
Baden-Württembergs EnBW-Deal: Mappus und der Freund bei Morgan Stanley
EnBW-Übernahme Mappus droht die Kernkraftfalle
Hamburg - Im Verborgenen hatte Stefan Mappus den Deal eingefädelt. Der Rückkauf der EnBW-Aktien durch Baden-Württemberg sollte ein Punktsieg in seinem Wahlkampf sein.
Doch der CDU-Ministerpräsident hat sich wohl verkalkuliert: Die Kehrtwende der Bundesregierung in der Atompolitik beschert EnBW düstere Aussichten - und birgt damit auch Risiken für den baden-württembergischen Landeshaushalt.
Der Energiekonzern selbst hat seine Aussichten nicht gerade rosig dargestellt. "Ich muss mich nach der Decke strecken", sagte Konzernchef Hans-Peter Villis im Februar. Für das laufende Jahr rechne er mit einem um bis zu 15 Prozent geringeren operativen Ergebnis.
Und nun auch noch die schwarz-gelbe Atomwende: Das EnBW-Kraftwerk Neckarwestheim I wird demnächst komplett stillgelegt. Auch das AKW Philippsburg I muss vom Netz. Allein durch die Stilllegung beider Werke verliere EnBW Umsatzerlöse von rund 550 bis 600 Millionen Euro pro Jahr, sagt der Energieexperte Ben Schlemmermeier von der Beratungsgesellschaft LBD.
Sollte es zu einem raschen Atomausstieg kommen, müsste der Konzern außerdem hohe Summen für den Rückbau von Kraftwerken aufbringen. So beziffert EnBW allein die Kosten für den derzeitigen Abbau seines 2005 abgeschalteten Kernkraftwerks Obrigheim auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag.
Ein Bombengeschäft?
Vor rund einem Jahrzehnt wurde EnBW privatisiert. Im Dezember 2010 kaufte Baden-Württemberg den gesamten 45-Prozent-Anteil vom französischen Energiekonzern EdF für rund 4,7 Milliarden Euro zurück. Unmittelbar nach dem Deal hatte Mappus angekündigt, die EnBW-Anteile sollten in absehbarer Zeit gewinnbringend an die Börse gebracht werden.
Ein schnelles Aus für Atomkraft in Deutschland hatten weder Mappus noch seine Geschäftspartner eingeplant. Ein alter CDU-Vertrauter von Mappus hatte das EnBW-Geschäft eingefädelt: Dirk Notheis, der Deutschlandchef der Investmentbank Morgan Stanley. Von ihm soll laut "Stuttgarter Nachrichten" der Satz stammen: "Der EnBW-Deal ist ein Bombengeschäft für das Land Baden-Württemberg - es sei denn, es geht irgendwo noch ein Atomkraftwerk in die Luft."

Sorge um AKW: Erdbeben in Deutschland
Das scheinbar Undenkbare ist geschehen - EnBW könnte, so warnt Greenpeace, durch die Abschaltung seiner Atomkraftwerke zum Sanierungsfall zu werden. Denn der drittgrößte deutsche Energieversorger hat sein Geschäftsmodell stark an Atomenergie und Kohlekraft orientiert. Mehr als die Hälfte des von EnBW produzierten Stroms stammt aus Atomkraftwerken. Der Energieexperte der Umweltorganisation, Andree Böhling, hält sogar einen Gewinneinbruch in 2013 um bis zu 50 Prozent für "durchaus realistisch". Der Konzern weist dies allerdings als "absurd und abwegig" zurück.
Mappus' Koalitionspartner rechnet damit, dass das Land wegen des schnelleren Atomausstiegs seine EnBW-Anteile länger halten muss als bisher geplant. "Die EnBW steht wegen des beschleunigten Ausstiegs vor einer Durststrecke", sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. "Wir sind aber bereit, das Unternehmen während dieser Durststrecke zu begleiten." Das Ziel bleibe, die Aktien zwischen 2011 und 2016 zu veräußern. Wilfried Krahwinkel vom Bund der Steuerzahler befürchtet Verluste: "Mit der Abschaltung der Atomkraftwerke ist das Risiko, dass die EnBW-Aktienkurse fallen, noch größer geworden", sagte er.
EnBW-Chef will bei Erneuerbaren Energien sparen
Um den EnBW-Deal zu finanzieren, musste das Land eine Bürgschaft über 5,9 Milliarden Euro leisten. Für den Kauf wurde eigens die Erwerbsgesellschaft Neckarpri eingerichtet, die zwei Anleihen platzierte. Die Zinsen dafür werden aus dem Anteil der EnBW-Dividende beglichen, den Baden-Württemberg erhält. Selbst wenn die EnBW-Dividende um mehr als 30 Prozent sinke, könne man die Zinsen daraus bedienen, antworte die Regierung auf eine Anfrage der Grünen im Landtag.
Sollte es zu einem schnellen Atomausstieg kommen, könnte das Geschäft von EnBW einbrechen und der Konzern gezwungen sein, die Ausschüttung zu senken. Dann müsste das Land und damit die Steuerzahler in die Bresche springen. "Das Risiko ist extrem groß", sagte Energieexperte Schlemmermeier, der den EnBW-Aktienkauf im Auftrag der Grünen bewertet.
Greenpeace-Experte Böhling meint, eine rasche Neuausrichtung bei EnBW hin zu erneuerbaren Energien, Netz- und Umweltdienstleistungen sei zwingend. Doch erst kürzlich verkündete EnBW-Chef Hans-Peter Villis, der Konzern wolle vor allem bei Investitionen in erneuerbare Energien sparen. Vor allem bei Wasserkraft soll das Engagement gekürzt werden.
Forscher fühlen sich von Mappus ignoriert
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme werfen der Regierung Mappus vor, diese habe schlicht keinen Ehrgeiz, die erheblich höheren Potentiale für erneuerbare Energien auszuschöpfen. Das Energiekonzept des Landes sei überholt, schrieben die Experten in einer Studie und kamen zu dem Schluss: Ein Ausstieg aus Kernenergie und Steinkohle sei bis Mitte der zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts technisch möglich, ohne dass die Energiesicherheit gefährdet wäre.
Die Studie war fertig, bevor Mappus den EnBW-Deal verkündete, sagte Autor Bruno Burger. Man habe sie dem Ministerpräsidenten persönlich übergeben wollen, doch es kam kein Termin zustande. "Man hat uns auf nach der Landtagswahl vertröstet", sagte Burger. Das Konzeptpapier ging ans Umweltministerium. Dort wurde den Forschern beschieden: Man könne gerne über die Studie reden - aber erst nach der Landtagswahl am 27. März.
Ein Ministeriumssprecher sagte, die Studie sei den Fachabteilungen vorgelegt worden. "Wir halten es für einen guten Input", sagte er. Aber die Ergebnisse seien zu "unausgegoren".
Die Forscher bleiben dabei: Die Regierung setze viel zu sehr auf herkömmliche Energien. Den EnBW-Deal des Landes sieht Fraunhofer-Experte Burger enorm kritisch. "Wenn der Konzern die Kernkraftwerke abschalten muss, dann war es eine Fehlinvestition."
Auch die EnBW-Kleinaktionäre scheinen nicht an das Geschäftsmodell des Konzerns zu glauben. Das Land Baden-Württemberg machte ihnen das Angebot, zum Preis von 41,50 Euro je Aktien ihre Anteile zu verkaufen. Seit der Atomkatastrophe von Japan wollten die Kleinanleger ihre Papiere unbedingt loswerden, berichteten die "Stuttgarter Nachrichten" unter Berufung auf Insider. "Es zeichnet sich eine deutliche Belebung des Geschäfts ab."