Euro-Krise Irlands Parlament segnet radikalen Sparkurs ab

Irlands Finanzminister Lenihan: "Wer mehr zahlen kann, zahlt mehr"
Foto: PETER MUHLY/ AFPLondon/Dublin/Brüssel - Irland geht auf Sparkurs. Die Regierung in Dublin hat in der Nacht zum Mittwoch den Großteil ihres Kürzungshaushalts mit schmerzlichen Einschnitten in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durchgebracht. Im kommenden Jahr sind Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen von insgesamt sechs Milliarden Euro eingeplant. Unter anderem sollen drastische Einschnitte bei den Sozialleistungen, einschließlich Pensionen sowie Arbeitslosen- und Kindergeld, für Entlastung im Budget sorgen.
Die Abstimmung im Parlament war in mehrere Einzelpakete aufgeteilt worden, die entweder eine klare Mehrheit bekamen oder sogar ohne Abstimmung gebilligt wurden. Über weitere zum Haushalt gehörende Posten wird in den kommenden Tagen entschieden.
Offensichtlich hatten sich auch einzelne Parlamentarier der Opposition der Regierung von Ministerpräsident Brian Cowen angeschlossen. Seine Koalition hat nur eine Mehrheit von zwei Stimmen, bei den einzelnen Abstimmungen hatte die Regierung eine Mehrheit von bis zu fünf Stimmen. Ein unabhängiger Abgeordneter hatte zuvor angekündigt, er werde bei allen Haushaltsabstimmungen mit der Koalition aus Cowens Fianna-Fáil-Partei und Grünen stimmen.
"Wer mehr zahlen kann, zahlt mehr"
Finanzminister Brian Lenihan hatte zuvor dem Parlament den Nothaushalt für 2011 vorgestellt. Demnach sollen 4,5 Milliarden Euro eingespart und 1,5 Milliarden Euro zusätzliche Steuern erhoben werden. Der Minister sagte den Abgeordneten, er glaube, dass die irische Konjunktur trotz des Sparkurses wieder zulegen werde. Allerdings hätten alle 4,5 Millionen Einwohner "traumatische und beunruhigende Zeiten" vor sich. Die Iren müssen aber nicht nur im kommenden Jahr mit tiefen Einschnitten rechnen. Bereits im November hatte die Regierung einen Vierjahresplan vorgelegt, der Einsparungen von 15 Milliarden Euro bis 2014 vorsieht.
"Jeder zahlt, und wer mehr zahlen kann, zahlt mehr", sagte Lenihan. So büßt auch der Ministerpräsident 14.000 Euro jährlich beim Einkommen ein, die Minister 10.000 Euro. Gehälter im Öffentlichen Dienst erhalten generell eine Obergrenze von 250.000 Euro.
In diesem Jahr wird das irische Haushaltsdefizit den Rekordwert von 32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen - das größte Defizit im Euro-Raum. Im kommenden Jahr soll es auf zwölf Prozent reduziert werden. Lenihan hofft auch auf ein leichtes Wachstum zur Verbesserung der Haushaltslage. Einem nur ganz leichten Aufschwung im laufenden Jahr solle dann ein Plus von durchschnittlich 2,75 Prozent in den Jahren 2011 bis 2014 folgen.
Die Vorsitzenden der Oppositionsparteien im Parlament kritisierten den Haushaltsentwurf der Regierung vor der Abstimmung scharf. Die Regierung wolle eine jahrelange Deflation in kurzer Zeit in Wachstum umdrehen. Dafür gebe es kein Beispiel in einer modernen Gesellschaft, sagte Joan Burton von der Labour-Partei. Pearse Doherty von Sinn Féin sagte: "Dieser Haushalt ist ökonomischer Selbstmord." Er warf Premierminister Cowen vor: "Sie verkaufen das irische Volk."
"Wir müssen den Teufelskreis durchbrechen", sagte dagegen Lenihan. Er betonte, dass nicht nur der irische Staat, sondern auch die Banken selbst und deren Anteilseigener für die Bankenkrise in Irland Milliardenbeträge aufbringen mussten. Irland war vor allem durch die Rettung seiner vor dem Kollaps stehenden Geldkonzerne in die finanzielle Schieflage geraten.
EU-Finanzminister beschließen offiziell Milliardenhilfen
Irland muss sein Rekorddefizit auch deshalb unter Kontrolle bringen, weil davon die Finanzhilfe der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds (IWF) abhängt. Die Republik ist das erste Land, das unter den Euro-Rettungsschirm mit einem Volumen von 750 Milliarden floh. Für Griechenland war zuvor ein separates Rettungspaket vereinbart worden.
Dublin hat nach den Brüsseler Beschlüssen nun bis 2015 Zeit, sein Defizit unter die erlaubte Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu bringen - die bisherige Frist war 2014. Ab Januar kann Irland auf die Milliardenhilfen aus dem Notpaket bauen, das bereits Ende November auf den Weg gebracht worden war. Die EU-Finanzminister gaben nun offiziell ihre Zustimmung. "Das ist ein wichtiger Schritt", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Der Chef des Euro-Krisenfonds, Klaus Regling, zeigte sich überzeugt, dass hochverschuldete Länder wie Irland und Griechenland nach schmerzhaften Einschnitten deutlich besser dastehen werden, "um sich wieder aus eigener Kraft refinanzieren zu können". Ein Drittel des Irland-Rettungspakets übernimmt der Euro-Rettungsfonds EFSF. Regling mahnte erneut: "Es ist klar: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss verschärft, konsequenter angewendet und ergänzt werden."
IWF-Chef befürchtet zweigeteiltes Europa
IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat derweil die Europäische Union zu einer umfassenden Lösung der Schuldenkrise aufgefordert - andernfalls bestünde die Gefahr, dass Europa in zwei Teile zerfalle. Strauss-Kahn erklärte am Dienstag bei einem Besuch in Griechenland, die EU solle ihre von der Finanzkrise betroffenen Mitgliedstaaten nicht als Einzelfälle behandeln. "Es besteht das Risiko großer Schwierigkeiten", sagte er mit Hinweis auf die verschiedenen Wachstumsraten in der Euro-Zone: "Die Salami-Taktik ist kein gutes Herangehen", mahnte Strauss-Kahn in Athen. Die Lage sei ernst. "Ich glaube aber nicht, dass das Risiko besteht, dass Deutschland, wie ich manchmal in den Zeitungen lese, den Euro verlässt oder so ähnlich."
Auch die unter wachsendem Druck stehenden Schuldenländer der Euro-Zone rufen immer lauter nach neuen Instrumenten zur Abwehr einer Staatspleite. Portugal schloss sich am Dienstag der Forderung Italiens und Luxemburgs an, die Staatsschulden künftig über gemeinsame Euro-Anleihen zu finanzieren.
Deutschland als Marktführer bei europäischen Staatsanleihen, Österreich und die Niederlande lehnen Euro-Bonds aus Sorge über steigende Zinsen ab, auch einen größeren Schutzschirm befürworten sie nicht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble forderte, unnütze Diskussionen über neue Initiativen einzustellen und das umzusetzen, was schon beschlossen sei. Der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), Andreas Schmitz, warnte, die Staaten hätten mit Euro-Bonds keinen Anreiz mehr, von ihren Schulden herunterzukommen.
Strauss-Kahn hatte mit den Finanzministern bereits am Montag diskutiert und ihnen nahegelegt, den Schutzschirm von aktuell 750 Milliarden Euro zu vergrößern. Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker berichtete nach der Sitzung knapp, derzeit sei dies nicht notwendig. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy schloss für die Zukunft nicht aus, dass eine Aufstockung in Betracht gezogen werden könnte. Im Moment gebe es aber keinen Grund dafür, die Mittel reichten zur Stützung weiterer Länder aus.