Frust im Job Jeder vierte Arbeitnehmer hat innerlich gekündigt

Es ist ein verheerendes Ergebnis: Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung Gallup haben 23 Prozent der deutschen Mitarbeiter gar keine Bindung zu ihrem Job. Hauptgrund ist schlechte Personalführung. Durch sie entstehen volkswirtschaftliche Schäden im Milliardenhöhe.

Berlin - Viele Angestellte in Deutschland sind nicht gerade sehr motiviert. Das ist das Ergebnis einer Umfrage  unter mehr als 1300 Beschäftigten, die die Unternehmensberatung Gallup am Dienstag vorstellte. Laut dem Engagement-Index sind die Deutschen mit ihrer beruflichen Situation generell zwar sehr zufrieden. Die emotionale Bindung an ihren Job liegt jedoch auf konstant niedrigem Niveau.

  • Laut der Studie sind nur 14 Prozent aller Arbeitnehmer mit Herz und Verstand bei der Sache.
  • 63 Prozent der Deutschen machten demnach nur "Dienst nach Vorschrift".
  • Und der Anteil jener Arbeitnehmer, die "innerlich gekündigt" haben, sei von 2001 bis 2011 kontinuierlich gestiegen: von 15 auf 23 Prozent.

Der Begriff der innerlichen Kündigung wurde vom Führungsforscher Martin Hilb geprägt. Er bezeichnet diesen Zustand als eine Art Selbstjustiz des Arbeitnehmers. Der Angestellte fühlt sich ungerecht behandelt und arbeitet nur noch so viel, wie ihm angesichts dieser Behandlung fair erscheint. Er stellt also durch Arbeitsverweigerung sein Gerechtigkeitsgefühl wieder her.

Die Mitarbeiter, die sich innerlich verabschiedet haben, fehlen demnach häufiger; sie entwickeln so gut wie nie Ideen, wie sich die Arbeitsabläufe und Produkte des Unternehmens verbessern lassen; und einige verlassen irgendwann das Unternehmen - was zu Know-how-Verlusten führt.

Und zu Geldverlust: Laut Gallup-Schätzung entsteht durch schlecht motivierte Mitarbeiter ein volkswirtschaftlicher Schaden von bis zu 124 Milliarden Euro - pro Jahr.

In Deutschland gibt es rund 36,6 Millionen Arbeitnehmer. Glaubt man Gallup und nimmt an, dass von diesen 23 Prozent innerlich gekündigt haben, würde das bedeuten: Mehr als acht Millionen Menschen arbeiten nur das Nötigste oder sabotieren gar die eigene Firma.

Wie schlechte Führung demotiviert

Ein wichtiger Grund für die schlechte Mitarbeitermotivation ist nach Angaben von Gallup ein Defizit in der Personalführung. Die Ursachen für den relativ geringen Anteil emotional hoch gebundener Arbeitnehmer in Deutschland seien "hausgemacht und gehen auf Defizite in der Personalführung zurück", heißt es in der Studie.

Der Aussage "Ich habe in den letzten sieben Tagen für gute Arbeit Anerkennung und Lob bekommen" stimmten demnach nur vier Prozent der Mitarbeiter ohne emotionale Bindung zum Unternehmen uneingeschränkt zu. Nur ein Prozent der Mitarbeiter ohne emotionale Bindung erklärt, dass es jemand im Unternehmen gibt, der die persönliche Entwicklung fördert.

"Auch im Jahr 2011 ist es Führungskräften in Deutschland nicht gelungen, ihre Mitarbeiter mitzunehmen", sagt Marco Nink, der Autor der Studie. "Es wird deutlich, welchen Einfluss das Führungsverhalten auf die Verbundenheit der Mitarbeiter hat." Unternehmen dürften ihr Humankapital nicht vernachlässigen und müssten dem Führungsverhalten größere Bedeutung beimessen.

Umstrittene Methodik

Die Gallup-Umfrage gilt seit Jahren als guter Orientierungswert für die Stimmung in Unternehmen. Allerdings streiten sich Experten darüber, wie verlässlich ihre Angaben sind.

So sind die Fragen zu den Befindlichkeiten von Mitarbeitern etwa relativ offen formuliert - und lassen bei den Antworten viel Interpretationsspielraum. Hinzu kommt bei Gallup der Interessenkonflikt: So bietet das Beratungsunternehmen zur Diagnose auch gleich die Therapie an.

Andererseits gibt es noch andere Umfragen, zum Beispiel den YouGov PeopleIndex des Marktforschungsinstituts Psychonomics, die zu ähnlichen Ergebnissen kommen wie Gallup. Und laut einer Online-Umfrage der Ruhr-Uni Bochum sind nur 20 Prozent der Mitarbeiter mit ihren Führungskräften zufrieden; mehr als die Hälfte sind ausdrücklich unzufrieden.

Was man gegen die eigene Unzufriedenheit tun kann

Karriereberater merken an, dass der Mitarbeiter die Gründe für Frust zunächst auch bei sich selbst suchen sollte - ehe sie pauschal dem Chef für alles die Schuld geben. "Viele wollen den Rahmen verändern, aber nie sich selbst", sagt der Berater Dirk Schmidt aus Düsseldorf. Dabei könne eine Änderung der Einstellung Wunder helfen. Einige Tipps:

  • Die Illusion vom Traumjob aufgeben: In jedem Job gebe es immer Aufgaben, die weniger Spaß machen. Statt zu denken: "Andere Jobs sind besser" sollten Arbeitnehmer überlegen, was die angenehmen Seiten ihres Berufs sind.
  • Negative Aspekte der Arbeit aufschreiben: Macht die Arbeit keinen Spaß, sollten Arbeitnehmer die negativen Aspekte aufschreiben. So würden aus dem generellen Frust konkrete Ansatzpunkte, etwas zu ändern.
  • Jobwechsel ist häufig keine Lösung: "Oft ist dann das erste halbe Jahr in der neuen Stelle super, und dann sind die Arbeitnehmer wieder unzufrieden mit ihrem Job", warnt Schmidt. "Die Menschen nehmen ihre Einstellung mit." Und manchmal sei die das Problem - und nicht der berufliche Rahmen.

ssu

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren