Zoff zwischen US-Notenbank und Trump Zur Zinssenkung gezwungen

US-Notenbankchef Jerome Powell
Foto: Nicholas Kamm/ AFPDiese Woche hat für Fed-Chef Jerome Powell vergleichsweise entspannt begonnen. Nicht nur haben die USA und China ihren Handelskrieg ausgesetzt, was die Börse am Montag mit kräftigen Kursgewinnen honorierte. Auch an einer zweiten geldpolitischen Front blieb es ungewöhnlich ruhig: US-Präsident Donald Trump hat, während er versuchte, sich als Außenpolitiker zu profilieren, den Dauerbeschuss gegen seinen obersten Notenbanker unterbrochen.
Diese inneramerikanische Waffenruhe allerdings dürfte nicht lange währen.
Tatsächlich macht das in Osaka zwischen Trump und dem chinesischen Staatspräsidenten Xi vereinbarte Moratorium die Arbeit für die US-Zentralbank nicht leichter. Der Showdown ist ausgeblieben, aber die Unsicherheit wächst und belastet die Konjunktur weiter.
Faktisch haben die beiden Staatschefs nicht mehr erreicht, als den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Wie kniffelig es im Konkreten wird, hatte sich im Frühjahr gezeigt, als die letzte Verhandlungsrunde kurz vor der Ziellinie scheiterte. Beobachter bezweifeln, dass die Kompromissbereitschaft beider Seiten seitdem gewachsen ist. Trump und Xi stehen beide innenpolitisch unter dem Druck der jeweiligen Hardliner, dem Kontrahenten keine allzu großen Zugeständnisse zu machen.
So überrascht es nicht, dass die Investmentbank Morgan Stanley trotz des äußerlich friedlichen Treffens von Xi und Trump ihre globale Wachstumsprognose noch am Sonntag gesenkt hat. Wesentliche Punkte seien völlig ungeklärt, begründeten die Ökonomen ihre Skepsis. Auch die Analysten der Citigroup warnten, dass die Realwirtschaft unverändert sowohl unter den Folgen der bestehenden Zölle als auch unter der Gefahr leide, dass der Konflikt zwischen den beiden Wirtschaftsmächten wieder eskaliert.
Was Trump von der Fed will, ist klar: Zinssenkungen um jeden Preis.
Seine Kritik an der vermeintlich zu restriktiven Geldpolitik Powells ist mittlerweile in offene Beleidigungen des Mannes ausgeartet, den er selbst 2018 ins Amt berufen hat - und dessen Loyalität er nun einfordert. "Da ist dieser Typ, von dem niemand je vorher gehört hat", tobte Trump, nachdem Powell vergangene Woche die Unabhängigkeit der Institution bekräftigt hatte. "Ich habe ihn gemacht." Der Präsident wirft der Fed vor, "wie ein dickköpfiges Kind" die Zinssenkungen zu verweigern, die Amerika brauche, um "das wettzumachen, was andere Länder gegen uns unternehmen. Sie haben es vermasselt."
Powell steckt nun in der Falle: Senkt die Notenbank die Zinsen, um eine Abschwächung der Konjunktur zu verhindern, steht er als Befehlsempfänger des Weißen Hauses da. Wartet die Notenbank zu lange mit einer Lockerung, könnte das die enttäuschten Börsen in Turbulenzen stürzen - und in der Folge womöglich den Wirtschaftsabschwung auslösen, den die Fed laut ihren Statuten verhindern soll. Anschließend müsste sie dann die Zinsen umso stärker senken, um den Schaden ihres zögerlichen Handelns wiedergutzumachen.
Auf dem Spiel steht die US-Konjunktur. Aber auch die Glaubwürdigkeit einer vor mehr als 100 Jahren gegründeten Institution.
Man dürfe nicht "schlechte Politik" machen, nur um die eigene Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen, soll Powell dem "Wall Street Journal" zufolge intern argumentiert haben. Man müsse alle Entscheidungen so treffen, als gäbe es den Druck des Präsidenten nicht.
Das klingt, als gäbe es einen objektiv richtigen Kurs, jenseits der Machtpolitik. Aber wie soll so ein Kurs aussehen? Amerikas Konjunkturlage ist zunehmend unübersichtlich. Die Wirtschaft sei "in guter Verfassung", versicherte Fed-Vize Richard Clarida am Montag - aber die Unsicherheit habe "in verschiedenen Dimensionen" zugenommen, wegen der Handelskonflikte und der Abschwächung der Weltkonjunktur.
Die Geldpolitiker sind in dieser Frage gespalten
Das verarbeitende Gewerbe ist im Juni nach dem Index des Institute for Supply Management gewachsen, jedoch mit der niedrigsten Rate seit Oktober 2016. In den vergangenen Monaten habe sich "der Jobanstieg verlangsamt, die Lohnsteigerung abgeflacht und die Inflation ist weiter unter unserem Zwei-Prozent-Ziel geblieben", warnte Neel Kashkari, der Präsident der Fed von Minneapolis. Kashkari plädierte auf der letzten Zinssitzung der Fed für eine Senkung. Doch der Offenmarktausschuss (FOMC), der den Leitzins festlegt, hörte nicht auf ihn.
Durch die Riege der geldpolitischen Elite geht ein Riss. Zum ersten Mal in seiner Amtszeit als Fed-Chef kassierte Powell im Juni ein abweichendes Votum im FOMC: James Bullard, der Vertreter der Federal Reserve Bank von St. Louis, stimmte gegen die Entscheidung, das Zinsniveau unverändert zu lassen. Er befürwortete eine Lockerung als "Versicherung" gegen das Risiko einer Konjunkturabschwächung und sinkender Inflationserwartungen.

Washington: Hauptsitz der US-Notenbank Federal Reserve (Fed)
Foto: Pablo Martinez Monsivais/ dpaWie gespalten die Geldpolitiker sind, lässt sich am "dot plot" der Fed ablesen, einer Art Vorschau der kommenden Zinspolitik. Jeder der Fed-Entscheider gibt regelmäßig eine anonymisierte Prognose ab, wo er den Leitzins am Ende des Jahres sieht. In der aktuellen "dot-plot"-Grafik sagen acht von 17 Fed-Mitgliedern niedrigere Zinsen voraus.
Weitere acht antizipieren keine Veränderung, einer erwartet sogar eine Zinserhöhung. Rein technisch gesehen hieße das: keine Zinssenkung in diesem Jahr auf dem Programm.
Aktienhändler planen mit einer Zinssenkung
Diese Botschaft allerdings will an den Finanzmärkten niemand hören. Die Anleihe- und Aktienhändler haben die Lockerung längst fest eingeplant. Die Fed habe "eine Senkung im Juli so klar angekündigt wie sie es konnte, ohne eine Anzeige im 'Wall Street Journal' zu schalten", urteilte Tim Duy, Fed-Beobachter und Professor an der University of Oregon.
Die Fed werde die Erwartungen der Investoren erfüllen, ist auch Mark Heppenstall, Chief Investment Officer bei Penn Mutual Asset Management, überzeugt. Trump müsse dazu nur die Zinssenkung im Juli abwarten - und erst danach den Handelsfrieden mit den Chinesen schließen, so Heppenstall im Sender CNBC. Auf diese Weise bekäme er gleich zwei positive Schübe für die Wirtschaft - und für die Präsidentschaftswahlen 2020.
Die Fed hat sich in eine Ecke manövriert, befürchtet man bei der Bank of America. Indem sie signalisiert habe, die Folgen des Handelskriegs abfedern zu wollen, ermutige sie die Beteiligten womöglich zu mehr Härte. "Das würde dann noch mehr Entgegenkommen der Fed auslösen, und so weiter. Am Ende stünde der Verlust der geldpolitischen Fed-Munition, während die Wirtschaft immer noch lahmt", warnen die Bankanalysten.
Trump allerdings ist wild entschlossen, die Notenbank auf seine Linie zu zwingen - und ist sie nicht willig, womöglich auch mit Gewalt. "Wir sollten (den EZB-Präsidenten) Draghi haben statt unserer Fed-Person", sagte er seinem Lieblingssender Fox. Er habe das Recht, Powell "zu feuern", findet Trump, auch wenn er behauptet, das nie vorgehabt zu haben.
Intern allerdings hat das Weiße Haus prüfen lassen, ob eine Amtsenthebung des Chairmans möglich wäre. Juristen halten dies tatsächlich für machbar - doch bliebe Powell dann trotzdem Mitglied im zinsentscheidenden Offenmarktausschuss, mit Stimmrecht.
Auch wenn Trump Powell nicht los wird - eine Zinssenkung dürfte er angesichts der zunehmend wackeligen Konjunktur wohl bald bekommen. Die Frage ist nur, ob er sich lange an dem Geschenk erfreuen könnte.
Denn je stärker die US-Wirtschaft abrutscht, desto schneller und deutlicher wird die Lockerung ausfallen. Ein Absturz der Konjunktur aber könnte Trump die Wiederwahl kosten.