Zwei Mal in einer Woche hat die Bundesregierung Übernahme-Deals zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen blockiert. Stecken sicherheitspolitische Bedenken dahinter - oder wirtschaftliche Interessen der USA?
Es hätte eine entspannte Reise werden können für Sigmar Gabriel (SPD). Am Montag bricht der Wirtschaftsminister mit einer Manager-Delegation nach China auf - Hände schütteln, Geschäfte einfädeln, ein bisschen Politik. So ist das normalerweise. Doch dieses Mal muss sich Gabriel auf unangenehme Fragen gefasst machen. Denn innerhalb einer Woche hat sein Ministerium gleich zwei Mal chinesische Firmen brüskiert.
Bei Aixtron zeigt man sich ratlos über die Hintergründe der Entscheidung aus Berlin, genauso wie beim potenziellen Käufer Fujian Grand Chip (FGC). "Das hat hier jeden überrascht", heißt es aus dem Umfeld des Investmentfonds.
Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD)
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Zwar hatten die Übernahmepläne frühzeitig für Misstrauen gesorgt, weil sie indirekt vom chinesischen Staat mitfinanziert werden sollten. Doch bislang schienen die Chinesen alle Hürden genommen zu haben. Dazu gehörten neben Prüfungen durch die deutschen Behörden auch umfangreiche Angaben gegenüber der amerikanischen Börsenaufsicht SEC, weil ein Teil der Aixtron-Aktien in den USA gehandelt wird.
Schließlich warb der bislang kaum bekannte FGC-Chef Liu Zhendong im Interview mit SPIEGEL ONLINE auch persönlich für die Übernahme. Dabei dementierte er, im Auftrag des chinesischen Staats zu handeln. Auch mit der dubiosen Stornierung eines Auftrags des chinesischen Unternehmens San'an Optoelectronics an Aixtron habe man nichts zu tun. Nach der Stornierung Ende 2015 war der Aixtron-Kurs eingebrochen. Und weil zwischen San'an und FGC geschäftliche Verbindungen bestehen, war der Verdacht aufgekommen, die Chinesen hätten gezielt den Kaufpreis von Aixtron gedrückt.
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Investor Liu Zhendong: Chinas nächster Deutschland-Shopper
Völlig überraschend kam das Scheitern in letzter Minute aber offenbar nicht. "Wir haben in den letzten drei Monaten gemerkt, dass jemand aktiv gegen die Übernahme arbeitet", heißt es aus mit dem Deal vertrauten Kreisen. "Er hatte Informationen, die nur von US-Behörden stammen können."
Warum aber äußerten deutsche oder amerikanische Behörden diese Bedenken nicht früher? Eine Theorie lautet, dass den deutschen Geheimdiensten Informationen zur Brisanz der Aixtron-Technologie fehlten und sie erst in letzter Minute von US-Kollegen gewarnt wurden. Die Sorge: Produkte von Aixtron könnten im chinesischen Nuklearprogramm benutzt werden.
Chinesischer Investor Liu Zhendong
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Tatsächlich hatten US-Behörden schon in der Vergangenheit bei Exporten von Maschinen zur Halbleiterproduktion Bedenken angemeldet. Bereits 1998 untersagten sie eine entsprechende Lieferung des US-Herstellers Emcore. Als die Chinesen stattdessen bei Aixtron kauften, führte dies zu offiziellem Protest der Amerikaner.
Neben Aixtron prüft das Bundeswirtschaftsministerium derzeit auch den Verkauf der Osram-Lampensparte an den chinesischen LED-Spezialisten MLS, der das kriselnde Geschäft mit Energiesparlampen und Neonröhren für mehr als 400 Millionen Euro übernehmen will. Ende März wurde der Vertrag unterzeichnet, der Verkauf sollte eigentlich schon kommendes Jahr abgeschlossen sein. Jetzt liegt er wegen der Intervention aus Berlin erst mal auf Eis.
Der Deal ist für Osram immens wichtig: Zwar trennt sich das Unternehmen damit von einem sehr großen Geschäftsbereich, mit dem es Jahrzehnte lang Umsätze in Milliardenhöhe erwirtschaftete, doch traditionelle Glühbirnen sind ein Auslaufmodell. Zuletzt machte Osram mit dieser Sparte Verluste.
Osram-Logo in München
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Warum ist Berlin auch hier plötzlich misstrauisch geworden? Generell kann bei einer Firmenübernahme eine sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung beim Wirtschaftsministerium beantragt werden. Wenn sich das Ministerium in Berlin einen Monat nach Antragsstellung nicht äußert, wird die Bescheinigung automatisch ausgestellt. Beim Osram-Deal besteht das Ministerium jetzt auf einer genaueren Prüfung.
Nach Eingang aller Unterlagen haben Gabriels Beamte zwei Monate Zeit, die Übernahme genau zu durchleuchten. Eine Investition kann laut Außenhandelsrecht aber nur untersagt werden, wenn sie "die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden könnte."
Angst vor chinesischer Einflussnahme
Nicht jeder will jedoch glauben, dass bei beiden Deals tatsächlich Sicherheitsbedenken ausschlaggebend sind. Im Fall Aixtron etwa sind die größten Konkurrenten US-Unternehmen wie Veeco und Cree. Wollen die Amerikaner also den Einstieg verhindern, um ein heimisches Unternehmen vor einem deutsch-chinesischen Konkurrenten zu schützen? Barry Norris, Chef des Aixtron-Aktionärs Argonaut Capital, legt das nahe. Mit seinem Veto drohe Wirtschaftsminister Gabriel, "den Handlanger für amerikanische kommerzielle Interessen zu spielen", kritisiert er.
Zudem zeichnet sich eine interessante Querverbindung zwischen den beiden Deals ab. Denn ausgerechnet San'an Optoelectronics, also jenes chinesische Unternehmen, das bereits bei der Aixtron-Übernahme eine dubiose Rolle spielte, hegt offenbar auch Pläne für den Komplettkauf von Osram. Das wurde kürzlich bekannt.
Damit wären Aixtron, ein Hersteller von Maschinen zur LED-Produktion, und der Leuchtmittelhersteller Osram in chinesischer Hand. Die Unternehmen hätte also Zugriff auf die gesamte Wertschöpfungskette dieser Hightechindustrie. Auch alle Patente wären mit einem Schlag im chinesischen Besitz. Womöglich schaut Berlin deshalb jetzt bei beiden Deals ganz genau hin.
Neu sind solche Sorgen bei ausländischen Übernahmen jedenfalls nicht. Schon 2007 schreckte der vermehrte Einstieg ausländischer Staatsfonds bei deutschen Unternehmen die Politik auf. Angela Merkel warnte damals im Bundestag, ausländischen Investoren gehe es nicht nur um die Rendite, sondern möglicherweise auch um Einflussnahme. Infolge der Debatte wurde im Außenwirtschaftsgesetz ein Vetorecht des Wirtschaftsministers bei Übernahmen von mehr als 25 Prozent durch ausländische Investoren eingeführt - diese Option zog Gabriel beim Aixtron-Deal.
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10 BilderInvestor Liu Zhendong: Chinas nächster Deutschland-Shopper
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Liu Zhendong: Der 49-jährige Investor will den deutschen Maschinenbauer Aixtron übernehmen.
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Aixtron-Zentrale in Herzogenrath: Das Unternehmen stellt Maschinen zur Produktion von Halbleitern her - eine Branche, die Chinas Regierung entwickeln will.
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Er verstehe die Angst vor chinesischen Investoren nicht, sagt Liu. In jüngster Zeit hatten verschiedene Übernahmen die Sorge geweckt, deutsches Know-How könne in Richtung China verschwinden.
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Produktionshalle von Aixtron: Liu hat zugesagt, die Zentrale in Deutschland zu belassen und keine Jobs abzubauen.
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Trotz staatlicher Co-Finanzierung werde allein er die Entscheidungen bei Aixtron treffen, beteuert Liu.
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Aixtron-Zentrale in Herzogenrath: Das Unternehmen stellt Maschinen zur Produktion von Halbleitern her - eine Branche, die Chinas Regierung entwickeln will.