Geldpolitik EZB senkt Leitzins auf Rekordtief von 0,25 Prozent

Die Europäische Zentralbank senkt ihren Leitzins auf das Rekordtief von 0,25 Prozent. Die Entscheidung löste an der Börse Kurssprünge aus: Der Dax legte zeitweise um mehr als hundert Punkte zu, der Euro rutschte um ein Prozent ab.
EZB-Präsident Draghi: Rat beschließt Leitzinssenkung

EZB-Präsident Draghi: Rat beschließt Leitzinssenkung

Foto: Michael Probst/ AP

Frankfurt am Main - Die europäischen Notenbanker machen Ernst: Die EZB senkt den Leitzins im Euro-Raum auf das Rekordtief von 0,25 Prozent. Das beschloss der Rat der Europäischen Zentralbank am Donnerstag in Frankfurt.

Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank mit Geld versorgen können. Angesichts der extrem niedrigen Inflation im Euro-Raum von zuletzt 0,7 Prozent im Oktober hatten einige Beobachter eine weitere Lockerung der Geldpolitik gefordert. So könnte die Notenbank eine deflationäre Abwärtsspirale aus fallenden Verbraucherpreisen und schwachem Wirtschaftswachstum verhindern.

Niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite und Investitionen und kurbeln so die Wirtschaft an. Das stärkt den Preisauftrieb. Die EZB sieht Preisstabilität bei knapp unter zwei Prozent Jahresteuerung.

Am Finanzmarkt hatten zuletzt manche Investoren auf diesen Schritt spekuliert. Der Dax   sprang zeitweise auf ein neues Rekordhoch von 9162 Punkten. Der Euro   stürzte dagegen um mehr als ein Prozent auf 1,33 Dollar ab.

Bei Volkswirten stieß die Entscheidung auf geteilte Reaktionen: "Probleme mit immer mehr Zentralbankgeld zuzudecken, erhöht nur das Risiko, dass der Reformeifer erlahmt", sagte Alexander Schumann vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Hinzu komme die Gefahr von Blasen. "Schon jetzt leidet die breite Akzeptanz bei Sparern und Anlegern für den EZB-Kurs", so Schumann.

Jörg Zeuner von der staatlichen KfW-Bank begrüßte die Entscheidung hingegen: "Dies ist die richtige Reaktion auf die zu niedrige Inflation im Euro-Raum." Die Inflationsrate sei weit von der EZB-Zielmarke entfernt, so der KfW-Chefvolkswirt. Überrascht zeigte sich Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe: "Das war nicht unbedingt aus Kommentaren der EZB-Mitglieder herauszulesen."

EZB-Chef Mario Draghi sagte bei der Erläuterung des Beschlusses, die Zentralbank habe ihr Pulver mit der jüngsten Senkung noch nicht verschossen. "Wir haben die Untergrenze noch nicht erreicht und könnten den Zins grundsätzlich weiter senken", sagte er. Die EZB sei bereit, alle "zur Verfügung stehenden Instrumente einzusetzen". Dazu gehöre theoretisch auch eine Neuauflage der vor rund zwei Jahren eingesetzten langfristigen Kreditlinien für Banken. Auf der jüngsten Zinssitzung sei dies aber "kein großes Thema" gewesen - ebenso wie die Aufwertung des Euro. Der Wechselkurs sei "kein Ziel der Geldpolitik".

Bankenverband hält Zinssenkung für gefährlich

Nach Einschätzung des deutschen Privatbanken-Verbandes hat die Zinssenkung allenfalls geringe Auswirkungen auf die Wirtschaft. Auch mit einer nennenswerten Belebung der Kreditvergabe in den Euro-Krisenländern sei nicht zu rechnen, sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB.

"Mittel- bis längerfristig nehmen allerdings die Risiken der Niedrigzinspolitik weiter zu - insbesondere die Gefahr von falschen Risikoeinschätzungen, verzerrten Investitionsentscheidungen und Vermögenspreisblasen", so Kemmer.

cte/dab/Reuters/dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren