Fed-Chef Powell Der mächtige Ohnmächtige

Jerome Powell: Er verkündete am Mittwoch die dritte Zinssenkung in diesem Jahr
Foto: MICHAEL REYNOLDS/EPA-EFE/REXSo hatten sich das die Erfinder des Weltspartags wohl nicht vorgestellt: Ausgerechnet zu dem jährlichen Termin, der geschaffen wurde, um das Sparen zu fördern, hat die US-Notenbank am Mittwoch den Leitzins ein weiteres Mal gesenkt. Die kommerziellen Banken dürften dem Beispiel bald folgen. Verlierer ist der Kleinanleger, der für seine Spargroschen auf dem Konto keinen nennenswerten Ertrag mehr bekommt oder demnächst sogar draufzahlen muss. Das Signal ist klar: Schluss mit dem Sparen!
Die Börse nahm die dritte Zinssenkung in diesem Jahr mit der gelangweilten Reaktion eines Kindes hin, das ein Päckchen nach dem anderen aus dem Geschenkpapier reißt. Die Kurse stiegen, aber von Euphorie keine Spur. Schließlich hatten die Händler die Senkung um 25 Basispunkte auf eine Spanne von 1,5 bis 1,75 Prozent schon lange vor der Sitzung der Notenbanker eingepreist. Schon deshalb konnte die Fed gar nicht anders, als zu liefern - andernfalls hätte sie die Finanzmärkte in Turbulenzen gestürzt. Märktechaos neben den realwirtschaftlichen Risiken aber kann Fed-Chef Jerome Powell überhaupt nicht brauchen.
Watch Chair Powell’s statement from the #FOMC press conference:
— Federal Reserve (@federalreserve) October 30, 2019
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Powell, der mächtigste Notenbanker der Welt, ist ein Getriebener: der Märkte und des US-Präsidenten, der die Wirtschaft zum Spielball seiner Wiederwahl gemacht hat. Powell ließ am Mittwoch auf seiner Pressekonferenz erkennen, dass die Fed in diesem Jahr keine weitere Senkung plant - außer es kommt anders. "Wenn sich Entwicklungen ergeben, die zu einer wesentlichen Veränderung unserer Prognose führen", erklärte der Notenbanker, "werden wir angemessen reagieren". Übersetzt dürfte das heißen: Wenn der Handelskrieg zwischen den USA und China wieder eskaliert oder die US-Konjunktur doch noch abschmiert, wird die Notenbank ein weiteres Mal handeln.
Eine Zahl - unterschiedliche Interpretationen
Wirklich recht machen kann es Powell sowieso niemandem mehr. Dem einen (Trump) gehen die Zinssenkungen nicht weit genug. Die anderen fürchten, dass die Geldpolitiker ihr Pulver zu früh und ohne Not verschießen. Zwei Mitglieder des Offenmarktausschusses, der die geldpolitischen Entscheidungen trifft, haben gegen die gestrige Zinssenkung gestimmt.
Die Gegner einer Lockerung argumentieren, dass die Wirtschaft in den USA im elften Jahr des Aufschwungs immer noch ziemlich gut läuft. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem 50-Jahres-Tief, die Löhne steigen, und das Bruttoinlandsprodukt ist im dritten Quartal mit einer Jahresrate von 1,9 Prozent solide expandiert. Das Plus ist deutlich schwächer, als die Trump-Regierung versprochen hat, aber ein Traumwert aus Sicht der Europäer.
Wie unterschiedlich man die Zahl interpretieren kann, hat Trump vorgemacht. "Die großartigste Wirtschaft in der amerikanischen Geschichte", kommentierte er am Mittwochmorgen. Als das Quartalswachstum in der Amtszeit seines Vorgängers Barack Obama 1,9 Prozent erreicht hatte, hatte Trump das noch ganz anders eingeordnet: "Die Wirtschaft steckt in tiefen Schwierigkeiten", twitterte er im Frühjahr 2012.
Trump hat es leicht: Seine Wertung ist rein politisch motiviert. Fed-Chef Powell dagegen hantiert mit Faktoren, die er nicht unter Kontrolle hat. Er muss nicht nur damit umgehen, dass der Präsident quasi im Monatsrhythmus den Handelskrieg mit China mal eskaliert, mal abbläst. Sondern auch damit, dass die Konjunkturdaten im Kleingedruckten mittlerweile unübersichtlich sind. Während die Verbrauchernachfrage - noch - floriert, verdüstert sich das Bild bei den Unternehmen zusehends.
Viele US-Firmen haben ihre Expansionspläne auf Eis gelegt. Im dritten Quartal sind die Investitionen in Maschinen, Fabriken und Ähnliches um beunruhigende drei Prozent Jahresrate gesunken.
"Die Senkung der kurzfristigen Zinsen wird absolut keine Wirkung haben"
Manche Ökonomen bezweifeln deswegen, dass die Zinssenkung viel zur Stimulierung der Wirtschaft ausrichten kann. "Die Senkung der kurzfristigen Zinsen wird absolut keine Wirkung haben, um der darniederliegenden Industrie in diesem Land aufzuhelfen", erklärt Bernard Baumohl, Chefvolkswirt der Economic Outlook Group. "Das Problem der amerikanischen Fabriken sind nicht hohe Kreditkosten." In einer Umfrage der National Association for Business Economics unter Unternehmensvolkswirten im Oktober befürwortete nur rund ein Drittel der Befragten eine geldpolitische Lockerung. Zugleich erklärten zwei Drittel der Warenproduzenten, dass ihr Geschäft unter den Zöllen leide.
Ähnlich sieht das Aldis Birkans, Finanzchef der National Bank Holdings. Ein halber Prozentpunkt Zins mehr oder weniger mache für Kleinunternehmer, die sich wegen der Strafzölle auf chinesische Importe sorgten, keinen Unterschied. "Sie werden trotzdem nicht in einem Bereich investieren, wo der Gewinn womöglich ausradiert wird", erklärte der Banker kürzlich. Entscheidender Faktor sei die Unsicherheit über den Handelskrieg.
Gleichzeitig hätten die Zinssenkungen der Fed aber eine andere, ungewollte Wirkung, warnte Birkans: Die Profitabilität der Banken sinke - und das könnte deren Bereitschaft schmälern, Kredite zu vergeben. Das wiederum würde einige der konsumverliebten Amerikaner hart treffen. Mit insgesamt über vier Billionen Dollar sind die US-Verbraucher verschuldet. Der Durchschnittsamerikaner hat drei Kreditkarten und darauf Außenstände von 6500 Dollar.
Diesen Konsumenten immerhin dürften die Zinssenkungen helfen. Sie verbilligen die Hypothekenkosten für das Eigenheim genauso wie die Kredite für den neuen SUV oder die Reparatur der Regenrinne. Allerdings ist die Wirkung begrenzt: Nach den ersten zwei Fed-Lockerungen ist der Durchschnittszins der Kreditkarten von 17,85 Prozent auf 17,57 gesunken, hat der Finanzdienstleister Bankrate errechnet. Die monatlich fällige Mindestzahlung verringerte sich um ein bis zwei Dollar.