Unabhängigkeit von russischem Gas EU will mit Energieunion Milliarden sparen

Europa könnte der EU-Kommission zufolge jährlich 40 Milliarden Euro sparen, wenn es mehr Gas- und Stromleitungen hätte. Eine Energieunion soll die EU künftig besser vernetzen und unabhängiger von russischem Gas machen.
EU-Energiekommissar Canete: Sparmöglichkeit 40 Milliarden Euro jährlich

EU-Energiekommissar Canete: Sparmöglichkeit 40 Milliarden Euro jährlich

Foto: AP/dpa

Brüssel - Mehr Strom- und Gasleitungen zwischen den Staaten könnten Europa nach EU-Berechnungen jedes Jahr Einsparungen in zweistelliger Milliardenhöhe bringen. "Europa verliert jährlich bis zu 40 Milliarden Euro, weil es keinen verflochtenen Energiemarkt hat", sagte Energiekommissar Miguel Arias Canete am Mittwoch in Brüssel bei der Vorstellung des Konzepts zur "Energieunion". Diese Summe entspricht rund 80 Euro pro Einwohner im Jahr.

Ziel sei es, etwa beim Strom grenzüberschreitende Leitungen zu bauen, die einen Austausch von etwa zehn Prozent der Produktion möglich machten. Dies würde etwa 40 Milliarden Euro kosten, die Investitionskosten würden mit der engeren Verflechtung aber schnell wieder eingespielt. Insgesamt bezifferte Canete die nötigen Aufwendungen für Ausbau- und Modernisierung der Energie-Infrastruktur der EU auf 200 Milliarden Euro bis 2020.

Energieimporte kosten eine Milliarde Euro pro Tag

Zwölf Mitgliedstaaten seien besonders schlecht mit den Nachbarn verbunden, heißt es im Bericht von Canete. Dies seien neben Inselstaaten wie Großbritannien, Irland, Malta und Zypern das Baltikum, aber auch die iberische Halbinsel mit Spanien und Portugal. Die bessere Vernetzung würde nicht nur die Integration von Ökostrom etwa aus Wind oder Sonne vereinfachen, der je nach Wetter starke Überschüsse oder auch Strommangel verursache. Bei der Gas- oder Ölversorgung könne so auch die Abhängigkeit von Russland verringert werden, eines der Kernziele der EU.

Derzeit muss Europa mit 53 Prozent mehr als die Hälfte seiner Energie importieren, beispielsweise Erdgas aus Russland und zahlt dafür laut EU-Kommission mehr als eine Milliarde Euro pro Tag. Die Energieunion, eins der Hauptprojekte der neuen Kommission von Jean-Claude Juncker, will die jetzige Situation mit einem großen Bündel neuer Maßnahmen ändern. Diese reichen von Schiefergas über Atomkraft bis zu Windrädern, von freiwilligen Maßnahmen bis zur Überarbeitung und Durchsetzung von Gesetzen.

EU will Gaseinkäufe bündeln

Eine Maßnahme, die schon vorab im Fokus stand, ist die Bündelung von Gaseinkäufen im Ausland. Wenn sich die Einkäufer aus Europa zusammentun, so der Gedanke, können sie gegenüber den Gaslieferanten geschlossener und damit stärker auftreten. Allerdings gibt es auch skeptische Stimmen. Aus der CDU-Gruppe im Europäischen Parlament kam der Vorbehalt, "Zwangszusammenschlüsse" der Einkäufer widersprächen der freien Marktwirtschaft.

Gas nimmt in der Energieunion generell einen wichtigen Platz ein. Die Kommission will unter anderem die Infrastruktur für verflüssigtes Gas (LNG), das in Schiffen transportiert wird, vorantreiben. So ließen sich Versorgungsengpässe entschärfen, die durch den Streit um Pipelines entstehen. Erdgas hat den Vorzug, anders als Sonne oder Wind je nach Bedarf Energie zu erzeugen, zudem verbrennt es nicht so klimaschädlich wie beispielsweise Braunkohle.

Umweltschützer kritisieren Gasschwerpunkt

Allerdings ist der Schwerpunkt, den die Energieunion auf das Gas legt, für Umweltschützer eher ein Schwachpunkt. Sie würden lieber etwas anderes stärker im Mittelpunkt sehen. "Wenn Europa das volle Potenzial von Energieeinsparungen und Erneuerbaren ausnutzen würde, wären viel höhere Einschnitte bei den Emissionen möglich", teilte die Organisation Friends of the Earth mit. Dann könne die Abhängigkeit von fossilen Energien, ob Kohle, Öl oder Gas, generell überwunden werden.

Ähnlich kritisiert Greenpeace die Vorschläge, die auch einen Fahrplan für die Weltklimaverhandlungen in Paris im kommenden Dezember enthalten. "Die Kommission sagt, dass sich die EU von den fossilen Brennstoffen wegbewegen sollte, aber sie will zugleich neuen Gasversorgern hinterher jagen und sortiert die Kohle nicht aus", urteilte Greenpeace.

nck/AFP/dpa
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