Autokartell "Wir nehmen diesen Fall sehr ernst"

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager
Foto: Julien Warnand/ dpaBei EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager haben die Ermittlungen gegen ein vielleicht illegales Autokartell in Deutschland höchste Priorität. "Man sollte sich nicht täuschen, nur weil unsere Ermittlungen von außen nicht so gut sichtbar sind. Wir sind nicht die Polizei, wir klopfen, von Durchsuchungen abgesehen, nicht an Haustüren", sagte Vestager dem SPIEGEL. "Ich kann dazu nur sagen: Wir nehmen diesen Fall sehr ernst." (Lesen Sie hier das ganze Gespräch im neuen SPIEGEL.)
Ihre Behörde kenne die Autobranche inzwischen recht gut, so Vestager. "Mir scheint, dass es in dieser Branche nichts gibt, woraus sich nicht ein Kartell formen ließe."
Der SPIEGEL hatte die Praxis detaillierter über Jahre andauernder Absprachen zwischen den Autobauern Porsche, Audi, VW, BMW und Volkswagen Ende Juli aufgedeckt. BMW und Daimler sowie Volkswagen mit den Töchtern Audi und Porsche sollen sich in zahlreichen Arbeitsgruppen in den Bereichen Technik, Lieferanten und Märkte abgestimmt haben.
Dabei sollen sie auch gemeinsame Strategien für Dieselfahrzeuge entwickelt haben, was zu Manipulationen bei der Schadstoffreinigung von Dieselautos und damit zur Dieselaffäre geführt haben soll. Aufgeflogen sind die Absprachen durch Selbstanzeigen beteiligter Konzerne.
Illegales Kartell? Die Antwort dürfte es erst in Jahren geben
Bis zu einer endgültigen Entscheidung, ob es sich um ein illegales Kartell handele, könne es noch Jahre dauern, sagte Vestager nun dem SPIEGEL, der Fall sei komplex. "Es gab zahllose Arbeitsgruppen über so viele Jahre. Wann stand man auf dem sicheren Boden erlaubter Absprachen? Und wann sind diese Gespräche abgedriftet in ein womöglich illegales Kartell? Diese Frage ist schwer zu beantworten."
Welche unangenehmen Folgen unerlaubte Absprachen haben können, demonstrierte die EU-Wettbewerbsbehörde am Mittwoch. Fünf vornehmlich aus Japan stammende Autozulieferer müssen eine Kartellstrafe von insgesamt 34 Millionen Euro zahlen. Die Unternehmen sprachen im Zeitraum von 2004 bis 2010 Preise ab, teilten Märkte unter sich auf und tauschten sensible Informationen aus, wie die EU-Kommission am mitteilte. "Wir stoppen Kartelle, die den europäischen Verbrauchern schaden, auch wenn diese Kartelle außerhalb Europas koordiniert werden", sagte Vestager.
Auch den Dieselskandal will Vestager zum Anlass nehmen, die Rechte der Verbraucher in der EU zu stärken. "Für mich wirft der Fall jedenfalls die Frage auf, warum wir in Europa nicht ähnlich wie in den USA die Möglichkeit der Sammelklage haben. Ich glaube, dass das Risiko solcher Klagen abschreckend und disziplinierend auf manche Unternehmen wirkt, es geht dann plötzlich um sehr viel mehr Geld", sagte Vestager. "Sammelklagen sind auch in einigen EU-Ländern möglich, aber nicht in allen. Wir in der Kommission sähen es gerne, dass Verbraucher überall in der EU bessere Rechte erhalten, und überlegen gerade, wie wir das am besten erreichen."