
Sparkontrolleure in Krisenländern Europaparlament kritisiert zerstrittene Troika
Hamburg/Brüssel - Othmar Karas war dieses Jahr schon viel unterwegs. Im Januar fuhr der Vizepräsident des EU-Parlaments nach Portugal, Zypern, Irland und schließlich nach Griechenland. "Ich habe wahnsinnig viel gelernt bei jeder Reise", sagt der österreichische Konservative.
Alle besuchten Länder haben Finanzhilfen von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) erhalten, die von einer sogenannten Troika aus Vertretern der drei Institutionen überwacht wurde. Das führte stets zu Protesten von Bürgern. Ihnen schließt sich nun teilweise der Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments an, der unter Vorsitz von Karas und dem französischen Sozialisten Liem Hoang-Ngoc einen Bericht zur Troika erstellte. Die wichtigsten Kritikpunkte sind:
- Mangelnde Legitimation und Transparenz. Die Troika soll stärker auf europäischer Ebene kontrolliert werden. Das Mitwirken der EZB bewerten die Parlamentarier grundsätzlich als problematisch.
- Handwerkliche Fehler. Die Troika habe die Auswirkungen ihrer harten Sparauflagen auf das Wachstum unterschätzt.
- Eine unklare Strategie. Die verschiedenen Troika-Vertreter hätten zum Teil widersprüchliche Ansätze verfolgt und diesen Konflikt nie geklärt.
Bis Ende vergangener Woche konnten die Parlamentarier Änderungsanträge einreichen. Diese sind zum Teil mit harter Kritik verbunden, etwa beim Sozialisten Hoang-Ngoc: "Ich bin zum Schluss gekommen, dass die Troika zerlegt werden muss."
Doch diese Forderung dürfte nicht nur daran scheitern, dass das Europäische Parlament bei der Troika bislang keinerlei Mitsprache hat. Trotz erheblicher Kritik an ihrer Konstruktion stellt die Mehrheit der EU-Abgeordneten das Instrument einer Sparkommission nicht grundsätzlich in Frage. Statt einer Auflösung wird gefordert, dass die Troika aus ihren Fehlern lernt.
Das Wachstum kam später als gedacht
Dass bei den Rettungsprogrammen vieles schiefgelaufen ist, räumen auch Befürworter wie der FDP-Europaabgeordnete Wolf Klinz ein. "Die Troika hat nicht fehlerfrei gearbeitet", sagt er. "Sowohl der IWF als auch die Kommission haben sich darin getäuscht, wie lange es bis zur Rückkehr des Wachstums dauert."
Der IWF aber räumte diesen Irrtum immerhin ein, als er Ende 2012 seine Annahmen zu den Auswirkungen von Sparprogrammen nach oben korrigierte. Die Kommission konterte umgehend. Später kam es erneut zum Streit, als der IWF-Vertreter Poul Thomsen von "bedeutsamen Misserfolgen" in Griechenland sprach.
In ihrem Berichtsentwurf kritisieren die EU-Abgeordneten, dass "diesem Ausdruck einer öffentlichen Meinungsverschiedenheit zwischen der Kommission und dem IWF nicht nachgegangen wurde". Der grüne Finanzexperte Sven Giegold sagt: "Der IWF war deutlich selbstkritischer als Kommission und EZB. Er hat in der Troika noch die vernünftigste Rolle gespielt."
Differenzen gab es nicht nur in diesem Punkt. Der Bericht kommt auch zum Schluss, dass die Troika-Mitglieder von vorneherein unterschiedliche Ziele verfolgten: Der IWF strebe in den Krisenländern vor allem eine interne Abwertung an, also sinkende Löhne und Preise. Die Kommission ziele dagegen in allen vier Ländern primär auf eine Haushaltskonsolidierung ab. "Dadurch wurden gleichzeitig die öffentliche und die private Nachfrage massiv geschwächt", kritisiert Hoang-Ngoc.
Von mangelnder Einigkeit innerhalb der Troika hörten die EU-Parlamentarier auch auf ihren Reisen. Der zyprische Zentralbankchef Panicos Demetriades berichtete laut einem Protokoll, die EZB habe die über sein Land verhängten Kapitalkontrollen abgelehnt, die Kommission aber habe darauf bestanden. Der irische Finanzminister Michael Noonan sagte, die Ansichten der Troika-Mitglieder seien zunehmend auseinandergedriftet. Der IWF habe sich in den Verhandlungen flexibler gezeigt als seine europäischen Partner - möglicherweise, weil er mehr Erfahrung im Krisenmanagement besitze.
Ein völliger Fehlschlag waren die Troika-Programme aber nicht. Schließlich konnte Irland mittlerweile als erstes Land den Rettungsschirm wieder verlassen, Portugal will bald folgen. "Die Rückkehr an den Kapitalmarkt ist wichtig, aber der Maßstab müssen die Menschen sein", wendet der Grüne Giegold ein. Er verweist auf die immer noch enorm hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa. "Der europäische Geist in den Krisenländern ist schwer beschädigt. Die Leute dort wollen wissen, warum sie leiden."
"Die Troika ist eine Notkonstruktion"
Die EU-Parlamentarier stören sich auch daran, dass die Rettungsaktionen über den Rettungsschirm ESM bislang nur durch zwischenstaatliche Verträge legitimiert sind. "Die Troika ist eine Notkonstruktion, die nicht auf dem Boden des Gemeinschaftsrechts steht", sagt Parlamentsvize Karas.
Dem Berichtsentwurf zufolge könnte der ESM zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden und müsste sich dann auch gegenüber dem EU-Parlament verantworten. Doch nicht jeder Abgeordnete hält das für einen Vorteil. "Wir haben im Parlament Kräfteverhältnisse, die bei einer Beteiligung die Empfängerländer bevorteilen würden", sagt der Liberale Klinz.
Schon eher mehrheitsfähig scheinen Forderungen, die Zahl der Troika-Mitglieder zu reduzieren. Im Berichtsentwurf kritisieren die Parlamentarier, die Rolle der EZB innerhalb der Troika sei "nicht ausreichend definiert". Weil sich ihr Mandat auf Geld- und Kreditpolitik beschränkt, erfolge ihre Beteiligung an haushalts- oder fiskalpolitischen Fragen auf "unsicherer rechtlicher Grundlage". Auf Nachfrage des Parlaments konnte die EZB nicht eindeutig erklären, wie es überhaupt zu ihrer Beteiligung an der Troika kam.
Dieser und anderen pikanten Fragen könnte in Zukunft ein eigener Untersuchungsausschuss des Europarlaments nachgehen. Unter den jetzigen Mehrheitsverhältnissen fand sich für ein solches Gremium keine Mehrheit. Nach den Europawahlen im Mai könnte sich das ändern.