließen und dort Mitarbeiter einsparen. Experten halten das sogar für wahrscheinlich.
  • Und zweitens hat es ja einen Grund, warum sich neben dem Kartellamt auch die Monopolkommission so vehement gegen die Übernahme ausgesprochen hat. Beide fürchten, dass Edekas Marktmacht so groß würde, dass die Unternehmensgruppe einerseits den Bauern und Produzenten die Einkaufspreise diktieren könnte und es andererseits für Verbraucher im Supermarkt künftig teurer würde. Auch Konkurrenten wie Rewe könnten unter Edekas neuer Macht leiden - und müssten dann vielleicht ihrerseits Mitarbeiter entlassen.

Der Allgemeinheit hilft Gabriel mit seiner Wirtschaftspolitik nach Gutsherrenart also nicht. Doch wem dann?

Profitieren würden von der Übernahme in erster Linie zwei Unternehmen: Tengelmann-Chef Haupt wäre seine Problemkette endlich los und Edeka-Boss Markus Mosa könnte seine Gruppe noch größer machen, als sie ohnehin schon ist - und dabei die Konkurrenz deutlich schwächen. Deshalb kämpft Mosa mindestens ebenso verbissen wie Gabriel dafür, dass es mit der Fusion endlich klappt.

Dann gäbe es noch einen weiteren Nutznießer: Frank Bsirske. Der Chef der mächtigen Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di möchte gern noch mächtiger werden - da käme ihm der Edeka-Tengelmann-Deal gerade recht. Bei Edeka hat Ver.di - anders als bei Kaiser's Tengelmann - bisher kaum Einfluss. Der Übernahmedeal würde das vermutlich ändern: Schließlich hat Gabriel es explizit zur Auflage gemacht, dass das Unternehmen Tarifverträge mit Ver.di und der Nahrungsmittelgewerkschaft NGG abschließt. Zur Rettung der Arbeitsplätze natürlich. Wie praktisch für Bsirske.

Gabriel beruft sich gerne auf die soziale Marktwirtschaft, um seinen Kurs zu rechtfertigen - also auf jenes Leitbild aus der Gründerzeit der Bundesrepublik, das allgemeingültige Regeln für alle Wirtschaftsakteure vorsah und wonach die Ballung privater Marktmacht gerade verhindert werden sollte. Doch damit hat Gabriels Klientelpolitik nun wirklich gar nichts zu tun.

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