Gefahr durch niedrige Zinsen EZB warnt vor riskanten Investments

Die Europäische Zentralbank führt ein strenges Nullzinsregime - und steigert damit den Druck auf Anleger, immer größere Risiken einzugehen. Das Problem sehen die Währungshüter inzwischen sogar selbst.
Foto: DPA/Boris Roessler

Es war das Thema Finanzmarktstabilität, das dem Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwoch besonders auf dem Herzen lag. Es gebe eine steigende Bereitschaft, Risiken einzugehen, erklärte Luis de Guindos anlässlich der Vorlage des halbjährlichen Berichts. Das Niedrigzinsumfeld stütze zwar die Gesamtwirtschaft. Mittelfristig könnte dies jedoch "zu Herausforderungen für die Finanzstabilität führen".

Der Leitzins im Euroraum liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von null Prozent. Die Negativzinsen, die die Zentralbank zudem für bei ihr geparkte Gelder verlangt, fressen sich zunehmend durchs Finanzsystem. Inzwischen reichen manche Institute diese damit verbundenen Kosten auch an Firmenkunden sowie an wohlhabende Sparer mit Guthaben von mehr als 100.000 Euro weiter.

Die Commerzbank etwa verlangt laut "Handelsblatt " bei einigen der 70.000 Firmenkunden bereits ab dem ersten Euro Negativzinsen. Die Volks- und Raiffeisenbank im oberbayerischen Fürstenfeldbruck verlangt seit 1. Oktober zudem schon ab dem ersten Euro de facto Negativzinsen - auch für neue Privatkunden. Die Regel gilt für Tagesgeldkonten, um Bestandskunden zu schützen.

Kursrutsche könnten das Finanzsystem stärker bedrohen

Unter den niedrigen Zinsen leiden aber auch die Institute im Euroraum selbst. Vor allem Investmentfonds und Versicherer könnte daher das Umfeld nach Einschätzung der EZB-Experten dazu verleiten, übermäßige Risiken einzugehen. Auch in einzelnen Immobilienmärkten sei dies zu befürchten.

Bei unerwarteten Kurskorrekturen könne dies Folgen für das gesamte Finanzsystem haben. Auch die steigenden Wohnimmobilienpreise in manchen Ländern machen der EZB Sorgen. Im Schnitt seien die Preise im Euroraum um mehr als sieben Prozent überbewertet. Dabei gebe es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern.

Zuvor hatte bereits der Internationale Währungsfonds eindringlich vor riskanteren Investitionen durch niedrige Zinsen gewarnt. "Die Entscheidungsträger müssen dringend handeln", forderte die Organisation. Ihre aktuelle Zinspolitik könne die Wirtschaftskrise langfristig sogar verschärfen.

Unbehagen bereiten der EZB wiederum die hohen Schuldenstände und Haushaltsdefizite in manchen Euroländern. Sollte sich die Konjunktur erheblich eintrüben, könnten Staaten mit fragilen Finanzen am Markt wieder in den Fokus rücken. Zudem hätten sich die Ertragsperspektiven der Banken weiter eingetrübt.

Entsprechend hat die EZB für die Banken auch noch ein weiteres Risiko ausgemacht: "Die Eigenkapitalrendite der Banken im Euroraum wird voraussichtlich weiter unter Druck bleiben - und zwar sowohl aufgrund der schwächeren Konjunkturaussichten als auch aufgrund anhaltender Kostenineffizienzen und Überkapazitäten", schreiben die Währungshüter. Trotz dieser Einschränkung halten sie den Bankensektor insgesamt für robust.

apr/dpa/Reuters
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