Euro-Krise Top-Ökonom hält Griechenland-Pleite für unausweichlich

Neue Gelder und Sparpakete für Griechenland? Verschenkt, meint der Ökonom Stefan Homburg im SPIEGEL-Interview. Der Staatsbankrott sei unausweichlich - mit schlimmen Folgen für die EU. Finanzminister Wolfgang Schäuble bereitet sich schon für den Ernstfall vor - hält eine Pleite aber für beherrschbar.
Proteste vor dem griechischen Parlament: "Irgendwann wird das System gesprengt"

Proteste vor dem griechischen Parlament: "Irgendwann wird das System gesprengt"

Foto: Lefteris Pitarakis/ AP

Hamburg - Wenn es um Griechenland geht, ist das "P"-Wort für Europas Staats- und Regierungschefs bislang ein Tabu. Jede Frage nach einer möglichen Pleite des europäischen Sorgenkinds schmettern Politiker ab: "So weit wird es nicht kommen", lautet der allgemeine Tenor. Doch das ist nach Ansicht des Finanzwissenschaftlers Stefan Homburg verlogen. Der eingeschlagene Weg der Euro-Rettung ende ganz klar "letztlich in Staatsbankrott und Währungsreform", sagte der Hannoveraner dem SPIEGEL.

Diese Tatsache sei inzwischen auch vielen Politikern klar, sagte Homburg. "Dieser Prozess ist schon jetzt unumkehrbar, doch will das niemand laut sagen und als derjenige ins Geschichtsbuch eingehen, der den Knall ausgelöst hat." Daher überlasse man den Offenbarungseid späteren Regierungen und werfe einstweilen gutes Geld schlechtem hinterher. "Irgendwann, das ist sicher, wird das System durch politische und ökonomische Faktoren gesprengt. Und leider besteht die große Gefahr, dass dann nicht nur der Euro zerbricht, sondern die EU insgesamt."

Finanzminister Wolfgang Schäuble räumte nun ein, dass die Euro-Länder vorsorgten - für den unwahrscheinlichen Fall, dass das griechische Parlament das Sparpaket ablehnt und das Land zahlungsunfähig wird. "Wir setzen alles daran, eine krisenhafte Zuspitzung für Europa zu verhindern, müssen aber gleichzeitig auf alles vorbereitet sein", sagte Schäuble der "Bild am Sonntag". Es sei ihre Verantwortung, sich auch für den Fall der Zahlungsunfähigkeit vorzubereiten.

Der CDU-Politiker betonte zugleich, dass er die Folgen einer Pleite Griechenlands für beherrschbar hält. "Wenn es anders kommt, als alle glauben, dann wäre es schon ein größerer Störfall. Aber: Auch 2008 war die Welt in der Lage, gegen eine globale und nicht vorhersehbare Finanzmarktkrise koordiniert vorzugehen", sagte Schäuble. Natürlich habe die Krise schwere Auswirkungen gehabt, doch sei sie gemeistert worden. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt war damals um 4,7 Prozent eingebrochen.

Schäuble warnte das griechische Parlament dennoch eindringlich davor, das Sparpaket bei der Abstimmung am Mittwoch scheitern zu lassen. Sollten sie die Sparmaßnahmen der Regierung nicht verabschieden, könnten der Internationale Währungsfonds (IWF), die Euro-Länder und die EU die nächste Tranche der Hilfsgelder nicht freigeben. Damit wäre die Stabilität der Euro-Zone als Ganzes in Gefahr. "Wir müssten schnell dafür sorgen, dass die Ansteckungsgefahr für das Finanzsystem und andere Euro-Staaten eingedämmt würde", sagte Schäuble.

Regierung spricht mit Banken über fünfjährige Laufzeitverlängerung

Zugleich laufen die Rettungsmaßnahmen für Griechenland auf Hochtouren. Deutschlands Großbanken sollen laut einem Zeitungsbericht bis zu diesem Sonntag der Regierung mitteilen, in welchem Umfang sie zu Laufzeitverlängerungen für griechische Anleihen bereit sind. Die Koalition erwarte Zugeständnisse zu einer Verlängerung von bis zu fünf Jahren, berichtet die "Welt am Sonntag". Am Freitag habe der Bundesverband deutscher Banken die Federführung bei den Gesprächen zwischen der Regierung und den Privatbanken übernommen.

FDP-Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle sagte der Zeitung: "Das Geschäftsmodell, nur höhere Zinsen zu verlangen, bei drohender Insolvenz aber einen eigenen Sanierungsbeitrag zu verweigern und die Kosten einer Insolvenz allein auf Dritte abzuwälzen, funktioniert nicht." Die Folgen einer Staatspleite und damit verbundener Gefahren für alle Anleger könnten auch die Banken nicht wollen.

Ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes sagte, manche Institute hätten entgegen den Versprechen des vergangenen Jahres ihre Bestände an griechischen Anleihen nicht gehalten. Jetzt dürften nicht jene Institute benachteiligt werden, die sich an die Absprachen gehalten hätten.

yes/AFP/AP
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