Zinssenkung Das Dilemma der US-Notenbank

Leitzins gesenkt: Trotzdem kein guter Tag für Fed-Chef Powell
Foto: JIM LO SCALZO/EPA-EFE/REXEs dürfte kein Tag sein, an den sich Fed-Chef Jerome Powell gerne zurückerinnert. Am Mittwoch hat die amerikanische Notenbank das getan, was alle von ihr erwartet haben: Sie hat die Zinsen gesenkt, um 25 Basispunkte auf die Spanne 2,0 bis 2,25 Prozent. Aber zufrieden war trotzdem niemand.
Die Börsianer zeigten sich enttäuscht, dass Powell keine weiteren Runden verspricht und ließen den Dow Jones kräftig absacken, er schloss 1,2 Prozent im Minus. Kritiker der Lockerung dagegen fürchten, dass die Geldpolitiker ohne Not das Pulver verschossen haben, das sie in einer Rezession brauchen werden - zwei Mitglieder im konsensorientierten Offenmarktausschuss der Fed stimmten gegen niedrigere Zinsen. Und dann wäre da noch der US-Präsident, der per Twitter urteilte: "Wie gewohnt hat uns Powell im Stich gelassen."
"Wir glauben, dass dies der richtige Schritt für heute ist", sagte dagegen Powell, als er am Nachmittag vor der Presse die Entscheidung erläuterte. Es war ein insgesamt defensiver Auftritt. Man habe sich nicht von politischen Überlegungen beeinflussen lassen, beteuerte der Fed-Chef auf die Frage, ob er dem Druck von Trump nachgegeben habe. Aber: "Wir richten unsere Geldpolitik auch nicht danach aus, unsere Unabhängigkeit zu beweisen."
Die zwei Sätze beschreiben das Dilemma der Fed. Auch wenn Powell selbst das bestreitet, steht er nun ein bisschen da wie ein Lehrling des Weißen Hauses. Denn Trump hat schon lautstark für eine Lockerung getrommelt, als die Fed den Zinssatz Ende vergangenen Jahres ein weiteres - und vorläufig letztes - Mal heraufsetzte.
Fed-Feuerwehr ist früher unterwegs als sonst
Nun muss Powell die verzögerte Kehrtwende in der Öffentlichkeit rechtfertigen. "Wie soll man das anders erklären, als zu sagen, der Präsident hat recht?", fragte der Fed-Beobachter Christopher Whalen von Whalen Global Advisors im Sender CNBC. "Das ist hart für die Institution."
Tatsächlich ist die Notwendigkeit einer Zinssenkung nicht offensichtlich. Anders als in der Vergangenheit ist die Fed-Feuerwehr schon losgerast, bevor es brennt. Als die Notenbank im September 2007 daranging, den Zinssatz von damals über fünf Prozent bis auf fast null Prozent ein gutes Jahr später herunter zu schleusen, steckte die Weltwirtschaft in der schlimmsten Krise seit 80 Jahren.
Heute erleben die USA einen schier nicht enden wollenden Aufschwung. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit einem halben Jahrhundert nicht, das Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal mit 2,1 Prozent stärker gewachsen als erwartet, und die Konsumenten - der wichtigste Stützpfeiler der US-Konjunktur - kaufen munter ein.
Das Verbrauchervertrauen ist im Juli nach dem Index des Conference Board auf einen Wert von 135,7 gestiegen nach 124,3 im Vormonat. Und auch bei vielen US-Unternehmen läuft es - ungeachtet der Angst vor einer Eskalation von Trumps Handelskrieg mit China und Europa - bislang noch prächtig. So erfreute Apple seine Investoren mit unerwartet guten Zahlen. Das dritte Geschäftsquartal "ist das beste, das wir je hatten", jubelte CEO-Tim Cook. Der Elektronikkonzern war nicht der einzige Konzern, der die Analysten positiv überraschte.
Die Wirtschaft "impfen" - vor zu niedriger Inflation
Warum also zu diesem Zeitpunkt eine Zinssenkung, deren Sinn doch eigentlich ist, eine kränkelnde Wirtschaft aufzupeppen? Die Antwort lautet: Zukunftsangst. Die Fed argumentiert, dass die Verlangsamung der Weltwirtschaft zusammen mit den Handelsrisiken diesen Schritt notwendig macht.
"Es ist besser, präventive Maßnahmen zu ergreifen, als darauf zu warten, dass sich das Desaster entfaltet", hat der Chef der New Yorker Fed, John Williams, erklärt. Man müsse die Wirtschaft "impfen" und "vor der schleichenden Krankheit einer zu niedrigen Inflation schützen". Die Notenbanker sorgt, dass die Preissteigerungen beharrlich unter ihrer Zielmarke von zwei Prozent verharren.
Die Gefahr, dass die Zinssenkung die Inflation anheizt, ist daher gering - im Gegenteil wäre dieser Effekt diesmal sogar gewünscht. "Das Risiko einer Zinssenkung ist geringer, als wenn wir nichts tun", findet auch der Starökonom und frühere Finanzminister Larry Summers.
Trumps erratische Politik bringt Märkte zum Schlingern
Trotzdem ist auch Summers bei dieser Senkung unwohl: "Wenn der Random Walk des Präsidenten durch das Meinungsspektrum" zufällig da ankomme, wo auch Powell stehe, dann sei der "in einer schwierigen Position", beschreibt er das Problem.
Tatsächlich hat Trump dafür gesorgt, dass sich die Wege beider kreuzen. Es ist seine erratische Politik, die Märkte und Wirtschaft ins Schlingern bringt und die Fed zum Handeln gezwungen hat. Man wisse letztlich nicht, wie sich die an- und abschwellenden Handelskonflikte auswirkten, gab Powell in frappierender Offenheit zu. "Wir haben mit globalen Handelsspannungen nicht viel Erfahrung."
So verzichtete die Fed diesmal auf eine klare Ansage, wie die Zinspolitik in der näheren Zukunft aussehen soll. Diese Senkung sei nicht der Beginn eines längeren Zyklus, machte Powell klar, schloss aber weder weitere Senkungen noch auf Dauer Zinserhöhungen aus, und verwies ansonsten darauf, dass man von "den sich entwickelnden Daten" abhänge.
Trump dürfte jetzt erst recht Zinssenkungen fordern
Trump allerdings dürfte sich weniger als Verursacher der Probleme denn als Sieger sehen. Er fühlt sich bestätigt - und ermutigt. "Eine kleine Zinssenkung ist nicht genug", sagte Trump. Wenn er mehr nicht bekommt, könnte Trump bald eine weitere Front aufmachen: den Währungskrieg. Er hat keinen Zweifel gelassen, dass ihn die Stärke der US-Währung umtreibt, die die amerikanischen Exporte verteuert.
China und Europa "spielen das große Spiel der Währungsmanipulation und pumpen Geld in ihr System, um mit den USA zu konkurrieren", hat Trump erklärt. "Wir sollten es damit aufnehmen."
Sein Wirtschaftsberater Peter Navarro hat ihm vergangene Woche schon im Weißen Haus Ideen unterbreitet, um den Greenback zu schwächen. Trump winkte ab - nur um kurze Zeit später zu signalisieren, dass er die Option prüft: "Ich könnte das in zwei Sekunden tun, wenn ich wollte", sagte der Präsident.
"Ich habe nicht gesagt, dass ich nichts tue." Die jüngste Fed-Entscheidung dürfte ihn bestärken, etwas zu unternehmen. Der Dollar kletterte am Mittwoch auf ein Zweijahreshoch.