
Wirtschaft sucht Arbeitskräfte Diese Branchen hoffen auf die Flüchtlinge

Wer aus Syrien oder Afghanistan nach Deutschland flieht, lässt seine zerstörte Heimat, oft sogar alle Freunde und Familienmitglieder hinter sich. Er flieht vor Gewalt, Verfolgung und Bürgerkrieg, oft erreicht er Deutschland nur unter Lebensgefahr. Nächstenliebe, nicht Nützlichkeit, ist deshalb die oberste Kategorie des deutschen Asylrechts.
Doch ist ein Flüchtling erst einmal hier und anerkannt, muss er sich in seinem neuen Heimatland eine Existenz aufbauen und einen Job finden. Wirtschaftsvertreter machen ihnen darauf große Hoffnungen - und rechnen auch damit, dass talentierte Flüchtlinge Lücken in manchem Mangelberuf schließen könnten.
Besonders das deutsche Handwerk freut sich über Migranten, die auf den Arbeitsmarkt drängen. "Die meisten Flüchtlinge bringen eine unglaubliche Moral und Lernwillen mit", sagt Alexander Legowski, Sprecher des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). In Zukunft könnten viele der Syrer oder Afghanen, die in Deutschland Asyl bekommen haben, die große Lücke füllen, die sich auftut, weil die Zahl von in Deutschland geborenen Jugendlichen sinkt und der Trend zum Studium anhält.
Die Politik reagiert aus Sicht der Wirtschaftsverbände oft zu langsam auf den Zustrom von Asylbewerbern. Der Arbeitgeberverband BDA fordert etwa, den Zugang zu Praktika zu erleichtern und geduldeten Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz haben, den Aufenthalt während der gesamten Ausbildung zu garantieren. "Gerade für Jugendliche darf das Asylverfahren nicht 'Lebensstillstand' bedeuten", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme des Verbands.
Auch in anderen Wirtschaftsbereichen sieht man gute Chancen für gut ausgebildete Flüchtlinge - sogar als Softwareentwickler könnten sie arbeiten. Nur in den Pflegeberufen sind die Arbeitsbedingungen nach Ansicht des zuständigen Verbandes so schlecht, dass sie auch für Flüchtlinge unattraktiv seien.
Sehen Sie in dieser Bildergalerie, in welchen Berufen Flüchtlinge gefragt sind.
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Die deutschen Handwerksbetriebe kriegen seit Jahren ihre Azubi-Stellen nicht mehr voll, rund 20.000 bleiben 2015 wohl unbesetzt. Flüchtlinge könnten manche davon besetzen.
"Noch haben wir wenige von ihnen in Ausbildung, aber ihre Zahl steigt überall", sagt ZDH-Sprecher Legowski. Er fordert aber mehr Vorbereitungskurse, in denen die neuen Deutschen vor allem die Sprache lernen.
Dann könnten gerade Ausbilder, die sich bei der Nachwuchssuche schwer tun, unter Flüchtlingen fündig werden. Stuckateure etwa.
Oder Bäcker. Während viele deutschstämmige Jugendliche beim Bäckerhandwerk vor allem ans frühe Aufstehen denken, sei der Beruf in Syrien oder dem Irak sehr positiv besetzt, sagt Legowski.
Eine alternde Gesellschaft wie die deutsche braucht künftig viele neue Pflegekräfte, schon jetzt geht Krankenhäusern und Altenheimen der Nachwuchs aus. Könnten die häufig jungen Flüchtlinge hier nicht Lücken stopfen? Für eine "politische Schnapsidee" hält das Johanna Knüppel vom Berufsverband für Pflegeberufe.
Es gebe in Deutschland genügend ausgebildete Pflegekräfte, wegen der Überlastung auf schlecht besetzten Stationen wollten die aber nicht mehr im Beruf oder selten in Vollzeit arbeiten, sagt Knüppel. "Es braucht keiner zu glauben, dass sich Flüchtlinge mit Pflegeausbildung mit solch schlechten Bedingungen abspeisen lassen." Der Pflegebereich habe schon länger Erfahrungen mit Migranten. Viele blieben aber nicht lange in Deutschland, sondern zögen nach Skandinavien oder in die USA weiter, wo ihnen attraktivere Arbeitsbedingungen geboten würden.
Ingenieure sind in Deutschlands Hightech-Wirtschaft besonders gefragt. Flüchtlinge mit den entsprechenden Qualifikationen können da eine echte Hilfe sein, sagt Marco Dadomo vom Ingenieursverband VDI.
Im Maschinenbau oder der Elektrotechnik fehlten zumindest in industriestarken Regionen wie Süddeutschland oder Nordrhein-Westfalen viele Ingenieure. , sagt Dadomo. Ein studierter Ingenieur, der es durch die behördliche Mühle der Anerkennung geschafft hat, hat gute Chancen auf einen Arbeitsplatz. Viele Unternehmen würden sogar Deutschkurse zahlen, um sich einen gut ausgebildeten Ex-Asylbewerber zu sichern.
Auch Softwareentwickler und andere IT-Spezialisten sind in Deutschland oft Mangelware. Der Branchenverband Bitkom glaubt, dass manche freie Stelle mit einem Flüchtling besetzt werden könnte. Zwar sind die gefragten Entwickler, etwa im Bereich Big Data oder Mobile, hochspezialisiert und überall rar. Aber aktuell legt die Politik ihnen auch noch Steine in den Weg.
Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder beklagt etwa, dass qualifizierte Flüchtlinge für den Antrag auf eine Arbeitserlaubnis nach dem Zuwanderungsrecht in ihr Heimatland zurückreisen müssten. Eine abstruse Forderung an einen Menschen, der gerade vor einem Bürgerkrieg geflohen ist.
Eine alternde Gesellschaft wie die deutsche braucht künftig viele neue Pflegekräfte, schon jetzt geht Krankenhäusern und Altenheimen der Nachwuchs aus. Könnten die häufig jungen Flüchtlinge hier nicht Lücken stopfen? Für eine "politische Schnapsidee" hält das Johanna Knüppel vom Berufsverband für Pflegeberufe.
Foto: Peter Steffen/ picture alliance / dpaEine alternde Gesellschaft wie die deutsche braucht künftig viele neue Pflegekräfte, schon jetzt geht Krankenhäusern und Altenheimen der Nachwuchs aus. Könnten die häufig jungen Flüchtlinge hier nicht Lücken stopfen? Für eine "politische Schnapsidee" hält das Johanna Knüppel vom Berufsverband für Pflegeberufe.
Foto: Peter Steffen/ picture alliance / dpa