Reaktionen auf EZB-Beschluss "Das ist brandgefährlich"
Die Europäische Zentralbank pumpt noch mehr Geld in die Märkte. Ökonomen reagieren besorgt: Draghis Kurs "zerstört Vertrauen", monieren sie. "Die Sparer werden enteignet."
EZB-Zentrale in Frankfurt am Main
Foto: Boris Roessler/ picture alliance / dpaFinanzexperten reagieren besorgt auf die neue geldpolitische Lockerung der Europäischen Zentralbank (EZB). Für die deutsche Bevölkerung sei die Entscheidung katastrophal, sagt Anton Börner, der Präsident des Exportverbandes BGA. "Die Sparer werden enteignet. Politisch birgt das einen großen Sprengsatz, wenn man das mit der Flüchtlingskrise zusammentut. Das ist brandgefährlich."
"Die heute vom EZB-Rat beschlossenen Maßnahmen zur Ausweitung der Liquidität werden nicht die gewünschte Wirkung zeigen", moniert Andreas Bley, der Chefvolkswirt des Bankenverbands BVR. "Noch mehr billiges Geld und noch niedrigere Zinsen führen nicht zu mehr Investitionen. Im Gegenteil: Die bizarre Welt der negativen Zinsen verunsichert Unternehmen und Verbraucher."
Die Europäische Zentralbank hatte den Leitzins am Donnerstag erstmals auf null Prozent gesenkt und ihre monatlichen Anleihenkäufe von 60 auf 80 Milliarden Euro erhöht. Zudem müssen Banken künftig einen Strafzins von 0,4 Prozent zahlen, wenn sie überschüssiges Geld bei der EZB parken wollen, bislang lang des Strafzins bei 0,3 Prozent.
"Die EZB hat die von ihr selbst geschürten Erwartungen noch übertroffen", sagte Gertrud Traud, Chefökonomin der Helaba. Doch das sei nicht positiv. Die EZB bewege sich mittlerweile außerhalb ihres Mandats. "Die Grenzen zur direkten Staatsfinanzierung werden fließend", sagte Traud. "Die Entscheidung von heute war ein weiterer Schritt in die falsche Richtung."
Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank, sagte: "Doktor Draghi hat die Dosis deutlich erhöht." Doch seine Geldpolitik werde kaum in der Realwirtschaft ankommen. "Denn die Nebenwirkungen sind massiv. Das Produktivitätswachstum lässt nach, weil auch unrentable Investitionen wegen der niedrigen Zinsen attraktiv erscheinen. Es steigt das Risiko, dass es in Deutschland am Immobilienmarkt zu Überhitzungen kommt."
Außerdem werde der Anreiz für Euroländer gesenkt, notwendige Reformen durchzusetzen, sagte Krämer. "Alles in allem verschlechtert diese lockere Geldpolitik langfristig die Rahmenbedingungen für die Unternehmen."
Otmar Lang, der Chefvolkswirt der Targobank, sieht die drastischen Maßnahmen als Eingeständnis, dass Draghis "Geldpolitik bislang die Wirkung verfehlt hat". Die Bilanz sei ernüchternd, sagt Lang. "So ist es der EZB nicht einmal gelungen, die am leichtesten von ihr zu beeinflussenden Indikatoren in die gewünschte Richtung zu drehen."
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