Euro-Krise Märkte zweifeln an der Finanzkraft des Rettungsschirms

Bundesbank-Chef Weber: Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt
Foto: THOMAS PETER/ REUTERSBerlin - Bundesbank-Präsident Axel Weber hat es nicht leicht in diesen Tagen. Angesichts hypernervöser Märkte zählt plötzlich jedes Wort. Jede Dehnung und jede Pause werden bedeutungsschwer, wie weiland bei Alan Greenspan. Nur: Weber hat darin wesentlich weniger Übung als der legendäre US-Notenbank-Chef. Und so blieben die Interpretation auf seine Worte für ihn auch kaum kontrollierbar: Jeder versteht sie nur als Warnung vor dem nächsten großen Problem.
So kam es auch, dass trotz der in Aussicht gestellten Hilfen durch den Euro-Rettungsfonds sind die Zinsen für langfristige irische Anleihen bis zum frühen Nachmittag auf einen neuen Rekordstand kletterte. Am Donnerstag überstiegen die Zinsen für zehnjährige Schuldverschreibungen erstmals seit der Euro-Einführung in Irland die Marke von neun Prozent, nachdem sie am Mittwochabend noch bei 8,864 Prozent gelegen hatten. Und das, obwohl die Regierung in Dublin am Mittwoch ein Sparpaket von 15 Milliarden Euro bis 2014 verkündet hatte, um den Weg für massive Hilfen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) freizumachen.
Etwas schwächer stiegen die Renditen in Portugal und Griechenland, wo sie für zehnjährige Titel bei 6,87 Prozent und 11,8 Prozent liegen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Rendite nur bei gut 2,7 Prozent.
Auch die Zinsen für Anleihen anderer Staaten mit Finanzproblemen stiegen weiter. Der Aufschlag für spanische Staatspapiere mit zehn Jahren Laufzeit stieg auf 5,190 Prozent, nachdem sie am Mittwoch erstmals seit 2002 über der Fünf-Prozent-Marke notiert hatten. Bei Portugal wurde nochmals ein geringfügiger Anstieg auf 7,020 Prozent verzeichnet.
Zweifel an der Finanzkraft des Rettungsschirms
Die Reaktionen auf das Signal der Investoren wirkten denn auch ein wenig hilflos. Weber deutete am Donnerstag in Berlin an, im äußersten Notfall könne der 750 Milliarden Euro schwere Rettungsschirm noch einmal aufgestockt werden. Um anschließend jedoch zu betonen, dass er einen solchen Schritt für denkbar unwahrscheinlich hält.
Mit den Rettungspaketen für Griechenland (110 Milliarden Euro) und andere Euro-Länder (750 Milliarden Euro) sowie dem Kauf von Staatsanleihen stünden öffentliche Hilfen von insgesamt 925 Milliarden Euro bereit, sagte Weber. Dem stünden Maximalausfälle von 1070 Milliarden Euro gegenüber. Wegen einer solchen Differenz aber werde der Euro nicht scheitern.
Dennoch - die Zweifel an der Finanzkraft des Rettungsschirms waren gesät. Schon machten Meldungen die Runde, dass die EU-Kommission ernsthaft über eine Verdoppelung der Summe diskutiere. Das "Wall Street Journal" berief sich in seinem Online-Dienst vom Donnerstag mit dieser Darstellung auf Personen, die mit dem Thema vertraut seien. Auch die Zeitung "Die Welt" berichtete von ähnlichen Bestrebungen ohne Nennung von Quellen. "Absolut falsch", sagte dazu ein Sprecher der EU-Kommission.
Der Chef des Euro-Rettungsfonds Klaus Regling hält einen solchen Schritt ebenfalls für unnötig. Der Rettungsschirm sei groß genug für alle, betonte er in der "Bild"-Zeitung.
Neue Stresstests angekündigt
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte trotz der Turbulenzen an den Märkten ihre Pläne für einen solchen Mechanismus. Sie stellte zugleich klar, dass die angestrebte Beteiligung privater Geldgeber an der Sanierung eines Schuldenstaates erst nach 2013 greifen solle. An den aktuellen Euro-Rettungsschirmen werde nicht gerüttelt. "Alles bleibt so, wie es vereinbart ist", sagte sie.
Die EU-Kommission hatte noch eine andere Beruhigung für die Märkte parat: Ab Anfang 2011 würden sich die europäischen Banken einer neuen Runde sogenannter Stresstests unterziehen müssen, sagte eine Kommissionssprecherin: "Die Tests werden künftig jährlich gemacht, beginnend mit Anfang nächsten Jahres".
Die Beschwörungen entfalteten trotzdem nur eine geringe Wirkung, das war nicht nur an den Anleihe-Renditen sichtbar, sondern auch an der Kursentwicklung des Euro. Die Gemeinschaftswährung kam am Donnerstag mit 1,3370 Dollar nach 1,3330 Dollar zum Vortagessschluss kaum vom Fleck. Auch das am Mittwoch markierte Zwei-Monats-Tief von 1,3284 Dollar blieb in Sichtweite.
"Die Erwartung vieler Politiker, man könne mit einem schnellen Hilfsantrag Irlands und dessen Genehmigung den Fokus des Marktes weg von der Schuldenkrise lenken, war ganz offensichtlich falsch", schrieben die Analysten der Commerzbank in ihrem Marktkommentar. "Steigende Spreads in Portugal, Spanien und Griechenland machen deutlich: Der Markt zweifelt am europäischen Rettungsschirm."