Euro-Sondergipfel Europa hofft auf das große Friedenskuscheln

Sarkozy, Merkel: Die quälende Diskussion endlich beenden
Foto: Maurizio Gambarini/ dpaIn Krisensituationen ist es ein bewährtes Ritual: Unmittelbar vor dem Sondergipfel der 17 Euro-Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel trafen sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy zum Vorgespräch. Die Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsident speisten am Mittwoch in Berlin zusammen zu Abend, um eine gemeinsame deutsch-französische Linie festzulegen.
Die Zweiergipfel werden immer dann abgehalten, wenn in Europa nichts mehr geht. Die Debatte um ein zweites Hilfspaket für Griechenland ist seit Wochen festgefahren. Alle Augen sind daher auf Merkel und Sarkozy gerichtet: Sie sollen die quälende Diskussion endlich beenden.
Und tatsächlich: Die beiden Regierungschefs einigten sich auf eine gemeinsame Position, wie man private Gläubiger an der Griechenland-Rettung beteiligen kann. Details der siebenstündigen Verhandlungen in Berlin wurden zunächst nicht bekannt.
Klar ist nur, dass Merkel den Wunsch der Franzosen, eine Bankenabgabe einzuführen, ablehnt. Sarkozy will mit einer europäischen Finanzsteuer weitere Hilfen für Griechenland finanzieren. Die Bundesregierung lehnt das ab, weil eine Umsetzung in allen 27 EU-Ländern Jahre dauern könnte und zudem alle Banken betroffen wären - auch solche, die gar keine griechischen Anleihen haben. Der Plan ist nun vom Tisch. "Ich rechne heute nicht mit einer Einigung auf eine Bankenabgabe", sagte Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker vor Beginn des Euro-Sondergipfels.
Stellt sich nun die Frage, inwieweit Banken und Versicherungen an der Rettung beteiligt werden. Auch der Chef der europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, nahm an dem Treffen von Merkel und Sarkozy in Berlin teil. Er warnt davor, private Gläubiger an dem Rettungspaket für Griechenland zu beteiligen. Denn würden die Rating-Agenturen das Land in der Folge für zahlungsunfähig erklären, könne die EZB griechischen Banken kein Geld mehr leihen - weil sie die Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren dürfte. Deutschland und Frankreich sind laut einem Bericht der ARD nun übereingekommen, bei neuen Hilfen für Griechenland nicht gegen die Interessen der EZB zu handeln.
Merkel hasst es, unter Druck gesetzt zu werden
Der Kompromiss des deutsch-französischen Duos - wie er auch im Detail aussehen mag - muss nun die Zustimmung der Partner in Brüssel finden. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hatte den Sondergipfel einberufen, um noch vor der Sommerpause ein beruhigendes Signal an die Finanzmärkte zu senden. Die Unsicherheit darüber, wie die Europäer Griechenland vor der Staatspleite bewahren wollen, hatte die Risikoaufschläge auf spanische und italienische Staatsanleihen auf bedrohliche sechs Prozent steigen lassen.
Offenbar aber nahmen die Anleger das Signal aus Berlin positiv auf. Vor dem Treffen sind die Risikoaufschläge von Staatsanleihen aus den angeschlagenen südeuropäischen Staaten Spanien, Italien und Griechenland gesunken. Die Rendite von zehnjährigen italienischen Anleihen sank um 0,07 Prozentpunkte auf 5,497 Prozent. Zehnjährige spanische Anleihen gaben um 0,06 Prozentpunkte auf 5,881 Prozent nach.
Die klare Einigung beim Sondergipfel könnte die Märkte weiter beruhigen. Schließlich hat es bereits zahllose Krisengipfel zur Euro-Rettung gegeben, ohne dass die Lage sich gebessert hätte. Die Bundesregierung stand der Idee eines Sondertreffens daher von Anfang an skeptisch gegenüber. Nichts hasst Merkel mehr, als unter Erwartungsdruck gesetzt zu werden. Es gebe gegenwärtig eine große Sehnsucht nach einem spektakulären Schritt, hatte sie diese Woche gestöhnt. Doch die Euro-Rettung sei nun mal ein "Prozess aufeinander aufbauender Maßnahmen".
Obama drängt auf Eile
Mit dem nächsten Schritt, das hat Van Rompuy richtig erkannt, müssen sich die Europäer allerdings ein wenig sputen. Das zweite Hilfspaket für Griechenland muss endlich konkrete Formen annehmen. Am Dienstagabend hatte auch US-Präsident Barack Obama bei Merkel angerufen, um auf Eile zu drängen. Die US-Regierung fürchtet eine Ausweitung der Euro-Krise nicht weniger als die Europäer, weil die Konsequenzen für die Weltwirtschaft unberechenbar wären.
Eine grundsätzliche Zusage für ein zweites Hilfspaket haben die EU-Regierungschefs beim letzten Gipfel Ende Juni bereits gegeben. Im Gespräch sind Hilfen von bis zu 120 Milliarden Euro. Umstritten ist jedoch die Frage, wie private Gläubiger beteiligt werden sollen und ob ein teilweiser Schuldenerlass nötig ist. In den vergangenen Wochen wurden immer wieder drei Modelle diskutiert, wie das griechische Schuldenproblem gelöst werden könnte.
- Die privaten Gläubiger (Banken und Versicherungen) tauschen ihre Anleihen in neue Papiere mit niedrigen Zinssätzen um oder verlängern die Laufzeiten ihrer existierenden Anleihen (Swap oder Roll Over). Vorteil: Griechenlands akute Finanzierungsprobleme wären vorerst abgewendet, und der Beitrag der europäischen Steuerzahler am Rettungspaket wäre reduziert. Nachteil: Der griechische Schuldenberg würde nicht geringer, und die Rating-Agenturen würden dieses Vorgehen als Kreditausfall werten.
- Banken werden über eine neue Bankenabgabe an den Kosten des Rettungspakets beteiligt. Vorteil: Rating-Agenturen könnten keinen Kreditausfall feststellen. Nachteile: Der griechische Schuldenberg würde nicht verringert. Die Sondersteuer wäre schwer durchsetzbar. Das ist nun kein Thema mehr.
- Der europäische Rettungsfonds EFSF gibt Griechenland Kredite, um den Banken und Versicherungen griechische Anleihen zum Marktwert abzukaufen. Die Gläubiger erlitten einen Verlust von derzeit 40 Prozent. Der Vorteil: Griechenlands Staatsschuld würde deutlich verringert. Der Nachteil: Rating-Agenturen würden den Kreditausfall feststellen, vom Schuldenschnitt betroffene Banken müssten mit Kapitalspritzen versorgt werden.
Für das Modell eines Schuldenrückkaufs durch den EFSF machten sich am Mittwoch die fünf Wirtschaftsweisen der Bundesregierung stark. In einem "FAZ"-Gastbeitrag schrieben sie, die bisherige Strategie der Euro-Regierungschefs beruhe auf dem "Prinzip Hoffnung": Sie erwarteten, dass die Finanzhilfen irgendwann zurückgezahlt werden. Weil das kaum passieren werde, sei es nun jedoch Zeit für den Plan B. Griechenland brauche den teilweisen Schuldenerlass, um wieder auf die Beine zu kommen.
Laut dem Institut der deutschen Wirtschaftsprüfer würde ein Schuldenerlass von 30 Prozent die deutschen Banken und Versicherungen sieben Milliarden Euro kosten. Die am stärksten betroffenen Banken könnten auf Finanzspritzen aus dem EFSF hoffen. Letztlich würden die Griechenland-Verluste so vom europäischen Steuerzahler übernommen.
Es wäre jedoch ein kleines Wunder, wenn der Sondergipfel einen so weitreichenden Schritt beschließen würde. Merkel hält nichts von einem Schuldenerlass, sie fürchtet den Zorn der Wähler. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) ist strikt dagegen. Die Notenbanker wollen es nicht riskieren, dass die Rating-Agenturen den Zahlungsausfall Griechenlands feststellen, weil sie einen Domino-Effekt in der Euro-Zone befürchten.