Indien, Chile und Co. Die Energie-Supermächte der Zukunft

Windturbinen und Seltene Erden in China: Neue Player erobern den Energiemarkt
Foto: ? David Gray / Reuters/ REUTERSÖl, Kohle, Gas - die Preise für Energierohstoffe sind im freien Fall. Darunter leidet unter anderem Russland, dessen Konjunktur regelrecht eingebrochen ist. Saudi-Arabien wiederum versucht verzweifelt, mit einem Ölpreiskrieg seine Position auf dem Energieweltmarkt zu behaupten, häuft ein gigantisches Staatsdefizit an und erwägt sogar, Teile des staatlichen Ölkonzern Saudi Aramco an der Börse zu verkaufen.
Die Probleme der zwei Energie-Supermächte verdeutlichen einen Trend: Die Energieversorgung verändert sich in vielen Staaten der Erde. Der weltweite Wandel hat Folgen für die globalen Machtverhältnisse.
Eine wachsende Zahl von Fachleuten rechnet damit, dass Energie trotz wachsender Weltwirtschaft weiter billig bleibt . Ein riesiges Angebot steht einer nur langsam wachsenden Nachfrage gegenüber. Je länger das so bleibt, desto größer werden die Probleme für Scheichs und Despoten - aber auch für Demokratien, die stark auf den Export von Energierohstoffen setzen.
Gleichzeitig bauen viele Länder heimische Energiequellen aus. Andere profitieren als Industrie-Zulieferer zusehends vom Aufschwung von Windkraft, Solarenergie und Elektroautos.
Folgende fünf Staaten haben das Zeug, Saudi-Arabien, Russland und Co. als Energie-Supermächte zu beerben.
1. Indien: Die angehende Solarmacht

Solarlampen in Indien: Versorgung mit erneuerbaren Energien steigt
Foto: AMIT DAVE/ REUTERSNoch ist Indien wie kaum ein anderer Staat bekannt für seine Energiearmut. Hunderte Millionen Einwohner sind nicht ans Stromnetz angeschlossen. Im heißen Sommer kommt es immer wieder zu Blackouts, weil die Kraftwerke nicht genügend Elektrizität erzeugen.
Doch Präsident Narendra Modi hat Energie zur Chefsache erklärt . So will Indien seine Kohleproduktion massiv ausbauen. Das macht das Land unabhängiger von Importen.
Außerdem soll bis 2022 die installierte Solarenergie-Leistung von derzeit 5 auf dann 100 Gigawatt wachsen. Die Anlagen würden in der vollen Mittagssonne so viel Strom erzeugen wie 100 Atomkraftwerke.
Schon jetzt beginnen Firmen aus aller Welt mit dem Mammutprojekt. Sie finanzieren Kleinanlagen in Dörfern oder bauen riesige Solarparks. Die gute Sonneneinstrahlung in Indien führt dazu, dass Solarparkbetreiber ihren Strom teils bereits billiger anbieten als Kohlekraftwerke. Kein Wunder, dass im Kohle-Exportland Australien bereits die Angst vor einer Solarmacht Indien wächst, die auch andere Schwellenländer inspiriert und mit Technik beliefert.
2. USA: Die Energie-Revoluzzer

Batteriefabrik von Tesla: Konzerne verknüpfen die Tech- mit der Energiewelt
Foto: © James Glover / Reuters/ REUTERSWarum die USA? Sind die nicht schon eine Energie-Supermacht?
In Sachen Verbrauch trifft das wohl zu, bei der Produktion nur zum Teil: So importiert die größte Volkswirtschaft der Welt trotz Fracking netto noch immer gut ein Viertel ihres verbrauchten Öls.
Doch der Trend ist eindeutig: Die Vereinigten Staaten bauen ihre Energiewirtschaft massiv aus. Beim Erdgas sind sie bereits Selbstversorger, Industrie und Verbraucher profitieren von niedrigen Preisen.
Nun steigern die USA auch zunehmend ihre Exporte. Mehrere Terminals zur Gasverflüssigung, mit denen sich der Rohstoff per Schiff um die Welt schicken lässt, gehen in den kommenden Jahren in Betrieb. Zudem sind dank einer Gesetzesänderung künftig Öl-Ausfuhren erlaubt.
Nicht zuletzt etablieren sich die USA als Vorreiter in sauberer Energietechnik. Solar- und Windenergie sind auf dem Vormarsch, die Anlagen werden zum großen Teil im eigenen Land produziert. Das US-Unternehmen Tesla ist mit seiner im Bau befindlichen Giga-Batteriefabrik zudem ein globaler Vorreiter bei Elektroautos und Speichern. Apple , Google und Co. interessieren sich ebenfalls zunehmend für Elektroautos, erneuerbare Energien und softwaregestützte Energie-Steuerung.
Das alles stärkt Amerika und schwächt die klassischen Energie-Supermächte.
3. China: Angehende Wind- und Solarschwemme

Chinesische Stadt Damo: "Willkommen in der Region der Seltenen Erden"
Foto: ? David Gray / Reuters/ REUTERSViel hilft viel - das scheint Chinas Motto für seine Energiepolitik zu sein. Angesichts von Smog und nachlassendem Wirtschaftswachstum baut das Land verschiedene Energieträger in schnellem Tempo aus und hat große Pläne. Einige Beispiele:
• Bis 2025 soll die Leistung von Windkraftanlagen auf 350 Gigawatt steigen .
• Bis 2020 sollen Solaranlagen mit einer Leistung von 200 Gigawatt entstehen.
• Im selben Zeitraum will Peking 40 Atomkraftwerke fertigstellen.
Für die Analysten von Bloomberg New Energy Finance (BNEF) ist China bereits das Top-Schwellenland bei sauberen Energien . Wie kaum ein anderer Staat achtet die Volksrepublik darauf, dass die Anlagen aus heimischer Produktion stammen. Das gilt auch für Stromnetztechnik, Batterien und Elektroautos - Bereiche, in denen Peking ebenfalls seinen internationalen Führungsanspruch angemeldet hat.
Unter den chinesischen Unternehmen entstehen dabei potenzielle Weltmarktführer: BYD (Batterien, Elektroautos, Busse), Kandi (Elektroautos) oder Solarkonzerne wie Trina, Jinko und Yingli. Zugute kommt dem bevölkerungsreichen Land, dass es über große Vorkommen an Seltenen Erden wie Neodym verfügt. Diese finden zum Beispiel in Elektromotoren und Windturbinen Anwendung.
4. Chile: Die Batterie-Macht

Lithium-Reserven in der Atacama-Wüste: Rohstoff für Batterien
Foto: IVAN ALVARADO/ REUTERSImmer mehr Investoren stecken Milliarden in Chiles Energiesektor. Im Bloomberg-Ranking der Erneuerbare-Energien-Topländer liegt der südamerikanische Staat inzwischen auf Rang drei.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Chile bietet zuverlässige Winde und extrem starke Sonneneinstrahlung - beste Bedingen für Wind- und Solarenergie. Das Land gilt dadurch als Vorreiter für eine subventionsfreie Integration erneuerbarer Energien ins Stromsystem.
Zudem verfügt Chile nach Angaben der US-Regierung über die weltweit mit Abstand größten Lithium-Reserven . Das Metall findet sich in hoher Konzentration in Salzseen in der Atacama-Wüste und dient als bedeutender Grundstoff für Lithium-Ionen-Batterien. Diese finden sich verstärkt in Autos, Stromspeichern und elektronischen Geräten aller Art.
5. Deutschland: Schwarmintelligenz für sauberen Strom

Strom-Selbstversorger in der Eifel: Millionen kleine Stromproduzenten
Foto: manager magazinFür seine Energiewende ist Deutschland weltweit berühmt. Das Mammutprojekt dient sowohl als Vorzeige- als auch als Negativbeispiel. Zwar sind einzelne Bestandteile der Energiewende schlecht aufeinander abgestimmt, und das Vorhaben ist wenig mit anderen Ländern koordiniert. Doch unterm Strich hat sich die Bundesrepublik im Wettrennen um die Energieversorgung der Zukunft vielversprechend positioniert.
Vor allem in der Windkraft sind Tausende Arbeitsplätze entstanden, und es werden mehr. Firmen wie Siemens, Nordex und Enercon spielen weltweit oben mit. Dies auch technologisch, wie im Bereich der Offshore-Windparks oder bei Schwachwindrotoren.
Zudem investieren auch private und gewerbliche Verbraucher sowie Finanzkonzerne Milliarden in Deutschlands Energieversorgung. Dabei entsteht ein weltweit einmaliges System, das zentrale und dezentrale Energieversorgung kombiniert.
Gelingt der Umbau, ist das System eine Blaupause für andere Industrieländer, an deren Export deutsche Firmen gut verdienen könnten. Denn so geht Energie-Supermacht in Zukunft: Nicht Rohstoffe sind in erster Linie gefragt, sondern Technik und Ideen.