Energiewende Regierung erwägt, Ökostrom-Vorteile zu beschneiden

Die Energiewende ist auch deshalb so erfolgreich, weil Ökostrom uneingeschränkte Vorfahrt in den Netzen hat. Das Wirtschaftsministerium prüft nach SPIEGEL-Informationen nun, dieses Privileg einzuschränken. Die Grünen sind empört.
Windrad nahe Hannover

Windrad nahe Hannover

Foto: Julian Stratenschulte/ dpa

Das Bundeswirtschaftsministerium erwägt, ein wichtiges Privileg der erneuerbaren Energien zu beschneiden. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Analyse hervor, die die Forschungsinstitute Ecofys, Consentec und die Kanzlei BBH im Auftrag des Ministeriums erstellt haben. In dem Dokument, das dem SPIEGEL vorliegt, empfehlen die Experten, den sogenannten Einspeisevorrang von Ökostrom zu relativieren.

Der Einspeisevorrang ist ein zentrales Instrument zur Stärkung der erneuerbaren Energien in Deutschland. Die Betreiber der Stromnetze müssen den Produzenten von Wind-, Solar- und Biogasanlagen ihren Strom bislang komplett abnehmen, ehe sie Elektrizität aus Atom-, Kohle oder Gaskraftwerken beziehen.

Und wenn in den Netzen zu viel Strom ist, müssen erst die konventionellen Kraftwerke ihre Produktion herunterfahren. Erst wenn deren komplettes Potenzial zur Beseitigung von Netzüberlastungen ausgeschöpft ist, dürften auch Ökostromanlagen abgeregelt werden.

Der "Grundpfeiler der Energiewende" dürfe nicht "angesägt" werden

Den zweiten Teil dieser Regelung stellen Ecofys, Consentec und BBH nun auf den Prüfstand. Ökostromanlagen sollten künftig grundsätzlich in das Management von Netzengpässen eingebunden werden, schreiben die Forscher in ihrer Analyse. Die Kosten solcher Maßnahmen ließen sich so deutlich reduzieren.

Die deutsche CO2-Bilanz würde das nur wenig verschlechtern, schreiben die Experten. Die Emissionen des deutschen Kraftwerkparks würden demnach nur um rund ein Prozent steigen.

Im Bundeswirtschaftsministerium ist man für die Vorschläge der Wissenschaftler offenbar aufgeschlossen. Das Ressort von Peter Altmaier (CDU) könnte noch im laufenden Jahr einen Gesetzentwurf zur Relativierung des Einspeisevorrangs vorlegen, heißt es in Berlin.

Für den Erneuerbaren-Energien-Sektor wäre eine solche Regelung mehr als unerfreulich. Der Einspeisevorrang gilt, neben der fixen Vergütung für Ökostrom, als einer der beiden größten Wettbewerbsvorteile der Branche. Jede noch so kleine Einschränkung dieses Vorteils dürfte große Empörung provozieren - zumal die Netze vor allem deshalb so überlastet sind, weil die Regierung mit dem Bau neuer Stromleitungen seit Jahren in Verzug ist.

Die Opposition kritisiert die Erwägungen des Ministerium entsprechend scharf. Sollte die Bundesregierung die Empfehlungen umsetzen, wäre das absurd, sagt Grünen-Chefin Annalena Baerbock dem SPIEGEL. "Kohlestrom verstopft die Netze, Atomstrom darf obendrein in Netzengpassgebiete übertragen werden - aber die Erneuerbaren dreht die Bundesregierung zurück." Der Einspeisevorrang sei ein "Grundpfeiler der Energiewende", so die Grünen-Chefin weiter. Er dürfe nicht "angesägt" werden.

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