Geplante Flughafen-Investition in Lahr Der Schwarzwald streitet über die Seidenstraße

Vorfeld am Flughafen Lahr: "Bei Verhandlungen bestimmt nicht naiv"
Foto: Michael Heuberger / imago imagesIn Lahr gibt es ein paar China-Restaurants und seit 2018 auch ein erfolgreiches "China Start-up Center". Doch das, was in dem 43.000-Einwohner-Städtchen am Fuße des Schwarzwalds nun diskutiert wird, sprengt diesen Rahmen deutlich.
Es geht um den früheren Militärflugplatz des Orts, der neben der Autobahn A5 und unweit der Eisenbahn liegt, gerade mal fünf Kilometer vom Rhein entfernt. Der Flughafen hat eine lange Geschichte: Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Areal zunächst französischen Truppen, später dem kanadischen Militär als europäisches Hauptquartier. Nach der Wiedervereinigung versuchten mehrere Investoren einen rentablen Flugbetrieb für die zivile Luftfahrt aufzubauen - und scheiterten allesamt.
Nun könnte ein Konsortium mehrerer chinesischer Investoren dem Flughafen wieder zu Glanz verhelfen. Die Investoren haben angeboten, rund 200 Millionen Euro in die vor sich hin dümpelnde Anlage zu stecken. 200 Millionen Euro sind für Lahr sehr viel Geld - normalerweise kann die Stadt über ein Budget von rund 160 Millionen Euro pro Jahr verfügen. Eine neue Landebefeuerung, Navigationssysteme, ein richtiges Terminalgebäude oder ein Hotel könnten, so erträumt man es sich im Rathaus, mit dem Geld der Chinesen entstehen.
Doch das an die Stadt gerichtete Angebot bedroht das Verhältnis Lahrs zu einem der wichtigsten Unternehmer der Region: dem Tunnelbau-Pionier Martin Herrenknecht. Der hat nach den zahlreichen Fehlschlägen den Flughafen 2013 von der Stadt gepachtet und nutzt ihn seitdem unter anderem für seine privaten Flüge. Auch andere Unternehmen und reiche Privatleute starten hier gern ihre Jets.
Von chinesischem Geld hält Herrenknecht nichts. Zumindest wenn es seinen eigenen Bedürfnissen in die Quere kommt.
Auf der Runway können sogar Jumbojets starten
"Wo auch immer chinesische Investoren bei attraktiven Infrastrukturen in Europa einsteigen, kommt erst das Geld und dann 'Made in China' mit voller Wucht", sagt der 77-Jährige mit Verweis auf die Neue Seidenstraße - jener Handelsroute, die bereits bis zum Duisburger Hafen reicht und mit der China seine Macht in der Welt ausbauen will.
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Der Einstieg chinesischer Investoren könne "durchaus bedrohliche Dimensionen für den lokal und regional etablierten Handel" haben, sagt Herrenknecht. So betreibt zum Beispiel der Versandhändler Zalando ein großes Logistikzentrum am Flughafen. Zudem verweist der Unternehmer auf die Flughäfen in Schwerin-Parchim und Frankfurt Hahn. Sie würden trotz chinesischer Investitionen kriseln.
Herrenknecht ist mit einem geschätzten Vermögen von rund 800 Millionen Euro nicht nur einer der reichsten Deutschen, sondern im Hauptberuf auch Arbeitgeber von weltweit mehr als 5000 Menschen, davon arbeiten viele in der Firmenzentrale im nahe liegenden Schwanau-Allmannsweier. Sollte sich das chinesische Angebot konkretisieren, müsste die Stadt Herrenknecht schlimmstenfalls den Pachtvertrag kündigen. Können Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller und der Gemeinderat es sich also leisten, den tonangebenden Unternehmer womöglich zu vergraulen?
Wenn Müller, 68, von dem Flughafen spricht, spricht er von einem Geschenk. Tatsächlich bietet die Anlage mehr als gewöhnliche Landratspisten in der Provinz. Die Runway ist mit gut 3000 Meter Länge für Jumbojets geeignet, Regierungschefs und auch Papst Benedikt XVI. landeten bereits hier. Auch Teile von Herrenknechts Tunnelbohrmaschinen wurden von hier aus schon in die Welt geflogen.

Nun, so wünscht es sich der Oberbürgermeister, könnten neue Investitionen deutlich mehr Unternehmer als bisher an- und auf den Flughafen an der für den Güterverkehr wichtigen Rheintalschiene locken. Auch jede Menge Touristen könnten hier landen, die Höhen von Schwarzwald und Vogesen sowie der Europapark mit seinen Achterbahnen liegen nur wenige Kilometer entfernt. Das in Aussicht gestellte Geld käme da gelegen, um den Flughafen schick zu machen. Doch noch steht all das im Konjunktiv.
Dass Herrenknecht den Flugbetrieb vor sechs Jahren sicherstellte, wertet Müller als "regionale Verantwortung". Doch wie lange währt die Dankbarkeit dafür?
Lahr tut viel, um seine Beziehungen zu China zu stärken. Oberbürgermeister Müller reiste erst vor wenigen Wochen mit einer Delegation der Stadtverwaltung in verschiedene chinesische Städte. Herrenknecht wiederum macht seit Langem in China Geschäfte, aktuell graben sich seine Maschinen in Guangzhou durch den Untergrund - und bereiten der neuen Metro den Weg.

Doch inzwischen hat auch Herrenknecht Konkurrenz aus China. Zuletzt hat das Land laut der Zeitung "People's Daily"angekündigt, erstmals selbst eine in Fernost hergestellte Tunnelbohrmaschine zu exportieren. Das Monstrum mit einem Schild von elf Meter Durchmesser soll nach Moskau gehen.
Beim Flughafenprojekt weiß Lahrs Rathauschef um die Risiken von zu viel chinesischem Einfluss. "Es gibt durchaus geostrategische Aspekte, schließlich geht es um Handel und bedeutsame Infrastruktur", sagt Müller. "Bei den Verhandlungen sind wir bestimmt nicht naiv." Deshalb werde auch nicht über einen Verkauf des Flughafens gesprochen, sondern nur über Investitionen. Um welche chinesischen Interessenten es sich handelt, verrät Müller aber nicht - mit den potenziellen Investoren wurde Vertraulichkeit vereinbart.
Müller wird das Thema bald los sein. Bei der Oberbürgermeisterwahl am 22. September tritt er nicht mehr an. Im Mai wurde zudem der Gemeinderat der Stadt neu gewählt. An diesem Gremium sei es nun, über das Angebot zu befinden, sagt Müller. Er selbst hoffe dennoch auf eine einvernehmliche Lösung mit Herrenknecht. Die Investoren seien hierzu offen.
Eine gütliche Einigung ist aus Sicht der Stadt auch deshalb nicht ganz unwichtig, weil Herrenknecht einen Vorteil bei den Verhandlungen besitzt: Den unbefristeten Pachtvertrag könnte er mit einer Frist von drei Monaten kündigen, Lahr hätte eine doppelt so lange Zeitspanne einzuhalten.
Bisher gibt sich der Unternehmer unnachgiebig - und schimpft gern auf die chinesischen Pläne. Solch ein Kunststück bekomme "niemand so hoppla-hopp auf die Beine gestellt", sagt er - und so kurz vor der OB-Wahl sei auch der falsche Zeitpunkt. Es komme auf belastbare Konzepte an, genauso aber auch auf den Konsens in der Region, sagt Herrenknecht. Und dabei sei er "nicht der Einzige, der die China-Initiative des Oberbürgermeisters daher nicht ganz nachvollziehen kann".
Sollte es tatsächlich zum Bruch kommen, verliere Lahr "ein vernünftig aufgestelltes und bewährtes Betreiberkonzept", sagt Herrenknecht. Dann würde er Ausschau halten nach einem "anderen nahe liegenden Standort für meinen Flugbetrieb".
Mit Straßburg, dem Baden-Airpark südwestlich von Rastatt sowie dem Euroairport Basel-Mulhouse-Freiburg hätte Herrenknecht gleich mehrere Alternativen.