Kritik an Deutscher Rentenversicherung Experten halten Renten-Prognosen für viel zu hoch

Rentner in Deutschland (Archivbild): Künftig nicht viel mehr als Grundsicherung
Foto: DPABerlin - Jedes Jahr erhalten 31 Millionen Versicherte mit mindestens fünf Berufsjahren einen Brief von der Deutschen Rentenversicherung. Doch die Renten, die ihnen darin in Aussicht gestellt werden, halten Experten für viel zu optimistisch. Tatsächlich erwartet viele Arbeitnehmer real gut ein Viertel weniger, als die Prognose voraussagt, berichtet jetzt das ARD-Wirtschaftsmagazin "Plusminus".
Von der ARD befragte Experten kritisieren die Renteninformation daher als "irreführend". "Man kann aus ihr gar nicht herauslesen, wie dramatisch es wirklich um die eigene Rente bestellt ist", sagt etwa der Versicherungsmathematiker Peter Schramm. Zu Steuern und Abgaben gebe es nur allgemeine Hinweise, aber keine konkrete Beispielrechnung, wie hoch die Abzüge tatsächlich ausfallen. Das sinkende Rentenniveau tauche in der Renteninformation gar nicht auf. Stattdessen werde ausgemalt, wie viel herauskomme, wenn die Renten in Zukunft um jährlich ein oder zwei Prozent steigen sollten.
Nur auf der Rückseite der Renteninformation werde auf den möglichen Kaufkraftverlust hingewiesen. Unerwähnt bleibe aber, dass die Renten planmäßig hinter den Löhnen zurückbleiben und deshalb an Wert verlieren werden.
"Warum soll ich in so ein System einzahlen?"
Tatsächlich erhielten heutige Durchschnittsverdiener als Rentner nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben "nicht viel mehr als die Grundsicherung", heißt es in dem Bericht. Wer jünger ist als 55 Jahre, muss den Angaben zufolge mit Abzügen von zum Teil mehr als 25 Prozent rechnen: Für Steuern ans Finanzamt und die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Zudem reduziere das sinkende Rentenniveau die künftige Rente noch um weitere 12 bis 18 Prozent. Von 1300 Euro, die die Renteninformation beispielsweise einem Durchschnittsverdiener in Aussicht stelle, blieben real gerade einmal 950 Euro übrig. 35 Millionen Bundesbürger zahlen derzeit Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung ein.
Berücksichtigt man alle Abzüge, lande selbst ein Durchschnittsverdiener, der 45 Jahre sechsstellige Beträge in die Rentenkasse eingezahlt hat, im Alter an der Armutsgrenze. Für Professor Stefan Sell von der Fachhochschule Remagen stellen die Erkenntnisse deshalb sogar das deutsche Rentensystem grundsätzlich in Frage: "Wenn das den Leuten transparent gemacht werden würde, dann würde natürlich der gesamte Legitimationsunterbau der Rente in sich zusammenbrechen. Die Leute würden sich zu Recht fragen, warum soll ich in so ein System einzahlen, teilweise erhebliche Beiträge von meinem Einkommen, wenn ich eh nur eine Leistung bekomme, die der Grundsicherung entspricht."
Ein Sprecher der Deutschen Rentenversicherung Bund nannte die Darstellung "in hohem Maße irreführend und teilweise auch schlicht falsch". Im Informationsschreiben würden die Versicherten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von der Rente Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und auch Steuern zu zahlen seien. "Wieso 'Plusminus' dennoch meint, hier werde eine gefährliche Rentenillusion vermittelt, bleibt unerfindlich", sagte der Sprecher.
Die Aussage, selbst ein Durchschnittsverdiener lande im Alter an der Armutsgrenze nannte er nicht nachvollziehbar. In dem Fall des Rentners mit 1300 Euro Monatsrente liege - sofern er nicht über erhebliche weitere Einkünfte verfüge - "die Netto-Monatsrente bei etwa 1100 Euro und damit weit über dem Betrag, der im Regelfall als Grundsicherung gezahlt würde".
Den Beitrag sendet die ARD in der Sendung "Plusminus" am Mittwoch um 21.45 Uhr.