Energiewende Regierung entwirft Stufenplan für Atomausstieg

Schwarz-Gelb startet das Endspiel um die Energiewende - nach SPIEGEL-Informationen will die Regierung sieben Altmeiler plus Krümmel stilllegen, die restlichen neun AKW könnten in drei Etappen ausgeknipst werden. Die Energiekonzerne müssen um den eigentumsrechtlichen Schutz bangen.
Atomkraftwerk Biblis: Streit um Altmeiler

Atomkraftwerk Biblis: Streit um Altmeiler

Foto: Fredrik Von Erichsen/ dpa

Hamburg - Die Atomausstiegspläne der Regierung nehmen Gestalt an. Nach SPIEGEL-Informationen will Umweltminister Norbert Röttgen den Konzernen den eigentumsrechtlichen Schutz für ihre Kernkraftwerke absprechen. Dieser sei nach spätestens 27 Jahren erloschen, wenn die Anlagen steuerlich abgeschrieben seien und einen angemessenen Gewinn abgeworfen hätten, heißt es im Umweltministerium. Diese Rechtsgrundlage würde es erlauben, auch die modernsten Kernkraftwerke in wenigen Jahren per Gesetz stillzulegen.

Gedacht wird an einen Stufenplan nach der Formel "Drei mal drei", bei dem zu drei Zeitpunkten je drei der verbleibenden neun moderneren Anlagen vom Netz gingen. Die stufenweise Abschaltung soll auch dazu dienen, die Inbetriebnahme von neuen Gaskraftwerken als Ersatzkapazitäten abzuwarten.

Die Atomkonzerne wollen sich gegen einen Eingriff in ihr Eigentum zur Wehr setzen. Einen ähnlichen Versuch habe bereits die rot-grüne Regierung unternehmen wollen, dann aber darauf verzichtet, heißt es in der Branche. E.on-Chef Johannes Teyssen, der bisher auf eine Klage gegen die schwarz-gelbe Ausstiegspolitik verzichtet hat, will sich für den Fall einer Konfrontation rechtlich alle Möglichkeiten offenhalten.

CSU drückt beim Atomausstieg aufs Tempo

Die CSU bereitet sich auf einen Ausstieg bis zum Jahr 2020, spätestens 2022 vor. Das geht aus dem Energiekonzept von Umweltminister Markus Söder (CSU) hervor, das dem SPIEGEL vorliegt. Ersetzt werden soll der Atomstrom durch Gas und erneuerbare Energien.

"Der Anteil der Gaskraftwerke an der Stromerzeugung muss auf bis zu 50 Prozent gesteigert werden", heißt es in dem Energiekonzept. "Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung wird bis 2020 auf über 50 Prozent verdoppelt."

Auch die Bundesregierung setzt bei der Energiewende auf einen Investitionsschub bei den erneuerbaren Energien. Dafür will sie die bisherige Förderung umbauen. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen künftig erstmals konkrete Ziele für den Anteil von Ökostrom gesetzlich verankert werden. Für 2020 sind 35 Prozent vorgesehen, für 2030 schon 50 Prozent, wie aus einem Eckpunktepapier zum EEG hervorgeht.

Terminprobleme gefährden Stilllegung der Alt-AKW

Zwar plant die Regierung den Turboausstieg - sie bekommt aber schon bei der Stilllegung der sieben Altmeiler massive Probleme. Wegen Terminschwierigkeiten wird sie angestrebte Änderungen im Atomgesetz wohl nicht wie geplant am 17. Juni im Bundesrat beschließen können. Obwohl das dreimonatige Moratorium eigentlich am 15. Juni endet, strebt die Regierung nun an, den Bundesrat erst am 8. Juli mit dem Ausstiegsgesetz zu befassen.

Weil die Energiekonzerne nach Ablauf des Moratoriums ihre Meiler rechtlich gesehen wieder hochfahren könnten, sondiert Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) deren Bereitschaft, die Meiler bis zum Bundesratsbeschluss vom Netz zu lassen.

Nach Informationen des SPIEGEL drängt die Regierung darauf, dass die sieben Altmeiler, die derzeit aufgrund des Moratoriums vom Netz sind, abgeschaltet bleiben - selbst wenn das Ausstiegsgesetz erst nach Ablauf des Moratoriums beschlossen wird. Die Energiekonzerne legten sich am Freitag nicht fest, wie sie auf den neuen Zeitplan der Regierung reagieren wollen. "Diese Entscheidung treffen wir, wenn sie ansteht", sagte ein E.on-Sprecher. "Und derzeit steht sie nicht an." Auch bei den Kraftwerksbetreibern EnBW und RWE wollte man sich auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE nicht zur Zukunft der älteren AKW äußern.

Kauder sagt steigende Strompreise voraus

Die Strompreise in Deutschland werden nach Einschätzung von Volker Kauder aufgrund der Energiewende steigen. "Strom wird tendenziell teurer werden", sagt der Unionsfraktionschef im Gespräch mit dem SPIEGEL.

"Das wird für die Privathaushalte verkraftbar sein, aber energieintensive Unternehmen werden daran sicher schwer zu tragen haben." Deshalb müsse die Regierung darüber nachdenken, diesen Firmen unter die Arme zu greifen, etwa durch eine entsprechende Gestaltung der Stromtarife.

Für den Staat werde die Energiewende sehr teuer, sagte Kauder. Die Koalition habe im vergangenen Herbst auch deshalb die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert, um die Brücke ins Zeitalter der erneuerbaren Energien zu finanzieren. "Jetzt steigen wir schneller aus, und das wird Milliardenlöcher in den Haushalt reißen."

ssu/phw
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