Frauenquote für Vorstände EU-Kommissarin will männliche Machtzirkel knacken

EU-Kommissarin Viviane Reding verschärft ihren Plan für eine Frauenquote. Die Vorgabe soll nicht nur für Aufsichtsräte gelten, sondern auch für Vorstände - also die wirklich mächtigen Manager. Die Politikerin zieht damit die richtigen Lehren aus dem Beispiel Norwegen: Halbherzige Schritte reichen nicht mehr.
Frau unter Männern (Symbolbild): Norwegens Quote ist ein Meilenstein - trotz Schwächen

Frau unter Männern (Symbolbild): Norwegens Quote ist ein Meilenstein - trotz Schwächen

Foto: dapd

Hamburg - Als das norwegische Parlament die gesetzliche Frauenquote für Aufsichtsräte im Jahr 2003 absegnete, war das ein Meilenstein. Kein Land der Welt hatte so etwas je zuvor gewagt. Seit 2008 müssen in dem nordischen Staat alle börsennotierten Unternehmen mindestens 40 Prozent ihrer Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt haben. Wenn nicht, führt das zu drakonischen Maßnahmen - bis hin zur Zwangsschließung des Unternehmens. Ziel war es, für mehr Geschlechtergerechtigkeit in den Top-Etagen der Konzerne zu sorgen.

Was nach dem Jahr 2003 geschah, hat fast schon revolutionäre Züge: Binnen fünf Jahren stieg der Frauenanteil in den Führungsetagen der norwegischen börsennotierten Unternehmen von 9 auf die geforderten 40 Prozent. Die Norweger haben sich schon längst an dem Thema abgearbeitet, die Frauenquote ist so normal geworden wie das tägliche Zähneputzen. Andere Staaten wurden vom Osloer Pioniergeist angesteckt. So haben die Parlamente in Spanien, Island, Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Italien und Malaysia in den vergangenen Jahren ähnliche Gesetze verabschiedet.

Auch auf EU-Ebene könnte das Modell Norwegen bald Geschichte machen, zumindest wenn es nach dem Willen der zuständigen Kommissarin Viviane Reding geht. Sie will in der gesamten EU bis 2020 ebenfalls mindestens 40 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten sehen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf will die Kommissarin in der kommenden Woche vorstellen - obwohl sie damit auf großen Widerstand stößt.

Zweifel an den Erfolgen der Frauenquote nach norwegischem Vorbild kommen aus neun EU-Staaten und vor allem von konservativen Politikern und Medien. Um ihre Position zu belegen und eine gesetzliche Regelung abzuwenden, zitieren sie besonders gern die Studie zweier US-Wissenschaftler. Die Untersuchung mit dem Titel "The Changing of the Boards" erschien erstmals im Juni 2010 . Ihre Kernaussage: Eine gesetzliche Quote schadet Unternehmen.

Tatsächlich gaben die Aktienkurse diverser norwegischer Firmen nach, als das Quotengesetz verkündet wurde. Zugleich steht aber auch fest, dass sich die Kurse relativ schnell wieder erholten. Es war also vor allem der Schock über die Entscheidung des Parlaments (und der Beginn der Wirtschaftskrise), der Firmen kurzzeitig belastete, nicht das Gesetz an sich.

Dennoch staunen Beobachter, dass sich Kommissarin Reding nun nicht mehr mit dem norwegischen Modell begnügt. Auch Vorstände könnten von einer Quotenregelung erfasst werden, schreibt das "Handelsblatt" am Freitag unter Berufung auf ein Strategiepapier, das die Kommissarin gemeinsam mit dem Gesetzentwurf präsentieren will. EU-Diplomaten in Brüssel bestätigten dies auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE.

Doch was treibt die Kommissarin dazu, ihren Gesetzentwurf noch zu verschärfen, obwohl sie mit dem Vorstoß nach norwegischem Vorbild bereits auf großen Widerstand stößt? Die Antwort ist einfach: Weil das norwegische Gesetz nicht als Vorbild für andere Länder wie Deutschland taugt. Denn die Frauenquote für Aufsichtsräte verfehlt ein entscheidendes Ziel: Die sogenannte gläserne Decke - eine unsichtbare Barriere auf dem Weg an die Spitze - wird nicht durchbrochen und bringt nicht mehr Frauen in die wirklich entscheidenden Positionen von Unternehmen. Ausgerechnet das norwegische Beispiel beweist das:

  • So wird das operative Geschäft in norwegischen Börsenunternehmen nach wie vor von Männern dominiert. Von 206 Vorstandschef-Posten bei börsennotierten Unternehmen waren zuletzt nur sechs von Frauen besetzt . Anders ausgedrückt: Wer in norwegischen AGs wirklich etwas zu sagen haben will, sollte immer noch einen Anzug und Schlips statt Kostüm und Pumps tragen.
  • Außerdem wurde zwar die 40-Prozent-Quote pünktlich bis zum Jahr 2008 erfüllt. Doch seitdem stagniert sie mehr oder weniger auf dem Niveau. Die Unternehmen haben schnell deutlich gemacht, dass sie nur das erfüllen, was ihnen vorgeschrieben wird. Nach dem Motto: bis hierhin und nicht weiter. Von Einsicht ist da wenig zu sehen.
  • Das norwegische Modell hat außerdem gezeigt, dass die Quote schneller eingeführt wurde, als man mit weiblichem Spitzenpersonal nachkommen konnte. "Goldene Röcke" wurde schnell zum geflügelten Begriff in dem Land, weil geeignete Kandidatinnen plötzlich sieben, acht oder mehr Aufsichtsratsposten inne hatten. Auch wenn diese Art der Ämterhäufung inzwischen seltener vorkommt - und ohnehin auch bei Männern verbreitet ist: Vielfalt in Aufsichtsräten sieht anders aus.

Ein ähnliches Problem zeigt sich auch in Deutschland: Viele Unternehmen wollen gerne eine Frau im Aufsichtsrat haben - allein schon, weil das so schön modern wirkt. Doch die wenigen für geeignet erachteten Kandidatinnen sind stark gefragt. Gute Beispiele hierfür sind etwa Renate Köcher und Ann-Kristin Achleitner, die allein bei Dax-Konzernen drei beziehungsweise zwei Mandate haben.

Wenn Reding es also wirklich ernst meint mit der Förderung von Frauen und dafür eine gesetzliche Quote einführen möchte, dann muss sie anders vorgehen als die Norweger: nämlich radikaler.

Denn wie das norwegische Modell zeigt, ändert sich nur wenig an verkrusteten Strukturen, wenn es keinen Zwang gibt. Will Reding mehr Frauen auf Chefsesseln sehen, dann braucht sie eine Quote für Aufsichtsräte und für Vorstandsposten. Ihr offenbar verschärfter Gesetzentwurf ist da nur folgerichtig.

Will Reding mehr Vielfalt auf allen Ebenen des Managements, braucht sie mehr Förderprogramme für qualifizierte Frauen. Sorgt sich Reding womöglich um die Bilanz der Unternehmen, sollte sie ausreichend lange und nach Branchen unterteilte Fristen setzen. Einem Medienkonzern dürfte es leichter fallen, geeignete Frauen für das Management zu finden, als etwa einem Stahlkonzern. Dank längerer Fristen könnten sich die Konzerne gedanklich und personell optimal vorbereiten.

Und nicht zuletzt sollte Reding weiterhin dafür sorgen, dass die Diskussion um Sinn und Unsinn der Quote lebendig bleibt. Dass das Thema heute überhaupt so breit diskutiert wird, ist das Verdienst der Norweger. Ihnen ist zu verdanken, dass in großen Volkswirtschaften ernsthaft darüber nachgedacht wird, wie Frauen ihren Platz in Entscheidungsgremien erhalten. Das ist und bleibt ein Meilenstein - trotz der Schwächen der norwegischen Frauenquote.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren