Rückgang Europas Banken sitzen auf 950 Milliarden Euro fauler Kredite

Wie viele faule Kredite schlummern noch in Europas Geldhäusern? Die EU-Kommission zählt fast eine Billion Euro. Immerhin: Die Banken machen Fortschritte - selbst die italienischen. Nur Griechenlands Geldhäuser finden keinen Ausweg.
Monte dei Paschi in Siena

Monte dei Paschi in Siena

Foto: Max Rossi/ REUTERS

Europas Banken bauen in rasantem Tempo faule Kredite ab, selbst die italienischen Institute machen Fortschritte - doch die Geldhäuser in Griechenland finden keinen Ausweg aus ihrer Dauerkrise.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Europäische Kommission am Donnerstag in Brüssel vorstellte. Demnach sank der Anteil ausfallgefährdeter Darlehen am gesamten Kreditbestand zwischen Juni 2016 und Juni 2017 von 5,6 auf 4,6 Prozent. Als ausfallgefährdet gelten Kredite, deren Rückzahlung 90 Tage oder länger überfällig ist. Je weniger von ihnen in den Bankbilanzen schlummern, desto leichter können die Institute Kredite vergeben und die heimische Wirtschaft ankurbeln.

Auch wenn die absolute Summe fauler Kredite mit 950 Milliarden Euro noch immer gigantisch ist: Der Trend ist positiv. Und dass die Kommission ihren Fortschrittsbericht jetzt präsentiert, ist kein Zufall: Schließlich soll er politischen Rückenwind geben in der Debatte um weitere Strukturreformen in Europa, zu denen auch die sogenannte Bankenunion gehört.

Vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dringt auf vertiefte Zusammenarbeit. Die GroKo-Sondierer von Union und SPD stehen seinen Avancen durchaus offen gegenüber - offener jedenfalls, als es in einer Jamaika-Koalition mit der FDP möglich gewesen wäre. So befürwortet auch der amtierende Bundesfinanzminister Peter Altmaier (CDU) den Ausbau der Bankenunion. Zugleich mahnt er den Abbau von Bilanzrisiken an und geht damit auf Ängste der deutschen Bankenlobby vor einer gemeinsamen Einlagensicherung in Europa ein, vor der etwa auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnt.

Deutsche Banken lahmen

Um insbesondere die deutschen Ängste zu kontern, versucht die Kommission nun, mit (semi)-aktuellen Zahlen zum Bilanzabbau der Banken zu überzeugen. Die Spanne zwischen den einzelnen Mitgliedsländern bleibt jedoch erheblich. So konnten die deutschen Banken ihre Quote von 2,8 auf lediglich noch 2,3 Prozent verbessern. Faule Kredite waren allerdings noch nie das größte Problem hiesiger Institute, die dafür unter zu hohen Kosten und niedrigen Erträgen leiden.

Dramatischer ist die Lage in Griechenland, wo die Quote mit 46,9 (zuvor 47,2) Prozent praktisch stagnierte. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Nahezu alle EU-Länder profitieren von einem breiten Wirtschaftsaufschwung, was sich wiederum positiv auf die Kreditqualität niederschlägt; Griechenlands Konjunktur wuchs dagegen zuletzt nur marginal.

Zudem finden die Banken immer leichter Käufer für ihre Kredite, allen voran Private-Equity- und Hedge-Fonds, die vor Liquidität fast platzen. Deren Kalkül: Sie kaufen die Kredite den Banken mit Abschlägen ab, treiben das Geld ein und verdienen an der Differenz. Das gelingt in einigen Ländern besser, in anderen schlechter - wie eben in Griechenland.

Kreditverkäufe bleiben Gratwanderung

Das Land mit der absolut betrachtet größten Masse fauler Kredite bleibt Italien. Ein Viertel bis ein Drittel aller notleidenden Darlehen entfalle auf das Land, teilte die Kommission mit - was insofern ein Fortschritt ist, als vor wenigen Jahren Italiens Banken noch rund die Hälfte aller toxischen Kredite in ihren Büchern hatten. Immerhin sank die Quote im Betrachtungszeitraum von 16,2 auf 12,2 Prozent. Ende 2015 hatte sie noch gut 18 Prozent betragen.

Allein Unicredit, Italiens zweitgrößte Bank, konnte 2017 einen 17,7 Milliarden Euro großen Kreditblock losschlagen. Banca Monte dei Paschi di Siena - Europas größte Krisenbank - hat den Verkauf von Darlehen im Nominalwert von 26,1 Milliarden Euro angekündigt.

Beflügelt wird der Abverkauf fauler Kredite in Italien vor allem vom milliardenschweren "Atlante"-Fonds, an dem zahlreiche private Investoren beteiligt sind. 2017 erwarb der inzwischen in Italian Recovery Fund umbenannte Fonds mit 31 Milliarden Euro mehr als die Hälfte aller zum Verkauf gestellten Problemdarlehen. 2018 soll daher ein weiterer Fonds für in- und ausländische Investoren aufgelegt werden.

Doch bei allem zur Schau gestellten Optimismus: Kreditverkäufe sind immer auch eine Gratwanderung für Banken. Denn um Investoren Abschläge bieten zu können, müssen sie die Darlehen zunächst in der Bilanz wertberichtigen. Das wiederum drückt ihre Eigenkapitalquoten und damit ihre Fähigkeit, Kredite zu vergeben, ganz abgesehen von der Notwendigkeit, die aufsichtsrechtlichen Kapitalvorgaben einhalten zu müssen. So weist die EU-Kommission darauf hin, dass die Preisvorstellungen der Banken und der potenziellen Investoren in Italien um bis zu 20 Prozent voneinander abweichen.

Anders ausgedrückt. Noch immer ist der Wertberichtigungsbedarf in den Bilanzen der italienischen Banken erheblich - und die Gefahr für Kontinentaleuropas drittgrößte Volkswirtschaft mitnichten gebannt.

Zusammengefasst: Europas Kreditinstitute machen Fortschritte beim Abbau fauler Kredite. Dennoch ist das Volumen nach wie vor sehr groß. Insbesondere italienische und griechische Geldhäuser bereiten Sorgen. Dass die Kommission ihren Bericht jetzt präsentiert, ist kein Zufall: Er soll politischen Rückenwind geben in der Debatte um weitere Strukturreformen in Europa, zu denen auch die sogenannte Bankenunion gehört.

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