Erstes Treffen "Stuttgart 21"-Streithähne rüsten zum Duell

Gegner von "Stuttgart 21": Unter welchen Bedingungen wird künftig diskutiert?
Foto: Uwe Anspach/ dpaStuttgart - Ein neuer Kuschelkurs ist kaum zu erwarten, dafür liegen die Kontrahenten bei "Stuttgart 21" zu weit auseinander. Dennoch verspricht das erste förmliche Treffen von Gegnern und Befürwortern des umstrittenen Bahnprojekts ein wenig mehr Sachlichkeit nach wochenlangen Attacken und Massenprotesten. Das Sondierungsgespräch ist das Erste dieser Art, initiiert wurde es vom Stuttgarter Stadtdekan Michael Brock. Ziel ist es nach seinen Angaben, die hitzige Debatte zu versachlichen.
Von den Projektpartnern nehmen der Infrastrukturvorstand der Bahn, Volker Kefer, Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) und ein Vertreter des baden-württembergischen Umweltministeriums teil. Für die Gegner sind dabei: der Grünen-Stadtrat Werner Wölfle, der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen "Stuttgart 21", Gangolf Stocker, und der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi. Laut Brock soll versucht werden, die aufgeladene Debatte zu versachlichen.
Gegen "Stuttgart 21" gibt es seit Wochen heftigen Widerstand aus der Bevölkerung. Der bisherige Kopfbahnhof soll während der insgesamt zehnjährigen Bauzeit durch eine Verlegung in den Untergrund zu einer Durchgangsstation gemacht werden, außerdem soll in Richtung Ulm eine Schnellbahnverbindung entstehen. Die Gegner kritisieren die Kosten, ökologische Folgen und angebliche Sicherheitsgefahren durch das Bauprojekt.
Grube beklagt Instrumentalisierung des Projekts
Bei dem Treffen soll zunächst einmal geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen ein Dialog überhaupt möglich ist. Das heißt: Wie wollen Gegner und Befürworter künftig miteinander umgehen? Dabei gehen die Kontrahenten mit ganz unterschiedlichen Erwartungen in die Gespräche. Vertreter der Landesregierung haben erklärt, sie wollten mit den Gegnern die Gestaltung der durch das Projekt frei werdenden Flächen sprechen. Die Kritiker dagegen wollen über die Kosten, verkehrstechnische Probleme und Alternativen zu "Stuttgart 21" diskutieren.
Bahn-Chef hat vor dem Treffen beklagt, der Streit über das Projekt werde von den Gegnern zu Wahlkampfzwecken missbraucht: Es gehe schon lange nicht mehr um "Stuttgart 21", sagte Grube dem Radiosender HR-Info. "Wir sind zwischen die Fronten der Wahlkampfstrategen geraten mit Blick auf die Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg."
Im SPIEGEL warnte Grube davor, den Bürgerprotesten nachzugeben: "Wenn Beschlüsse, die in Parlamenten, Gemeinderäten, im Bundestag gefasst werden, nicht mehr zählen, sondern alle Entscheidungen durch Volksentscheide rückgängig gemacht werden können, dann werden Sie in Deutschland keine Investoren mehr finden."
CDU-Politiker Andriof wird neuer Projektsprecher
Am Freitagvormittag will Grube den neuen Sprecher des Projekts präsentieren. Ausgewählt wurde laut "Stuttgarter Nachrichten" der frühere Stuttgarter Regierungspräsident Udo Andriof. Ihm wird der Leonberger IT-Unternehmer und Berater Wolfgang Dietrich zur Seite gestellt. Das bestätigten Grube und Ministerpräsident Stefan Mappus am Freitag. Der 68-jährige CDU-Politiker Andriof leitete zuletzt die Expertenkommission der Landesregierung zu dem Amoklauf von Winnenden.
Andriof und Dietrich sind Nachfolger des SPD-Politikers Wolfgang Drexler. Dieser war Ende vergangener Woche von seinem Sprecheramt zurückgetreten, nachdem sich die SPD für einen Baustopp und einen Volksentscheid ausgesprochen hatte.
Das Sondierungstreffen am Freitag ist bereits der zweite Anlauf. Ein erster Versuch zu einem runden Tisch war Anfang September gescheitert, nachdem die Projektbefürworter den Abriss am Nordflügel nicht bis zu einem Krisengespräch ruhen lassen wollten. Die Gegnerorganisation Parkschützer lehnt die Gespräche kategorisch ab, da die Abrissarbeiten nicht unterbrochen wurden.