Europawahlprogramm SPD plant Spezialeinheit gegen Steuertrickser

SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley
Foto: Jörg Carstensen/ picture alliance/dpaNach der Abkehr von Hartz IV und den Plänen für eine Grundrente will die SPD auch in der internationalen Steuerpolitik ihr Profil schärfen. "Konzerne besteuern - Steuerkriminalität und Steuerdumping beenden" - so lautet der Titel des steuerpolitischen Teils des SPD-Programms für die Europawahl. Der zweiseitige Abschnitt liegt dem SPIEGEL vor.
Die SPD hat die Europawahl am 26. Mai zu einer "Schicksalswahl" erklärt, es sei die "wichtigste Wahl für unseren Kontinent in unserem Jahrzehnt", sagte Spitzenkandidatin Katarina Barley bei ihrer Nominierung im Herbst. Der Parteivorstand will den Entwurf für das Europawahlprogramm am Montag beschließen. Ein Parteikonvent soll das Programm dann am 23. März verabschieden.
Internationale Großkonzerne, die in Europa Milliarden erwirtschaften, sollen ihren "fairen Anteil für die solidarische Gesellschaft leisten", fordert die SPD im Programm. Es müsse Schluss sein "mit dem Wettlauf um die niedrigsten Unternehmensteuern zwischen den Mitgliedstaaten".
"Der kleine Bäcker soll wissen, dass auch der große internationale Konkurrent mit seiner Filiale an der Ecke Steuern zahlt", sagte Barley dem SPIEGEL. "Wir wollen den sozialen Zusammenhalt stärken und Europa zu einem sozialen Europa machen."
Die steuerpolitischen Forderungen des SPD-Programms im Überblick:
- Die unterschiedlichen Körperschaftsteuern innerhalb der EU sollen angeglichen werden. Dafür fordert die SPD eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Erhebung bei den Unternehmen. Dazu hat die EU-Kommission bereits einen Vorschlag vorgelegt, den Deutschland und Frankreich unterstützen.
- Mindeststeuersätze: Die SPD will ein Mindestniveau der Besteuerung vereinbaren. Damit will die Partei "den Steuerwettbewerb nach unten unterbinden".
- Für Internetgiganten wie Facebook und Google fordert die SPD eine Digitalsteuer: "Sollte eine weltweite Besteuerung von Facebook, Google und Co. bis 2020 nicht möglich sein, gehen wir das gemeinsam mit Frankreich auf europäischer Ebene an", sagte Barley. Die SPD vertritt in ihrem Programm damit die Position von Finanzminister Olaf Scholz, die Kritikern zu zögerlich ist.
- Der Kampf gegen Steuerflucht soll verschärft werden durch automatische Meldepflichten für Banken, das Einfrieren verdächtiger Guthaben, und verbesserte Strafverfolgung gegen Steuerhinterziehung.
- In der EU-Steuerpolitik will die SPD die Einstimmigkeitserfordernis abschaffen, stattdessen soll künftig eine Mehrheit der Staats- und Regierungschefs für Entscheidungen reichen. Zur Begründung heißt es: "Die Lähmung durch einzelne Mitgliedstaaten, die nur ihre Pfründe sichern wollen, muss aufhören." Das zielt auf EU-Länder wie Irland, Malta oder Zypern, die in der Vergangenheit mit niedrigen Steuersätzen Unternehmen anlockten und entsprechend wenig Interesse an einer Vereinheitlichung haben. Auf einen ähnlichen Vorstoß der EU-Kommission zur Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips reagierten diese Länder kürzlich denn auch mit klarer Ablehnung. Finanzminister Scholz hatte sich bislang nur für einen "behutsamen" Übergang zu Mehrheitsentscheidungen ausgesprochen.
- Im Kampf gegen Steuertricks wie die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte sollen Helfer wie Banken und Beratungsagenturen schärfer verfolgt werden, unter anderem durch den Aufbau einer Sondereinheit nach dem Vorbild von Großbritannien. Zwar ist der internationale Austausch von Steuerdaten in den vergangenen Jahren bereits verstärkt worden, dennoch hinkt der Staat der Kreativität professioneller Steueroptimierer oft hinterher. Ein aktuelles Beispiel ist das sogenannte Goldfinger-Modell einer britischen Firma, an der auch der Ex-Fußballnationaltorhüter Jens Lehmann beteiligt war. In Großbritannien gibt es bereits eine sogenannte Serial Avoiders Unit, die sich auf Wiederholungstäter bei der Steuervermeidung konzentriert.
- Zudem spricht sich die SPD zur Vermeidung internationaler Steuergestaltung für Transparenz aus und nennt in diesem Zusammenhang das sogenannte Country-by-Country-Reporting. Diese länderbezogenen Berichte multinationaler Konzerne werden bereits zwischen den Steuerverwaltungen ausgetauscht und sollen Gewinnerverlagerungen zwischen verschiedenen Standorten aufdecken. Kritiker fordern allerdings, diese Daten auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Scholz lehnt die Veröffentlichung mit dem Argument ab, sie könnte Länder von der Teilnahme an dem Austausch abhalten. Auch im SPD-Europawahlprogramm findet sich nun keine entsprechende Forderung.
- Zur Finanzierung ihrer europapolitischen Vorhaben will die SPD endlich die Finanztransaktionssteuer einführen. Über sie wird schon seit vielen Jahren diskutiert, bislang konnten sich die EU-Staaten jedoch auf kein Modell einigen. Die SPD spricht sich nun für eine Steuer nach französischem Vorbild aus, die deutlich weniger umfassend wäre als andere Konzepte.