Gesetzesänderung Familien drohen 2013 deutliche Einbußen beim Elterngeld

Kleine Gesetzesänderung, gravierende Folgen: Wer 2013 ein Baby bekommt, muss mindestens sieben Monate vor Geburtstermin in die richtige Steuerklasse wechseln. Sonst drohen kräftige Einbußen beim Elterngeld.
Von Berrit Gräber
Familienglück: Mein Schatz, mein Augenstern, mein Elterngeldanspruch!

Familienglück: Mein Schatz, mein Augenstern, mein Elterngeldanspruch!

Foto: dapd

Nicht nur das englische Königshaus ist ganz aus dem Häuschen, weil 2013 Nachwuchs ansteht. Auch in Deutschland freuen sich Hunderttausende werdende Mütter und Väter auf die Geburt ihrer Babys im kommenden Jahr. Die meisten kümmern sich gleich in den ersten Schwangerschaftswochen schon um Strampler, Kinderwagen, Geburtsvorbereitungskurse. Ans Elterngeld denkt kaum einer so früh. "Aber genau das sollten sie ganz schnell tun, sonst wartet ein herber Dämpfer fürs Konto", warnt Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Neuen Verbands der Lohnsteuerhilfevereine (NVL).

Wer im kommenden Jahr Nachwuchs bekommt, muss spätestens sieben Monate vor dem Geburtstermin die steuerlichen Weichen stellen. Sonst gibt es weniger Elterngeld vom Staat. Die Einbuße kann für Arbeitnehmer bis zu 100 Euro im Monat ausmachen, hat Rauhöft berechnet.

Die Gesetzesänderung, die zum Jahreswechsel greift, hat unzählige junge Familien in spe kalt erwischt. Auf ganz leisen Sohlen hat der Bundesrat Anfang Juli die Neuerungen zum Elterngeld ab 2013 auf den Weg gebracht - und kaum jemand hat's bemerkt. "Auch Steuerfachleute haben es erst spät mitgekriegt. Das war so lange in der Gesetzgebung, dass es kaum mehr beachtet wurde", berichtet Rauhöft. Eigentlich sollte ein kleiner Dreh an Steuerstellschrauben alles einfacher machen und für eine schnellere Auszahlung des Elterngelds sorgen. Jetzt bringt er Tausenden, die ab Januar Nachwuchs bekommen und in Elternzeit gehen, finanzielle Nachteile.

Worum geht es konkret? Bis zum Jahresende können angehende Eltern noch relativ leicht selbst ausrechnen, was sie an Zuschüssen erwartet. Für ihr Neugeborenes bekommen sie in der Regel 65 bis 67 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens der vergangenen zwölf Monate vor der Geburt, höchstens 1800 Euro im Monat - und das bis zu 14 Monate lang. Für Arbeitnehmer ist die Rechnung bislang einfach: Sie schnappen sich ihre Gehaltsabrechnung und nehmen den Nettolohn nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zur Grundlage. Zusätzlich geht noch ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags ab. Urlaubs- und Weihnachtsgeld bleiben außen vor. Grundsätzlich gilt: Je mehr Netto, desto mehr Elterngeld.

Bruttolohn wird Berechnungsgrundlage, abgezogen werden Pauschalsätze

Ab 2013 muss anders gerechnet werden: Künftig wird der Bruttolohn für die letzten zwölf Monate vor der Geburt zugrunde gelegt, nicht mehr der Nettolohn wie bisher. Die tatsächlichen Abzüge auf der Lohnabrechnung werden uninteressant. Stattdessen zieht der Staat vom Brutto neue Pauschalsätze ab, insgesamt 21 Prozent für Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Dieser Wert liegt aber um rund einen halben Prozentpunkt über den aktuellen Beitragssätzen, ab 2013 gar um gut einen dreiviertel Prozentpunkt. Folge: Das so berechnete Nettoeinkommen ist geringer - und damit auch das Elterngeld.

Auf den ersten Blick schlägt die Gesetzesänderung nur marginal durch: Bei einem Bruttolohn zwischen 2000 und 3000 Euro im Monat schrumpft das Elterngeld um rund sieben bis zehn Euro, wie Steuerfachmann Rauhöft vorrechnet.

Viel stärker wirkt sich das neue Gesetz allerdings bei der Lohnsteuer aus, die ebenfalls vom Brutto abzuziehen ist. Dafür ist die Lohnsteuerklasse maßgeblich, die die betreuende Mutter respektive der Vater in den vorangegangenen zwölf Monaten am längsten hatte. Grundsätzlich gilt zwar weiter: Verheiratete können mit einem cleveren Wechsel der Steuerklasse in der Schwangerschaft ihr Nettoeinkommen nach oben schrauben.

Doch der Umstieg in die andere Steuerklasse muss für Kinder, die ab 2013 geboren werden, mindestens sieben Monate vor der Geburt passiert sein. Bei der Berechnung des neuen Elterngelds zählt nämlich allein die Steuerklasse, die am längsten in den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes eingetragen war. Das bedeutet: Angehende Eltern müssen sich viel früher als bisher entscheiden, wer zu Hause bleibt. Derjenige sollte dann in die Steuerklasse wechseln, die ihm das höchste Einkommen belässt, selbst wenn das für den verheirateten Partner eine höhere Steuerlast bedeutet. "Am besten schon bei Kinderwunsch wechseln, so verrückt es klingt, das bringt am meisten Geld", rät Markus Deutsch, Sprecher des Deutschen Steuerberaterverbands.

Freibeträge fallen unter den Tisch

Verpasst das Ehepaar den Umstieg in den ersten Schwangerschaftswochen, gilt die ungünstigere Steuerklasse. So gehen einer Mutter, die 2000 Euro brutto im Monat hat und erst fünf statt sieben Monate vor dem Geburtstermin von Klasse IV auf die günstigere III wechselt, stolze 59 Euro monatlich durch die Lappen, wie Rauhöft berechnet hat. Hatte sie zuvor Steuerklasse V, büßt sie gar 114 Euro ein.

Dazu kommt: Das neue Gesetz fegt auch die Freibeträge beiseite, mit denen werdende Eltern die Unterstützung vom Staat optimieren können. Wer sich beispielsweise einen Freibetrag wegen höherer Werbungskosten, Fahrtkosten oder der Kinderbetreuung vom Finanzamt holt, bekommt am Monatsende mehr netto heraus und damit später mehr Elterngeld. Dieser legale Steuerkniff bringt ab 2013 nichts mehr fürs Elterngeld. Einbußen haben dann auch Eltern, die Freibeträge für ein behindertes Kind bekommen.

Steuerexperte Rauhöft rät: Werdende Eltern sollten am besten gleich zu Beginn der Schwangerschaft Rat holen, um auch 2013 so viel Zuschuss wie möglich vom Staat zu kriegen.

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