Hans-Gert Pöttering Europa-Veteran beschenkt Karlsruher Richter

EU-Abgeordneter Pöttering: Das Prinzip "one man, one vote" gilt hier nicht

EU-Abgeordneter Pöttering: Das Prinzip "one man, one vote" gilt hier nicht

Foto: FRANCOIS MORI/ AP

Kürzlich bekam jeder der acht Richter des Zweiten Senats am Bundesverfassungsgericht ein Päckchen aus Brüssel. Absender der Päckchen war Hans-Gert Pöttering, Ex-Präsident des Europaparlaments. Er schickte den Richtern seine Autobiografie - doch das Geschenk war eher als Rüge zu verstehen.

"Die Rechtsprechung im Hinblick auf das Europäische Parlament gibt Anlass zur Sorge", schreibt Pöttering auf Seite 396. In zwei Urteilen hatte das Verfassungsgericht dem Europäischen Parlament abgesprochen, ein vollwertiges Parlament zu sein. Zunächst hob es die Fünf-Prozent-Hürde auf, kürzlich dann auch die Drei-Prozent-Hürde, die nach dem ersten Urteil eingeführt worden war.

Der CDU-Politiker und Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung ist der einzige Abgeordnete, der dem Parlament seit Einführung der Direktwahl im Jahr 1979 angehört. Kaum einer kann daher besser beurteilen, wieviel Macht das EU-Parlament in den vergangenen 35 Jahren gewonnen hat.

Pöttering nimmt vor allem die Argumentation Karlsruhes auseinander, dass es dem Europa-Parlament an Legitimation fehle, weil bei der Wahl die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger unterschiedlich gewichtet seien und somit das Prinzip "one man, one vote" nicht gelte. "Das Bundesverfassungsgericht übersieht dabei, dass dieses Prinzip im Europäischen Parlament natürlicherweise keine Anwendung finden kann", schreibt Pöttering. "Ansonsten müsste es entweder mehrere tausend Abgeordnete haben oder aber eine Anzahl von Ländern wäre gar nicht vertreten."

Pöttering gehört sicher nicht zu den mutigsten Politikern. Schwächen gibt er in seinem Buch offen zu - etwa, dass die Staats- und Regierungschefs 1999 gegen die damals stärkste Fraktion von Pötterings Christdemokraten den Italiener Romano Prodi zum Kommissionspräsidenten machten. Pöttering war damals gerade EVP-Fraktionsvorsitzender geworden und fühlte sich, wie er schreibt, "nicht stark genug, gegen den Personalvorschlag Romano Prodi vorzugehen".

Allerdings gelang es ihm, Prodi einige Zugeständnisse abzuringen. Dieser sagte zu, dass er und seine Kommissare auf Wunsch der Abgeordneten jederzeit im Parlament erscheinen würden. Es war der Auftakt zu mehr Mitsprache des Parlaments bei der Wahl des Kommissionspräsidenten. Prodis Nachfolger José Manuel Barroso, musste versprechen, Vorschläge des Parlaments zu übernehmen, auch wenn das Europa-Parlament kein formales Recht zu solchen Initiativen besitzt.

Mittlerweile gilt der Lissabon-Vertrag, laut dem die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Vorschlag für Barrosos Nachfolger das Wahlergebnis berücksichtigen müssen. Den aktuellen personalisierten Wahlkampf zwischen dem EVP-Kandidaten Jean-Claude Juncker und dem Sozialdemokraten Martin Schulz sieht Pöttering als großen Fortschritt. Für ihn ist klar, dass der Spitzenkandidaten nach der Wahl im Mai Kommissionschef werden muss. "Wir müssen glaubwürdig bleiben", sagt Pöttering. Dass Karlsruhe das Europaparlament dann endlich ernst nimmt, darf allerdings bezweifelt werden.

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