Einwanderung von Fachkräften Gesetz ohne Effekt

Nicht-EU-Ausländer dürfen künftig einwandern, wenn sie ein Jobangebot haben und die Sprache sprechen. Experten sind skeptisch, ob so genug Fachkräfte nach Deutschland kommen.
Auszubildende aus Guinea in Bremen

Auszubildende aus Guinea in Bremen

Foto: Ingo Wagner / DPA

Es hat dann doch länger gedauert. An diesem Freitag hat der Bundestag das Gesetz zur Einwanderung von Fachkräften beschlossen. Eigentlich hatten die beteiligten Minister das schon für März geplant, als sie den Gesetzentwurf Ende November vorlegten. Aber die Union wollte der erleichterten Arbeitsmigration dann nur zustimmen, wenn zugleich das Asylrecht verschärft und Abschiebungen beschleunigt würden. Da brauchte es deutlich mehr Zeit für eine Einigung mit der SPD.

Und so entspricht das nun endgültige Fachkräfteeinwanderungsgesetz fast exakt dem Entwurf aus dem Herbst. Im Kern geht es vor allem um drei Punkte:

  • Künftig dürfen grundsätzlich alle Menschen aus Nicht-EU-Staaten mit einer anerkannten Berufsausbildung einwandern, wenn ihnen in Deutschland ein passender Arbeitsplatz angeboten wird - bislang gilt das nur für Akademiker oder für bestimmte Branchen mit eklatantem Fachkräftemangel wie etwa der Pflege.
  • Die Vorrangprüfung entfällt: Bisher darf eine Fachkraft aus einem Nicht-EU-Staat nur dann einwandern, wenn der angebotene Arbeitsplatz nicht mit einem Bewerber aus Deutschland oder der EU besetzt werden kann.
  • Voraussetzung sind allerdings stets deutsche Sprachkenntnisse - und zwar relativ gute.

(Hier finden Sie eine ausführliche Übersicht über die Inhalte des Gesetzes.)

Das Gesetz enthält auffallend viele Regelungen, die verhindern sollen, dass zugewanderte Fachkräfte für die Sozialkassen und -sicherungssysteme zum Minusgeschäft werden. So dürfen über 45-Jährige nur nach Deutschland, wenn sie mehr als 3700 Euro im Monat verdienen oder bereits eine Altersvorsorge aufgebaut haben - damit sie später nicht in die Grundsicherung im Alter fallen.

Ein anderes Beispiel: Die Aufenthaltserlaubnis gilt erst einmal für vier Jahre, also 48 Monate. Danach können die Zuwanderer eine unbefristete Erlaubnis bekommen - wenn sie immer noch einen Job haben und 48 Monate lang in die Rente eingezahlt haben. Sie dürfen also streng genommen keinen einzigen Monat ohne Beschäftigung gewesen sein. De facto macht das einen Wechsel des Arbeitsgebers so gut wie unmöglich.

Die Gewerkschaften kritisieren das Gesetz unter anderem deshalb harsch. "Wenn eine Fachkraft aufgrund von miserablen Arbeitsbedingungen kündigt oder gekündigt wird, ist sie allein vom guten Willen der Ausländerbehörde abhängig", sagt etwa Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Das öffne "Tür und Tor für kriminelle Praktiken wie Lohn- und Sozialdumping", so die Gewerkschafterin.

Schwierige Anerkennung

Wirtschaftsvertreter, Arbeitsmarktforscher und Integrationsexperten loben das Einwanderungsgesetz hingegen, allerdings wenig enthusiastisch. Grundsätzlich sei es der richtige Schritt, so der einhellige Tenor - das Gesetz werde jedoch voraussichtlich nur sehr wenigen Menschen die Einwanderung ermöglichen. Denn die vorgesehenen Hürden seien sehr hoch. So sei Deutsch eben keine Weltsprache und werde im Ausland eher selten an Schulen gelehrt.

Besonders schwierig dürfte für Bewerber aus Nicht-EU-Staaten vor allem die Anerkennung eines beruflichen Abschlusses werden. Die duale Ausbildung mit ihren Abschlüssen gibt es nur in Deutschland - und ob eine Ausbildung im Ausland gleichwertig ist, damit befassen sich derzeit noch 1500 verschiedene Stellen in Deutschland. Schon für Menschen, die sich bereits in Deutschland befinden, ist es extrem schwierig, ihre Qualifikation anerkennen zu lassen - im Ausland ist es teilweise de facto unmöglich, berichten Praktiker wie etwa spezialisierte Anwälte.

Die Große Koalition ist sich des Problems bewusst: Künftig soll es zumindest in jedem Bundesland eine zentrale Ausländerbehörde geben, außerdem Clearing-Stellen. Zudem sollen Arbeitgeber beschleunigte Verfahren beantragen können, bei denen die Behörden verpflichtet sind, ihre Entscheidungen in relativ kurzer Zeit zu treffen.

Zu wenig Zuwanderung ist riskant

Die Experten des IAB-Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit (BA) halten all diese Maßnahmen zwar grundsätzlich für richtig - aber aus ihrer Stellungnahme zum Gesetz  spricht deutliche Skepsis: Die Reformen "müssen sich allerdings erst in der Praxis beweisen". Die Anerkennung bleibe dennoch "eine schwer zu überwindende Hürde", eigentlich "wären grundlegendere Reformen notwendig gewesen, etwa der Rückgriff auf Teilanerkennungen oder die größere Akzeptanz landesüblicher Zertifikate".

Vor Kurzem hatte das IAB in einer Studie  berechnet, dass bis 2060 jedes Jahr netto 260.000 Menschen nach Deutschland einwandern müssen, um den Fachkräftebedarf zu decken. Die Bundesregierung selbst hofft lediglich, dass durch das Einwanderungsgesetz rund 25.000 Menschen im Jahr kommen werden.

Die IAB-Experten glauben, dass das Gesetz nicht einmal den Rückgang bei der Zuwanderung aus anderen EU-Staaten ausgleichen kann - und warnen: Bleibe es beim Status quo, "wirft dies Risiken für die künftige wirtschaftliche und soziale Entwicklung Deutschlands auf".

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